Gerade für Schwerbehindertenvertretungen ist es wichtig, einige Informationen zur Erwerbsminderungsrente parat zu haben. Gut informiert können wir betroffenen Kollegen zur Seite stehen und erste Hilfestellung zur rechtlichen Einordnung geben. Hier die ersten Antworten auf die drängendsten Fragen aus dem Kollegenkreis.
Was sind die Voraussetzungen für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente?
Was bedeutet Erwerbsminderung?
Nach § 43 Abs. 1 SGB VI sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert,
- wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung
- auf nicht absehbare Zeit außerstande sind,
- unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
- mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Was heißt das genau?
„Wegen Krankheit“: Als Krankheit gilt jeder körperliche, geistige oder seelische Zustand, der die Erwerbsfähigkeit negativ beeinflussen kann. Dabei ist es egal, woher die Krankheit ihren Ursprung hat.
- „Wegen Behinderung“: Ein Zustand, der aufgrund einer körperlichen, geistigen, seelischen oder Sinnen- Beeinträchtigung, abweichend von einem Menschen im vergleichbaren Alter, die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft über einen Zeitraum von länger als sechs Monaten oder dauerhaft unmöglich macht. Eine klare Abgrenzung zur Krankheit ist oft nicht möglich.
- „Auf nicht absehbare Zeit“: Gemeint ist ein Zeitraum über sechs Monate, in dem die Erwerbsminderung dauerhaft bestanden hat.
- „Außer Stande ist, erwerbstätig zu sein“: Wenn man seinen Lebensunterhalt nicht mehr selbst verdienen kann.
- „Außer Stande, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein“: Für die teilweise Erwerbsminderungsrente kann ich über drei, aber unter sechs Stunden pro Tag arbeiten. Die Beurteilung gilt explizit pro Tag, eine Kumulierung pro Woche ist nicht zulässig
- „Unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes“: Die Beurteilung hängt von den tatsächlichen Bedingungen am aktuellen Arbeitsmarkt ab. Im Rentenrecht versteht man unter dem „allgemeinen Arbeitsmarkt“ jede nur erdenkbare Tätigkeit, egal ob gelernt, angelernt, ungelernt, Voll- oder Teilzeittätigkeit. Die Frage ist also: „Gibt es gerade irgendeine Arbeit, die mit dem Restleistungsvermögen erledigt werden kann?“
Sie fragen sich jetzt vielleicht: „Aber gab es nicht den sog. „Berufsschutz“, also, dass ich nach meinem aktuell ausgeübten Beruf beurteilt werde?“ Ja, den gab es tatsächlich. Er gilt aber nur noch für Personen, die vor 02.01.1961 geboren sind. Für alle, die nach diesem Stichtag geboren sind, gelten die Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Und wann bekommt man die volle Erwerbsminderungsrente?
Wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, und: Man kann nur noch bis zu drei Stunden pro Tag arbeiten
oder
wenn man eigentlich teilerwerbsgemindert ist, aber keine geeignete Teilzeitanstellung bekommt und deshalb arbeitslos wird.
Wie genau muss ich es mit der täglichen Arbeitszeit nehmen? Gibt es Ausnahmen, zum Beispiel für Seminarbesuche?
Auch ein Seminarbesuch ist Arbeit und auch hier gilt die tägliche Arbeitszeitgrenze. Eine Überschreitung gefährdet den Rentenanspruch. Bei einer einmaligen Ausnahme könnte es aber auch toleriert werden. Mein Tipp hier: Frühzeitig Kontakt zur DRV aufnehmen und die Teilnahme im Vorfeld abklären. So entgeht man einer bösen Überraschung im Nachgang.
Bekomme ich die (teilweise) Erwerbsminderungsrente in jedem Alter?
Die Erwerbsminderungsrente erhält man so lange, bis die Regelaltersgrenze (aktuell 67 Jahre) erreicht wird.
Und wenn ich all das erfülle, dann bekomme ich aber die Erwerbsminderungsrente, oder?
Dann gibt es leider noch eine Hürde, und zwar die sog. „Versicherungsrechtlichen Voraussetzungen“:
- Man muss mindestens fünf Jahre Rentenversicherungszeit (allgemeine Wartezeit) vor Eintritt der Erwerbsminderung auf dem Rentenkonto haben
- UND man muss in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge an die Rentenversicherung bezahlt haben.
Aber dann bekomme ich die Erwerbsminderungsrente auf Antrag?
Eigentlich Ja – aber in den meisten Fällen gilt: Reha vor Rente. Es wird durch die DRV geprüft, ob man seinen Lebensunterhalt nicht doch selbst bestreiten kann.
Mögliche Maßnahmen:
- Medizinische Reha
- Das heißt, man versucht durch einen meist stationären Aufenthalt in einer Rehaklinik den Gesundheitszustand doch noch einmal zu verbessern.
- Berufliche Reha (Maßnahmen am Arbeitsplatz, Neuorientierung)
Ein Beispiel wäre eine Anpassung des Arbeitsplatzes durch ergonomische Erleichterungen, aber auch eine Umschulung wäre denkbar.
Beurteilung der Arbeitsfähigkeit
Oft geschieht das am Ende der Reha durch die Ärztin oder den Arzt der Klinik. Im Entlassungsbrief steht dann zum Beispiel „Die Patientin/ der Patient ist pro Tag zwischen drei und maximal sechs Stunden erwerbsfähig“. Was genau der Einstufung bei einer teilweisen Erwerbsminderungsrente entsprechen würde.
Wenn alle Punkte erfüllt sind, kann die Erwerbsminderungsrente mit dem Antrag R0100 „Antrag auf Versichertenrente“ beantragt werden!
Die Bearbeitung und das gesamte Verfahren, bis die Erwerbsminderungsrente wirklich gezahlt wird, sind leider langwierig; davon sollte man sich aber nicht entmutigen lassen.
Wichtig!
Der Antrag auf Bezug einer Erwerbsminderungsrente ist losgelöst von einer GdB – Einstufung und einer möglichen Schwerbehinderung.
Wie Sie sehen können, gibt es gerade bei den Erwerbsminderungsrenten viele Stolpersteine. Mit kollegialer Unterstützung können Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen eine Stütze sein und es tut gut, wenn man jemand an seiner Seite hat, auf den man zählen kann!