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Mehr Weiterbildung braucht das Land!

So treiben Sie als Betriebsrat die Qualifizierung voran, um Beschäftigung zu sichern

Corona hat die Digitalisierung und die Automatisierung der Arbeitswelt massiv beschleunigt. Damit ändern sich die Anforderungen an die Qualifikation von Beschäftigten. Wir sind schon mittendrin im Wandel– werden Sie jetzt aktiv, um Kollegen vor dem Arbeitsplatzverlust zu schützen. Denn als Betriebsrat sind Sie bei betrieblicher Bildung stark, meint der Arbeitsrechtsexperte Knut-Olav Banke. Und wie heißt es so schön? „Zähne putzen, bevor sie ausfallen!“

Knut-Olav Banke

Knut-Olav Banke

Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht

Stand:  28.9.2021
Lesezeit:  03:30 min
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Weiterbildungen ist ein Grundsatz der Arbeitsplatzerhaltung | © AdobeStock_Monkey Business

Wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus? Fakt ist: Aufgrund der digitalen Transformation werden sich viele heutige Jobs in Zukunft ändern. Beispiel Niedersachsen: Bei jedem dritten Arbeitsplatz in Niedersachsen und Bremen könnten Computer mehr als 70 Prozent der Tätigkeiten übernehmen. Das hat eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ergeben. Was tun? Abwarten hilft nicht. Aktiv werden, lautet die Devise!

Es lohnt sich, alle gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Mitbestimmung bei Bildung

Hier sind Sie als Betriebsrat gefragt. Als Betriebsrat haben Sie bei der betrieblichen Bildung starke Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte – die oft nicht oder zu spät genutzt werden. Oft liegt der Fokus bei Veränderungsprozesses nicht auf der Qualifikation, sondern auf dem finanziellen Ausgleich bei Arbeitsplatzverlust. Es lohnt sich, hier neu zu denken und alle gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Qualifizierungschancengesetz

Seit dem 1. Januar 2019 unterstützt der Staat durch das Gesetz zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung, kurz Qualifizierungschancengesetz. Danach erhalten Beschäftigte grundsätzlich Zugang zur Weiterbildungsförderung auch unabhängig von Qualifikation, Lebensalter und Betriebsgröße, wenn sie als Folge des digitalen Strukturwandels Weiterbildungsbedarf haben oder in sonstiger Weise von Strukturwandel betroffen sind. Die Kosten hierfür werden abhängig von der Betriebsgröße zwischen 15 % und 100% von der Agentur für Arbeit übernommen.

Organisationsänderungen in den Betrieben erfolgen nicht nur in großem Stil.

Schleichende Veränderungen: die Salamitaktik

Organisationsänderungen in den Betrieben erfolgen nicht nur in großem Stil, sondern vielfach sind es kleine, für den Betriebsrat kaum erkennbare schleichende Prozesse, die zu einem Qualifikationsverlust der Mitarbeitenden führen.

Oft stellen diese Veränderungen keine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG dar, so dass formal keine Einflussnahme oder Gestaltungsmöglichkeit über einen Interessenausgleich und Sozialplan möglich ist.

Teilweise ist die schleichende Durchführung („Salamitaktik“) eine bewusste Entscheidung, um die Einflussmöglichkeiten des Betriebsrats zu schwächen. Genau hiergegen eröffnen die Beteiligungsrechte bei Bildung Gegenmittel.

Betriebsrätestärkungsgesetz

Auch der Gesetzgeber hat erkannt, dass Bildung DAS Zukunftsthema ist. Der Arbeitgeber ermittelt auf Verlangen des Betriebsrats den Berufsbildungsbedarf und berät mit dem Betriebsrat Fragen der Berufsbildung der betrieblichen Arbeitnehmer. Hierzu kann der Betriebsrat Vorschläge machen. Zur Stärkung dieses Beratungsrechts können Betriebsräte seit diesem Sommer mit dem „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ im Hinblick auf die Qualifizierung jetzt die Einigungsstelle anrufen, wenn eine Einigung über Berufsbildungsmaßnahmen nicht möglich ist. Die Einigungsstelle soll eine Einigung der Parteien versuchen.

Mit der Neuregelung des § 96 Abs. 1a BetrVG wurde zwar leider kein echtes Mitbestimmungsrecht geschaffen; die Einigungsstelle darf nur eine Empfehlung aber keine Entscheidung treffen. Trotzdem bietet auch dieses Verfahren Möglichkeiten einer stärkeren Einflussnahme beim Thema Bildung. Die Kosten einer sonst bevorstehenden Einigungsstelle könnten die Waagschale zugunsten des Betriebsrats verändern.

Der Betriebsrat hat ein Initiativrecht zur Durchsetzung von Bildungsmaßnahmen.

Bildung erzwingen

Eine generelle Verpflichtung des Arbeitgebers, seine Mitarbeitenden zu schulen, besteht nicht. Der Arbeitnehmer hat unter den Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 BetrVG lediglich einen individuellen Erörterungsanspruch bei Veränderungen. Teilweise kann eine Kündigung unwirksam sein, wenn zumutbare Weiterbildungsmaßnahmen nicht ausgeschöpft wurden. Zudem kann der Betriebsrat einer Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG widersprechen, wenn Schulungsmöglichkeiten bestehen. Aber all diese Instrumente stehen meist am Ende eines Prozesses, oft ist die Maßnahme dann nicht mehr umkehrbar.

Der Betriebsrat sollte deswegen versuchen, frühzeitig auf die Nutzung von Bildungsmaßnahmen hinzuwirken. Das Betriebsverfassungsgesetz hat genau für solche kleineren Maßnahmen, die keine Betriebsänderung darstellen, ein sehr schlagkräftiges Instrument geschaffen: den § 97 Abs. 2 BetrVG. Leider ist diese Vorschrift kaum bekannt und führt deshalb völlig zu Unrecht ein Schattendasein im betrieblichen Alltag.

Danach hat der Betriebsrat ein Initiativrecht zur Durchsetzung von Bildungsmaßnahmen, wenn der Arbeitgeber eine Maßnahme (auch Einzelmaßnahme) geplant oder durchgeführt hat und deswegen der Mitarbeitende ein Qualifikationsverlust (nicht notwendig Arbeitsplatzverlust) erleidet. Sind die Voraussetzungen erfüllt und die Betriebsparteien erzielen keine Einigung, kann die Einigungsstelle angerufen werden. Diese entscheidet verbindlich.

Bei Nutzung dieses Mitbestimmungsrechts ist es dem Betriebsrat möglich, die Beschäftigung von Mitarbeitern durch gezielte Bildungsmaßnahmen zu schützen. Die Kosten für die Bildungsmaßnahmen müssen lediglich zumutbar sein. Bei der Feststellung der Zumutbarkeit hat eine Interessenabwägung stattzufinden, vergleichbar mit der bei der Ermittlung von Sozialplankosten. Vereinfacht ausgedrückt: wirtschaftliche Vertretbarkeit im Verhältnis zur Existenz des Mitarbeiters. Danach kann eine Bildungsmaßnahme bei Bildungsfähigkeit auch mehrere tausend Euro kosten.

Hierdurch soll ein transparenter Auswahlprozess und eine gerechte Verteilung der betrieblichen Bildungschancen geschaffen werden.

Vorschlagsrecht bei Bildungsmaßnahmen

Eine weitere Vorschrift, die leider ebenfalls im betrieblichen Alltag kaum genutzt wird, aber auch gute Möglichkeiten bietet, um Qualifizierung der Mitarbeitenden zu fördern, ist § 98 Abs. 3 BetrVG. Damit hat der Betriebsrat ein Vorschlagsrecht bei der Auswahl von Teilnehmenden für Bildungsmaßnahmen. Hierdurch soll ein transparenter Auswahlprozess und eine gerechte Verteilung der betrieblichen Bildungschancen geschaffen werden, unter Umständen anhand vereinbarter Kriterien. Dies dient der Chancengleichheit aller betrieblichen Beschäftigten. Auch hier entscheidet im Streitfall am Ende die Einigungsstelle verbindlich.

Flankiert werden die dargestellten Rechte zusätzlich durch die allgemeine Mitbestimmung nach § 98 Abs. 1 BetrVG bei betrieblicher Bildung.

Fazit

Der Betriebsrat ist bei betrieblicher Bildung stark. Bei Bildung eröffnet das Betriebsverfassungsgesetz auch bei kleineren Änderungen gute Möglichkeiten der Einflussnahme bis hin zur Erzwingbarkeit von Bildungsmaßnahmen für einzelne Mitarbeitende.

Ziel der Betriebsratsarbeit muss es sein, die Risiken frühzeitig zu erkennen, um noch rechtzeitig umsteuern zu können – getreu dem Motto: „Zähne putzen, bevor sie ausfallen!“

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