Arbeitsklima im Sinkflug – was die Gallup-Zahlen wirklich sagen
Der Ton im Arbeitsalltag wird rauer, das Vertrauen in Führungskräfte schwindet und die Zuversicht in die Zukunft ist so gering wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Die neue Gallup-Studie bringt alarmierende Zahlen ans Licht: Kippt die Arbeitsmoral in Deutschland?
Nur noch 9 % der Beschäftigten fühlen sich ihrem Arbeitgeber wirklich emotional verbunden
Hier die wichtigsten Erkenntnisse aus dem aktuellen Engagement Index:
- Emotionale Bindung: Fast im freien Fall
Nur noch 9 % der Beschäftigten fühlen sich ihrem Arbeitgeber wirklich emotional verbunden – das ist der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 waren es immerhin noch 14 %.
Und der Rest? Macht offenbar einfach nur noch seinen Job. Genauer gesagt: 78 % arbeiten nach Vorschrift – ein drastischer Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Die Mehrheit ist zwar körperlich anwesend, emotional aber längst ausgestiegen.
- Innere Kündigung bleibt ein Thema
Ein kleiner Lichtblick: Der Anteil der Mitarbeiter, die innerlich gekündigt haben, ist gesunken – von 19 % auf 13 %. Doch das bedeutet immer noch: Jeder Achte hat innerlich bereits gekündigt. Und davon suchen 63 % aktiv oder passiv nach einem neuen Job. Das ist ein deutliches Zeichen: Viele haben sich mental schon vom Unternehmen verabschiedet.
- Führung verliert an Rückhalt
Nur 16 % der Beschäftigten sind mit ihrer direkten Führungskraft rundum zufrieden (2022 waren es noch 41 %). Gerade einmal ein Fünftel hat überhaupt Vertrauen in die eigene Führungskraft. Und nur ein Viertel glaubt, dass die Unternehmensleitung die Zukunft meistern kann. Ein Ergebnis, die Arbeitgeber zu einem Umdenken der Führungskultur veranlassen sollten.
- Kaum Vertrauen in die Zukunft
Nur 34 % glauben noch an eine finanziell stabile Zukunft ihres Unternehmens – so wenig wie zuletzt während der Banken- und Finanzkrise.
Auch beim Thema Agilität sieht es düster aus: Nur etwa ein Viertel der Befragten erkennt agile Prozesse oder Denkweisen in ihrer Organisation – dabei wären genau die jetzt gefragt.
- Das Miteinander leidet
Gallup stellt fest: Das Betriebsklima hat sich merklich verschlechtert. Der Umgangston ist rauer geworden, der respektvolle Austausch lässt vielerorts zu wünschen übrig. Ein Alarmsignal – nicht nur für Personalverantwortliche, sondern auch für Betriebsräte, die ein offenes Ohr für die Stimmung in der Belegschaft haben sollten.
Wenn Mitarbeiter innerlich kündigen, leidet nicht nur die Stimmung im Büro – es wird auch richtig teuer.
Engagementverlust kostet – und zwar richtig viel
Wenn Mitarbeiter innerlich kündigen, leidet nicht nur die Stimmung im Büro – es wird auch richtig teuer. Gallup schätzt, dass der deutschen Wirtschaft jährlich bis zu 135 Milliarden Euro durch mangelndes Engagement verloren gehen. Wer nur noch „seinen Job macht“, fehlt häufiger, bringt weniger Ideen ins Unternehmen und lässt die Qualität öfter schleifen.
Die gute Nachricht: Es geht auch anders. Unternehmen mit engagierten Teams haben’s deutlich besser – dort gibt’s:
- bis zu 78 % weniger Fehlzeiten,
- 63 % weniger Unfälle,
- 32 % weniger Qualitätsmängel,
- 10 % bessere Kundenbewertungen
- und obendrauf bis zu 18 % mehr Produktivität.
Das heißt: Engagierte Mitarbeiter lohnen sich – für alle. Und wer glaubt, dass Mitarbeiterbindung nur ein Feelgood-Thema für die HR-Abteilung ist, liegt daneben. Sie ist ein echter Wirtschafts-Faktor.
Denn wenn Engagement und Bindung auf breiter Front schwinden, steht mehr auf dem Spiel als nur gute Stimmung.
Was können Sie als Betriebsrat tun?
Die Zahlen der Gallup-Studie sollten ein Weckruf sein – nicht nur für Arbeitgeber, auch für Sie als Betriebsrat. Denn wenn Engagement und Bindung auf breiter Front schwinden, steht mehr auf dem Spiel als nur gute Stimmung. Es geht um die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens. Und genau hier können Sie eine zentrale Rolle spielen: als Impulsgeber, Vermittler und Gestalter.
Sie haben durch Ihre Rolle als Interessenvertreter nicht nur das Ohr nah an der Belegschaft, sondern auch Mitbestimmungsrechte, die sie aktiv nutzen können – zum Beispiel bei der Arbeitsorganisation, beim Gesundheits- und Arbeitsschutz oder bei der Personalentwicklung. Sie können Umfragen zum Betriebsklima initiieren, agilere Strukturen anstoßen, sich für wertschätzende Führungskultur einsetzen und transparente Kommunikation fördern. Auch die Einführung oder Evaluation von Feedback-Formaten, Mitarbeitergesprächen oder Fortbildungsmaßnahmen kann durch Sie als Betriebsrat zumindest mal ins Gespräch gebracht werden.
Nicht zuletzt können Sie als Betriebsrat auf ein respektvolles Miteinander und eine Kultur der Wertschätzung achten. Denn genau hier – zwischen Alltagsfrust und innerer Kündigung – entscheidet sich oft, ob das Betriebsklima gerettet werden kann oder ob die Kollegen das Unternehmen verlassen. (sw)