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News Gesundheit Ist ständig positiv sein wirklich gesund?

Ist ständig positiv sein wirklich gesund?

Als Betriebsrat toxischen Verhaltensmustern begegnen und entgegensteuern

Positive Psychologie gilt schon lange als Trend. Inzwischen hat es sich als gutes Instrument für mehr Zufriedenheit in der Mitarbeiterführung etabliert. Doch was passiert, wenn es zwanghaft wird? Wenn positives Denken toxische Züge erreicht? Wie erkennen Sie als Betriebsrat Kollegen, die von „toxischer Positivität“ betroffen sind und was können Sie tun, um Ihren Kollegen zu helfen?

Stand:  28.7.2023
Lesezeit:  02:45 min
Toxic Positivity | © AdobeStock | ra2 studio

Jeder wünscht sich Glück und positive Gedanken. Durch die Pandemie und Krisenzeiten erleben wir gerade einen Boom der positiven Psychologie. In den Sozialen Medien werden jede Menge „Good Vibes“ verbreitet. Menschen lächeln, strahlen in den Bildschirm oder haben einen großartigen Spruch auf Lager. Sie sind anscheinend beruflich und privat erfolgreich und leben ein glückliches Leben. Insgeheim fühlt man sich ausgeschlossen und schuldig, nicht so positiv zu sein, wie diese Menschen. Negative Gedanken und Unzufriedenheit macht sich breit. Darf man nicht wütend über einen Arbeitsplatzverlust, unglücklich über seinen schlechten Gesundheitszustand oder auch einfach mal unzufrieden mit der Gesamtsituation sein? Der ständige Vergleich mit den „Sonnenscheinchen“ unter uns und die damit aufkeimenden Schuldgefühle können bis zu Angstzuständen und Depressionen führen. Und in Folge: Gesundheitliche Probleme, die körperlich spürbar sind. Was wir da erleben, fällt in die Kategorie der toxischen Positivität.

Von positiver Psychologie profitieren 

Bevor wir uns mit toxischer Positivität beschäftigen, muss festgehalten werden: Von positiver Psychologie können Betriebsräte profitieren und wie Studien nachweisen, kann sie auch einen Effekt auf unsere Gesundheit und das Wohlbefinden haben. Dankbarkeitsübungen, Tagebuch und Co. helfen uns, die kleinen Glücksmomente in unserem Alltag festzuhalten und sie in Erinnerung zu rufen. Wer das nachhaltig geübt, erlebt ein Manifestieren positiver Gefühle. Aber aufgepasst: Hier kann  der Grat zur toxischen Positivität sehr schmal werden. Unter anderem könnte es passieren, dass die Person keine negativen Gedanken mehr zulässt, sich schuldig fühlt, wenn diese Gedanken auch nur aufkommen. Sie verdrängt negative Emotionen und überträgt dieses toxische Verhalten auf andere.

Was ist toxische Positivität genau?

Toxische Positivität beschreibt, wenn eine Person oder eine Gruppe von Menschen eine übertriebene Betonung auf positive Gedanken, Emotionen und Einstellungen legen, während sie negative Gefühle und Erfahrungen ignorieren, verstecken oder ablehnen. Es bezieht sich auf die Vorstellung, dass man immer positiv sein sollte, unabhängig von den Umständen. Negative Emotionen oder Probleme sollen vermieden oder unterdrückt werden.

Negative Gefühle und Erfahrungen werden bei diesem Menschen regelrecht aus dem Kopf eliminiert.

Ist toxische Positivität schädlich?

Gerade Sie als Betriebsrat bekommen oft die ganze Bandbreite an Emotionen der Kollegen ab. Erleben Sie bei Ihrem Gegenüber eine Unterdrückung und Leugnung von natürlichen menschlichen Emotionen, dann haben Sie es mit einem toxisch Positiven zu tun. Negative Gefühle und Erfahrungen werden bei diesem Menschen regelrecht aus dem Kopf eliminiert. Das hindert ihn daran, seine Emotionen zu verarbeiten und konstruktive Lösungen für seine Probleme zu finden. Es kann auch dazu führen, dass er sich schuldig oder unzureichend fühlt, wenn er nicht ständig positiv denkt oder sich negativen Situationen aussetzt. Dieses Verhalten ist ungesund und wirkt sich auch schädlich auf den Körper aus. 
Es ist normal, negative Emotionen zu haben und mit ihnen umzugehen. Ein gesundes emotionales Gleichgewicht beinhaltet sowohl positive als auch negative Gefühle. Jeder sollte sich selbst erlauben, traurig, wütend oder gestresst zu sein, wenn die Situation dies erfordert, und Unterstützung suchen, wenn nötig. Der Begriff der toxischen Positivität soll uns dazu ermutigen, ein ausgewogenes Verständnis und eine gesunde Herangehensweise an unsere Emotionen zu entwickeln, anstatt sie zu unterdrücken oder zu ignorieren.

Anzeichen toxischer Positivität

Wichtig für Sie als Betriebsrat ist es, Menschen zu erkennen, die unter toxischer Positivität leiden und das auch subtil auf andere übertragen.

Hier sind einige Anzeichen dafür, dass möglicherweise toxische Positivität vorliegt:

  • Die Person ignoriert oder vermeidet Probleme, anstatt sich ihnen aktiv zu stellen.
  • Sie versteckt Ihre wahren Gefühle hinter oberflächlichen Wohlfühlzitaten, um gesellschaftliche Akzeptanz zu erlangen.
  • Sie spielt die Gefühle anderer Menschen herab oder wertet diese ab, nur weil sie Ihnen selbst Unbehagen bereitet.
  • Sie beschämt oder kritisiert Menschen, wenn sie keine positive Einstellung haben.

Wichtig: Ein gesundes emotionales Gleichgewicht beinhaltet die Anerkennung und den Umgang mit negativen Emotionen und die Fähigkeit, diese in einem konstruktiven Rahmen zu verarbeiten.

Begriffe, die auf sich selbst oder andere toxisch wirken können

Haben Sie als Betriebsrat diese Begriffe auch schon mal genutzt? Wahrscheinlich ja, wie jeder von uns. Es kommt immer darauf an, in welchem Kontext man sie verwendet und was dem Gegenüber gerade wirklich hilft. Es besteht schnell die Gefahr, dass diese Art der Positivität nicht zur Situation passt und dem anderen die Botschaft vermittelt, dass die Art und Weise, wie sich die andere Person fühlt, falsch ist.

Toxische Positivität | © ifb

Weitere Sprüche…

•    „Seh doch die positive Seite!“
•    „Alles geschieht aus einem guten Grund.“
•    „Mach Dir keine Sorgen!“
•    „Es wird alles funktionieren.“
•    „Hab einfach weniger Stress!“
•    „Du wirst darüber hinwegkommen.“
•    „Das wird auch vorübergehen.“

Zuhören, fragen, verstehen, und eine emotionale Bindung aufbauen

Bevor Sie als Betriebsrat reagieren, ist das Wichtigste – Das Zuhören und Verstehen. Haben Sie beispielsweise einen Kollegen nach einer langen Krankheit vor sich, der sich über das BEM-Verfahren wieder in seine Tätigkeit einarbeiten möchte, dann helfen ihm Sprüche wie „Das wird schon wieder!“ „Sehe es positiv, du bist wieder da!“ nicht weiter, wenn er mit seinem Gesundheitszustand noch zu kämpfen hat. Wichtig ist, Verständnis dafür zu haben, was ihn gerade bewegt. Die Angst, es nicht zu schaffen, die eingeschränkten finanziellen Mittel, die Furcht vor dem mangelnden Verständnis der Kollegen. Wenn Sie mit jemand anderem interagieren, gehen Sie mit Empathie und Anerkennung für die Situation der anderen Person vor, anstatt sich zu beeilen, das Problem mit Standardsprüchen zu lösen.

Die positive Auswirkung negative Gefühle zuzulassen

Darüber reden hilft bekanntlich. In einer Studie wurde festgestellt, dass Personen, die durch erzwungene positive Gedanken ihre Emotionen unterdrücken, auch nach dem Loslassen der Gedanken noch eine erhöhte Herzfrequenz hatten, während andere Personen nach dem Akzeptieren ihrer Gefühlswelt eine ausgeglichene Gesundheit zeigten. Es ist wie der Wasserballeffekt! Man versucht den Ball unter Wasser zu drücken, irgendwann entgleitet er den Händen und schnellt in die Höhe!

Auf die Balance kommt es an

In Ihrer Funktion als Betriebsrat ist es wichtig, die Kollegen zu verstehen und zu unterstützen. Dabei helfen Ihnen Disziplinen wie positive Psychologie und das Wissen um toxische Positivität. Es kommt immer auf die Situation und das Ereignis an, was Ihr Gegenüber gerade braucht. Lassen Sie sich Zeit mit Ihrer Antwort, stellen Sie Fragen für ein besseres Verständnis. Machen Sie sich bewusst, dass negative Gefühle und Unzufriedenheit auch zu Kreativität und Lösungsfindung anregen. Wie das geht, kennen Sie als Betriebsrat ja am allerbesten! (sw)

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