News Personelle Angelegenheiten Kennen Sie als SBV Ihre Rechte bei der Stellenbesetzung?

Kennen Sie als SBV Ihre Rechte bei der Stellenbesetzung?

Häufige Fragen der Schwerbehindertenvertretung in Bewerbungsverfahren

Obwohl die Schwerbehindertenvertretung mit umfangreichen Rechten im Bewerbungsverfahren ausgestattet ist, gibt es in der Praxis leider immer wieder Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber. So wird die Einsicht in die Bewerbungsunterlagen verweigert oder es werden Bewerbungsgespräche mit nicht behinderten Bewerbern vorgezogen. Was tun? Darüber sprachen wir mit dem langjährigen ifb-Referenten Stephan Rittweger, Vorsitzender Richter am Bayerischen Landessozialgericht.

Stand:  21.10.2025
Lesezeit:  03:45 min
Stellenbesetzung | © AdobeStock | Kiattisak

Herr Rittweger, das Bundesarbeitsgericht sagt: Wenn der Arbeitgeber ernsthaft an die Besetzung einer Stelle denkt, ist die SBV zu beteiligen. Warum so früh? 

Stephan Rittweger: Entscheidend für die Besetzung einer Stelle ist doch: Passen die Anforderungen am Arbeitsplatz mit den Fähigkeiten des Bewerbers zusammen? Überlegt man nicht gleich am Anfang, welche Anforderungen realistisch sind und hält man an unzutreffenden Vorstellungen fest, wird das weitere Verfahren nicht offen für Menschen mit Handicap sein. 

Arbeitgeber verweigern der SBV oftmals die Einsicht in alle Bewerbungsunterlagen, also von behinderten und nicht behinderten Bewerbern. Mit welchen Argumenten können Vertrauenspersonen diese einfordern?

Stephan Rittweger: Ohne Einsicht in die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber weiß die SBV nicht genug von der Konkurrenz-Situation und kann nicht vergleichen. Also muss sie mit Eingang auch nur einer Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen die Unterlagen aller Bewerber bekommen. Ein Vorsortieren ist nicht gesetzeskonform und kann ein Indiz für eine Diskriminierung sein. Zu beachten ist aber: Es besteht nur ein Einsichtsrecht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen. Was ist damit gemeint? Das BAG sagt: nur was für die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers maßgeblich ist und was die Schwerbehindertenvertretung zur sachgerechten Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben für erforderlich halten darf. Sind z. B. frühere Zeugnisse oder auch Arbeitsproben dem Arbeitgeber egal, weil er die Stelle irgendwie besetzen muss, dann sind diese Dinge für den Arbeitgeber nicht entscheidungsrelevant, somit auch nicht für die SBV. Gegenbeispiel: Die SBV erhält von der letzten Beurteilung nur das zusammenfassende Gesamturteil, während der Arbeitgeber sich auf Arbeitsqualität und -quantität, Einsatz von Fachwissen, Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit, Teamfähigkeit oder Kundenorientierung beruft.

Werden die Regelungen in § 164 SGB IX nicht beachtet, ist das ein Indiz für die Diskriminierung behinderter Menschen.

Was passiert, wenn der Arbeitgeber Bewerbungsgespräche mit nicht behinderten Bewerbern vorzieht, obwohl die Bewerbungsfrist noch nicht abgelaufen ist und sich binnen der Frist noch ein geeigneter schwerbehinderter Mensch bewirbt?

Stephan Rittweger: Das BAG betont immer wieder: Werden die Regelungen in § 164 SGB IX nicht beachtet, ist das ein Indiz für die Diskriminierung behinderter Menschen. Bisher hat die Rechtsprechung diesen Grundsatz bei Entschädigungsklagen wegen Diskriminierungen angewandt. Schauen wir aber mal in den Pflichtenkanon der SBV und auch des Betriebsrats: Beide sind verpflichtet, Diskriminierungen behinderter Menschen aufzugreifen und zu verhindern. Im konkreten Fall heißt das, SBV und auch Betriebsrat müssen den Arbeitgeber bewegen, die Gespräche erneut zu führen, sobald sich binnen offener Bewerbungsfristen noch ein schwerbehinderter Mensch bewirbt.

Was kann die SBV tun, wenn ihre Rechte im Bewerbungsverfahren missachtet werden? 

Stephan Rittweger: Dafür stellt unser SBV-Assistent die gesamte Bandbreite der Handlungsoptionen zur Verfügung. Ich nenne hier nur die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens und die Möglichkeit, darauf hinzuwirken, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung nach § 99 BetrVG wegen Gesetzesverstoßes verweigert. Aus meiner Sicht ist dabei wichtig, dass alle Schritte dokumentiert sind. Dafür stellt der Assistent die entsprechenden Schreiben zur Verfügung. Zu finden ist er übrigens über die Webseite des ifb im persönlichen Kundenportal meinifb.

Tipp: Der virtuelle SBV-Assistent – jede SBV sollte ihn kennen und nutzen!  
Alle Seminarteilnehmer des ifb, unabhängig von der besuchten ifb-Veranstaltung, können sich bei meinifb einloggen. Hier finden Sie unter der Rubrik Wissen/SBV den Assistenten zum Bewerbungsverfahren.

Wenn es unterschiedliche Auffassungen zwischen Arbeitgeber und SBV über die Eignung eines Bewerbers gibt: Ist der Arbeitgeber an die konkrete Stellenausschreibung und das sich daraus ergebene Anforderungsprofil während eines Bewerbungsprozesses gebunden oder kann er hiervon abweichen und so die Argumente der SBV ins Leere laufen lassen? 

Stephan Rittweger: Das ist ein häufig anzufindendes Vorgehen. Das BAG hat sich aber eindeutig positioniert und das als rechtswidrig beurteilt.

Stephan Rittweger

Stephan Rittweger ist Vorsitzender Richter am Bayerischen Landessozialgericht. Für das ifb referiert er bereits seit 1995. 

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