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Arbeitgeberhaftung bei Unfällen auf Betriebswegen

Organisiert der Arbeitgeber die Fahrt von oder zur Arbeitsstelle mit einem betriebseigenen Fahrzeug, haftet er für Schäden eines Arbeitnehmers nur, wenn er ihn vorsätzlich schädigt. (Leitsatz des Bearbeiters)

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2004 – 8 AZR 349/03

Stand:  7.2.2011
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Der Fall

In dem Prozess geht es um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche eines Messebauers gegen seinen Arbeitgeber aus einem Verkehrsunfall. Der Arbeitgeber hatte den Rücktransport von einer Baustelle mit einem Firmenwagen organisiert. Auf der Rückfahrt überschlug sich das Fahrzeug. Die Sicherheitsgurte waren defekt. Dadurch erlitt der Arbeitnehmer schwerste, dauerhafte Verletzungen.

Die Entscheidung

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber weder Schadensersatz noch Schmerzensgeld verlangen, da alle Ansprüche gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen sind. Nach dieser Vorschrift sind Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern zum Ersatz von Personenschäden nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben.
Grundsätzlich gilt der Haftungsausschluss des § 104 SGB VII nicht für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstelle. Allerdings hat hier der Arbeitgeber den Transport selber organisiert, sodass nach Ansicht des Gerichts ein Betriebsweg vorliegt, für den die Haftung des Arbeitgebers ausgeschlossen ist.
Der Haftungsausschluss gemäß § 104 SGB VII entfiele jedoch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorsätzlich geschädigt hätte. Ein solcher Vorsatz setzt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts Vorsatz wegen des Unfalls und wegen der Unfallfolgen (schwere Verletzung) voraus. Es reicht nicht aus, wenn der Arbeitgeber wissentlich und willentlich, also vorsätzlich, Arbeitssicherheitsvorschriften verletzt. In dem zu entscheidenden Fall wusste der Arbeitgeber von dem defekten Sicherheitsgurt. Daraus lässt sich nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts weder Vorsatz wegen des Unfalls noch wegen der schweren Unfallfolgen ableiten.

Bedeutung für die Praxis

Die §§ 104 ff. SGB VII schließen die Haftung für Personenschäden aus, wenn der Arbeitgeber einen Schaden verursacht oder ein Kollege einen anderen Arbeitnehmer schädigt. Der Verursacher haftet für Personenschäden einschließlich Schmerzensgeld nur, wenn er den Schaden vorsätzlich verursacht oder es sich um einen Wegeunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 – 4 SGB VII (Weg von der Wohnung zur Arbeit und zurück) handelt. Im Gegenzug erhält der Verletzte Ausgleich für die Personenschäden durch die gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft). Allerdings übernimmt diese kein Schmerzensgeld. Nur in diesem Punkt steht sich der Geschädigte schlechter als bei einer vollen Haftung des Verursachers. Andererseits hat er den Vorteil, dass er nicht auf die Zahlungsfähigkeit seines Arbeitgebers oder Arbeitskollegen angewiesen ist. Daneben ist Grund für diese Regelung das so genannte Friedensargument: Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern sowie zwischen den Arbeitnehmern untereinander soll nicht durch zahlreiche Haftpflichtprozesse belastet werden.
Mit seinem Urteil vom 19.08.2004 setzt das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zum Vorsatz fort (vgl. BAG vom 10.10.2002 – 8 AZR 103/02). Es widerspricht in dieser Frage dem Landesarbeitsgericht Köln, das keine so hohen Anforderungen an den Vorsatz stellt (vgl. LAG Köln vom 30.10.2000 – 8 Sa 496/00).
Das Bundesarbeitsgericht definiert den Vorsatz in diesem Zusammenhang sehr einschränkend. Selbst wenn der Arbeitgeber Sicherheitsvorschriften bewusst missachtet oder um Risiken weiß, haftet er nicht für Personenschäden (einschließlich Schmerzensgeld). Lediglich für Sachschäden hat er einzustehen. Schon aus diesem Grund sollte der Betriebsrat genau auf die Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften achten. Darüber hinaus sollte der Betriebsrat alle Arbeitnehmer auffordern, jeden Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften den Vorgesetzten zu melden. Reagiert der Arbeitgeber darauf nicht, muss der Betriebsrat tätig werden.
Weiter stellt das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung klar: Organisiert der Arbeitgeber die Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstelle und zurück, haftet er grundsätzlich nicht für Personenschäden. Dies gilt auch, wenn der Rücktransport von der auswärtigen Arbeitsstelle zur Zentrale erfolgt und von dort ein privater Weitertransport zur Wohnung des Arbeitnehmers vorgesehen ist. Kommt es zum Unfall, handelt es sich um ein Arbeitsunfall, für den eine Haftung des Arbeitgebers für Personenschäden ausgeschlossen ist. Das Bundesarbeitsgericht bestätigt damit das eigene Urteil vom 30.10.2003 – 8 AZR 548/02. Damit sind Transporte von oder zur Arbeitsstelle für den Arbeitgeber kein unüberschaubares Risiko. Er muss nicht mit einer Haftung, insbesondere nicht auf Schmerzensgeld rechnen. Bei Verhandlung über die Einführung solcher Transporte kann dem Arbeitgeber diese Sorge genommen werden.
Die Arbeitnehmer müssen, dies bringt diese Gerichtsentscheidung unmissverständlich zum Ausdruck, bei derartigen Transporten besonders auf die Sicherheit und die Einhaltung der entsprechenden Sicherheitsvorschriften achten.

Dr. Klaus Michael Alenfelder, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Bonn

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