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Vereinbaren Arbeitgeber und Betriebsrat anläßlich einer Betriebsänderung einen Interessenausgleich und bezeichnen darin die zu Kündigenden namentlich, ändert sich die beweisrechtliche Lage zu Gunsten des Arbeitgebers und es greift nach § 1 Abs. 5 KSchG die gesetzliche Vermutung ein, dass die Kündigungen durch betriebliche Erfordernisse bedingt sind. Die Sozialauswahl kann in diesen Fällen nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
BAG, Urteil vom 19.06.2007 - 2 AZR 304/06
Im Kündigungsschutzprozess muss regelmäßig der Arbeitgeber die Tatsachen beweisen, die die Kündigung bedingen, § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG. Anders kann es bei Betriebsänderungen sein: Vereinbaren in einem solchen Fall Arbeitgeber und Betriebsrat einen sog. Interessenausgleich und bezeichnen darin die zu Kündigenden namentlich, ändert sich die beweisrechtliche Lage zu Gunsten des Arbeitgebers und es greift nach § 1 Abs. 5 KSchG die gesetzliche Vermutung dafür ein, dass die Kündigungen durch betriebliche Erfordernisse bedingt sind. Die Sozialauswahl kann in diesen Fällen nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Diese im Gesetz vorgesehene Regelung gilt nach dem Urteil des BAG vom 19.6.2007 – 2 AZR 304/06 – auch für betriebsbedingte Änderungskündigungen.
Die beklagte Arbeitgeberin hat der in einem Bahnhof in Sachsen beschäftigten Klägerin im Rahmen einer Betriebsänderung (Umstrukturierung mit erheblichem Personalabbau) Ende 2004 fristgemäß gekündigt und eine Weiterbeschäftigung in Dortmund angeboten. In einem Interessenausgleich mit Namensliste war auch die Klägerin benannt. Die Klägerin hatte die Beschäftigung in Dortmund abgelehnt, das Vorliegen betrieblicher Gründe bestritten und den angebotenen Ortswechsel für unzumutbar gehalten.
Die Klage blieb - wie schon in den Vorinstanzen - auch beim BAG erfolglos. Die Klägerin konnte die gesetzliche Vermutung der Betriebsbedingtheit nicht widerlegen. Einen anderen freien Arbeitsplatz als den ihr angebotenen hat sie nicht benannt. Die Sozialauswahl war nicht grob fehlerhaft.
Das BAG hat vergleichbare Gruppenbildungen wiederholt als unbedenklich angesehen. Ob das AGG Altersgruppenbildung und Berücksichtigung des Lebensalters in der Sozialauswahl schlechthin verbietet, erscheint zweifelhaft, kann aber unbeschadet der Frage, ob § 2 IV AGG die Geltung des Gesetzes für Kündigungen überhaupt ausschließt, dahinstehen, da das AGG zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht galt. Die verlängerte Umsetzungsfrist für die hier einschlägige Richtlinie 2000/ 78/EG des Rates war bei Ausspruch der Kündigung noch nicht abgelaufen. Die Voraussetzungen einer Vorlage nach Art. 234 EGV sind nicht gegeben. Ein etwa - inhaltlich mit dem Verbot der Altersdiskriminierung in der Richtlinie 2000/78/EG des Rates übereinstimmender - allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts steht nach der Rechtsprechung des EuGH Regelungen, die an das Lebensalter anknüpfen, nicht im Wege, so lange sie durch legitime Ziele gerechtfertigt sind.
Auch im Ergebnis zeigt die Anwendung der Punktetabelle und der Altersgruppenbildung keine grob fehlerhafte Sozialauswahl. Die Berücksichtigung des Lebensalters - neben den übrigen Auswahlkriterien - im Punkteschema führt mit einer hinnehmbaren Unschärfe zur Einbeziehung individueller Arbeitsmarktchancen, ohne dass das Alter allein und damit gewissermaßen „abstrakt“ die Auswahl beeinflussen würde. Dass die Arbeitsmarktchancen auf diese Weise nicht rein individuell berücksichtigt werden, ist letztlich unvermeidbar: Jede mögliche Aussage über Chancen muss sich naturgemäß an Wahrscheinlichkeiten orientieren, die ihrerseits nicht ohne Berücksichtigung von Erfahrungswerten beurteilt werden können. Wenn also ein Erfahrungswert dahin besteht, dass mit steigendem Lebensalter die Vermittlungschance generell zu sinken pflegt, so könnte dieser Umstand auch bei strikt individueller Bewertung von Arbeitsmarktchancen nicht außer Betracht bleiben. Daneben wirkt die durch die Gruppenbildung erstrebte Erhaltung der Altersstruktur nicht nur einer Überalterung der Belegschaft entgegen, sondern relativiert auch die etwa überschießenden Tendenzen der Bewertung des Lebensalters als Sozialdatum und wirkt einer übermäßigen Belastung jüngerer Beschäftigter entgegen. Insoweit ist die Beurteilung, es handele sich um legitime, vernünftige und dem gerechten Interessenausgleich dienende Ziele, jedenfalls nicht grob fehlerhaft.