Fakt ist: Viele Hersteller sehen „Made in Germany“ als attraktive Kennzeichnung des eigenen Produkts an – und das zu Recht. Trotzdem stehen derzeit einige Firmen, die als klassische Träger des Gütesiegels gelten, vor enormen Herausforderungen. Bosch etwa hat als Zulieferer angesichts der Automobilkrise große Sorgen (hier weiterlesen), auch der Lichtkonzern Osram steht unter gewaltigem Druck. Und wegen der sinkenden Nachfrage nach seinen Produkten hat der Haushaltsgerätehersteller Miele angekündigt, Stellen streichen und verlagern zu wollen. Allein am Hauptstandort in Gütersloh wackeln demnach 700 Jobs – die Montage der Waschmaschinen wird fast komplett nach Ksawerów in Polen verlegt.
Einst ein Siegel zur Warnung vor Produkten aus Deutschland
Steht das Label „Made in Germany“ also unmittelbar vor der Bedeutungslosigkeit? Kurioserweise wurde das Siegel Ende des 19. Jahrhunderts in Großbritannien eingeführt, um vor Billigplagiaten aus Deutschland zu warnen – es ging allen voran um Messer. Der Plan ging nicht auf, die deutschen Produkte holten auf und „Made in Germany“ war plötzlich ein Hinweis für gute Qualität – und ist es bis heute. Das beweist unter anderem der National Brands Index (NBI). Die Studie misst seit 2008 jährlich die Wahrnehmung und das Markenimage von Ländern auf der ganzen Welt. Nachdem Deutschland das Ranking sechs Jahre lang anführte, hat Japan 2023 den Spitzenplatz von der Bundesrepublik übernommen. Aber auch ein zweiter Platz passt irgendwie nicht so ganz zum Abgesang auf „Made in Germany“, der vielerorts angestimmt wird.
Ein freiwilliges deutsches KI-Gütesiegel?
Wie bei so vielem, bedarf es vielleicht auch bei „Made in Germany“ eines Umdenkens. Womöglich sind es in Zukunft ganz andere Bereiche, die man mit dem Label verbinden wird. So gibt es beispielsweise ein gemeinsames Projekt der Deutschen Akademie der Technikerwissenschaften (acatech) und des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV): die „Mission KI“. Im Zuge dessen soll unter Berücksichtigung des europäischen Gesetzes über Künstliche Intelligenz (AI Act) ein freiwilliges KI-Gütesiegel kommen, das deutsche KI auf dem internationalen Markt auszeichnet. Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, sagt dazu: „ … ‚AI made in Germany‘ kann ein internationaler Wettbewerbsvorteil werden, wenn wir es unseren heimischen KI-Unternehmen erleichtern, hochwertige, sichere und leistungsstarke KI-Anwendungen auf den Markt zu bringen.“
‚AI made in Germany‘ kann ein internationaler Wettbewerbsvorteil werden.
Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr
Positives aus der Robotik
Gleichzeitig gibt es positive Nachrichten aus der Robotik. So hat beispielsweise das Start-up Neura Robotics angekündigt, die komplette Produktion noch in diesem Jahr an den Standort Metzingen bei Stuttgart verlagern zu wollen – bisher wurde ein Großteil der Roboter in China produziert. Das Start-up hatte für Aufsehen gesorgt, da es den ersten marktreifen kognitiven Cobot entwickelt hat: Einen Roboter, der hört, tastet und KI nutzt, um die Steuerung durch den Bediener zu vereinfachen, was besonders für die Industrie entscheidende Vorteile bringt. David Regner, Gründer von Neura Robotics, erklärt: „Die Verlagerung der Produktion nach Deutschland ist ein Meilenstein auf dem Weg von Neura Robotics zum ‚Next German Hero‘.“ Außerdem ist Regner überzeugt, dass internationale Innovationsführerschaft und regionale Verbundenheit sich nicht ausschließen. Er verweist auf die Automobilhersteller, die das jahrzehntelang gelehrt haben. „Die kognitive Robotik wird in Zukunft eine vergleichbare Bedeutung haben. ‚Made in Germany‘ ist weltweit nach wie vor ein Gütesiegel für Qualität und Exzellenz, besonders in Bereichen, in denen Spitzen-Hardware gefragt ist. Mit dieser strategischen Entscheidung wollen wir demonstrieren, dass Deutschland der optimale Standort für kognitive Robotik ist.“
Pessimismus vs. Optimismus
Neura Robotics ist nur ein Beispiel aus der Branche. Dazu passt, dass auch Deutschlands digitale Wirtschaft entgegen dem allgemeinen Trend auf Wachstumskurs ist. Der Digitalverband Bitkom erwartet für die Unternehmen der IT und Telekommunikation (ITK) für 2024 ein Umsatzplus von 4,4 Prozent auf 224,3 Milliarden Euro.
Für überbordenden Pessimismus gibt es also keinen Grund, „Made in Germany“ hat jedenfalls noch nicht ausgedient. Zwar stehen einige (nicht alle!) Traditionsunternehmen vor Herausforderungen, doch haben die meisten diese erkannt und versuchen, gegenzusteuern. Zugleich tut sich derzeit die Chance auf, parallel ein völlig neues Verständnis für die Qualität deutscher Produkte zu erschaffen: eine Art „innovative Made in Germany“. Und das lässt doch optimistisch in die Zukunft blicken. (tis)