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Wahlberechtigung von Matrix-Führungskräften – Begriff der Eingliederung

Das LAG Baden-Württemberg war im Rahmen einer Wahlanfechtung mit der Frage beschäftigt, in welchem Betrieb eine Matrix-Führungskraft bei einer Betriebsratswahl mitwählen darf.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.06.2024, 3 TaBV 1/24

Stand:  14.1.2025
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Das ist passiert

Betriebsrat und Arbeitgeberin streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl im Juli 2022. Bei der Arbeitgeberin sind rund 2.600 wahlberechtigte Arbeitnehmer in insgesamt fünf Betrieben beschäftigt. 

In der finalen Wählerliste einer der fünf Betriebe („Betrieb Region S“) waren neben 498 Arbeitnehmern auch 128 Führungskräfte aufgeführt, die auch Arbeitnehmer des Betriebs S. führen, aber ansonsten einem anderen Betrieb der Arbeitgeberin angehören. Sie nehmen in den Betrieben unterschiedliche Aufgaben wahr und leiten Arbeitnehmer in unterschiedlichen Bereichen. Sie nehmen in den Betrieben unterschiedliche Aufgaben wahr und leiten Arbeitnehmer in unterschiedlichen Bereichen. Sie haben keine eigenständige Kompetenz zur Einstellung, Entlassung, Abmahnung, Gewährung von Gehaltserhöhungen oder Anordnung neuer Aufgabenzuweisungen der von ihnen geführten Mitarbeiter. In den Arbeitsverträgen der Führungskräfte ist regelmäßig ein Standort vereinbart, dem die Führungskraft zugeordnet ist. Sie können teilweise im Home-Office arbeiten, können aber auch im Büro arbeiten. Die Arbeitgeberin bietet in allen Standorten Büroräumlichkeiten an. 

Nach Verkündung des Wahlergebnisses hat die Arbeitgeberin die Wahl angefochten, da sie der Ansicht ist, die Wahl sei unter Verstoß gegen § 7 Satz 1 BetrVG erfolgt und somit unwirksam. Sie ist der Ansicht, dass die Führungskräfte auf der Wählerliste tatsächlich nicht dem Betrieb Region S angehören, da die Eingliederung in den Betrieb Region S fehle.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, die Führungskräfte seien wahlberechtigt, da es sich bei der Eingliederung um einen „Realakt“ handle. Dieser sei deckungsgleich mit dem Einstellungsbegriff des § 99 BetrVG. Eine Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG liege nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 ABR 5/18) vor, wenn eine Person in den Betrieb eingegliedert wird, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Nach dem BAG liege eine Eingliederung in den Betrieb auch vor, wenn ein Arbeitnehmer, der seinen Dienstsitz in einem bestimmten Betrieb hat und dort regelmäßig tätig ist, zum Vorgesetzten von unternehmensangehörigen Arbeitnehmern eines anderen Betriebs bestellt und durch die Wahrnehmung dieser Führungsaufgaben (auch) der arbeitstechnische Zweck dieses anderen Betriebs verwirklicht wird. Zumal dem BetrVG Mehrfachwahlberechtigungen nicht fremd seien – Beispiel Leiharbeitnehmer: Diese sind, einen Einsatz von mehr als drei Monaten vorausgesetzt, sowohl im Verleiher- als auch im Entleiherbetrieb wahlberechtigt.

Das entschied das Gericht

Das LAG teilt die Rechtsauffassung, welche bereits die Vorinstanz (Arbeitsgerichts Stuttgart) hatte. Nur die 498 Arbeitnehmer waren gem. § 7 Satz 1 BetrVG zur Teilnahme an der Wahl des Betriebsrats am 23. Juni 2022 berechtigt, nicht aber die 128 anderen Betrieben zugeordneten Führungskräfte. Die Teilnahme dieser nicht wahlberechtigten Arbeitnehmer an der Betriebsratswahl stellt einen wesentlichen Verstoß gegen eine Vorschrift über das Wahlrecht dar. Die Wahlanfechtung der Arbeitgeberin ist somit begründet.

Das LAG Baden-Württemberg ist der Auffassung, dass die Rechtsprechung des BAG zu § 99 BetrVG nicht auf § 7 BetrVG übertragbar ist. Dies ergibt sich aus seiner Sicht maßgeblich aus dem Sinn und Zweck der Normen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einstellung gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG diene den Interessen der schon im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Der Betriebsrat solle die Möglichkeit haben, deren Belange geltend zu machen. Diese Interessen können auch bei der Zuweisung von Vorgesetztenfunktionen an bislang betriebsfremde Arbeitnehmer berührt sein.

Durch § 7 BetrVG sollen die Arbeitnehmer, deren Interessen der Betriebsrat durch die Aus-übung seiner Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte wahrnimmt, die Zusammensetzung ihres Vertretungsorgans bestimmen können.

Bedeutung für die Praxis

Matrix-Strukturen werfen oft auch betriebsverfassungsrechtliche Fragen auf.

Interessant ist, dass das LAG Baden-Württemberg hier insbesondere in der Frage der Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu § 99 BetrVG auf § 7 BetrVG von den Rechtsauffassung der Landesarbeitsgerichte der Nachbarländer Bayern (LAG München, 11 TaBV 86/23) und Hessen (LAG Hessen, 16 TaBV 98/23) abweicht.

Spannend bleibt daher, wie das BAG in dem eingeleiteten Beschwerdeverfahren (7 ABR 28/24) zu diesem Fall entscheiden wird. Bislang hatte es die hier entscheidungserhebliche Frage, ob der im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG entwickelte Eingliederungsbegriff auf § 7 Satz 1 BetrVG übertragbar ist, ausdrücklich offengelassen.

Auch die Beschwerdeverfahren zu den LAG-Entscheidungen aus München und Hessen sind noch nicht entschieden. Rechtsbeschwerde unter dem eingelegt, Entscheidung steht noch aus. (lg)

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