Liebe Nutzer,
für ein optimales und schnelleres Benutzererlebnis wird als Alternative zum von Ihnen verwendeten Internet Explorer der Browser Microsoft Edge empfohlen. Microsoft stellt den Support für den Internet Explorer aus Sicherheitsgründen zum 15. Juni 2022 ein. Für weitere Informationen können Sie sich auf der Seite von -> Microsoft informieren.
Liebe Grüße,
Ihr ifb-Team
Gleich um zwei Dauerbrenner geht es in dieser Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg. Zum einen: Die Schwerbehindertenvertretung hat keinen Anspruch darauf, dass ihr für die SBV-Arbeit ein eigener Raum zur Verfügung gestellt wird. Auch der Umstand, dass dies in der Vergangenheit anders gehandhabt wurde, führt zu keiner anderen Bewertung.
Außerdem entschied das Gericht zur Doppelfunktion „Personalrat und Vertrauensperson“. Dies löst keinen Vertretungsfall der SBV bei der Teilnahme an Personalratssitzungen aus. Eine Interessenskollision ist nicht erkennbar.
Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 17.01.2024, 7 TaBV 8/23
In der vorherigen Amtsperiode war der freigestellten Vertrauensperson einer Behörde ein eigener Raum für ihre SBV- Arbeit zur Verfügung gestellt worden. Nach der Neuwahl beanspruchte die Dienststelle diese Räumlichkeiten wieder für sich. Sie begründete dies damit, dass eine neu einzurichtende Fachabteilung Raumbedarf angemeldet habe. Die neu gewählte (und nicht mehr freigestellte) Schwerbehindertenvertretung hatte ein Zwei- Personen-Büro zur ihrer alleinigen, ausschließlichen Nutzung im räumlichen Bereich ihrer Fachabteilung. Hier sollte sie zukünftig sowohl ihre fachliche als auch ihre SBV-Arbeit erledigen.
Die Vertrauensperson zweifelte die Geeignetheit des Raums an (u.a. wegen fehlender akustischer Abschirmung und mangelnder funktionsgerechter Einrichtung) und wertete den Entzug des bisherigen SBV- Büros als rechtsmissbräuchlich. Dadurch sah sie sich in ihrer SBV- Arbeit behindert.
Zugleich war die Vertrauensperson auch in Personalunion als Personalrat tätig und hatte argumentiert, „die Funktion als Personalratsmitglied schließe die gleichzeitige Teilnahme in der Funktion als Vertrauensperson in der gleichen Personalratssitzung aus. Bei den Aufgaben der Vertrauensperson der Schwerbehinderten und den Aufgaben des Personalrates handele es sich um grundsätzlich unterschiedliche Organaufgaben, weshalb der Gesetzgeber bewusst zwischen den Aufgaben der Personalvertretung und der Schwerbehindertenvertretung differenziert habe.“
Vor diesem Hintergrund könne sie nicht beide Aufgaben im Sinne eines Doppelmandates wahrnehmen, sodass sie die erste SBV-Vertreterin für die Teilnahme an den Sitzungen des Personalrates hinzuziehen könne. Es liege in ihrer Person eine dauerhafte Verhinderung aus rechtlichen Gründen für alle Personalratssitzungen in ihrer Amtszeit als Vertrauensperson vor.
Sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht konnte die Vertrauenspersonen mit ihrer Argumentation nicht durchdringen.
§ 179 Abs. 9 SGB IX räumt der Schwerbehindertenvertretung keinen Rechtsanspruch auf Überlassung eines eigenen Raums ein. „Wenn schon kein Anspruch auf Überlassung eines eigenen Raumes besteht, ergibt sich erst recht kein Anspruch auf Überlassung eines ganz bestimmten Raumes,“ so die Richter. Das Gericht stellte zudem klar, dass an dieser Sichtweise auch die Tatsache nichts ändere, dass in der Vergangenheit die Vertrauensperson einen eigenen Raum zugewiesen bekommen hatte: „Das folgt schon daraus, dass dem Arbeitgeber freies Ermessen eingeräumt ist, ob er der Schwerbehindertenvertretung überhaupt eigene Räume zur Verfügung stellt oder sie auf die Nutzung der Räume des Betriebsrats verweist. Das Gesetz enthält keine Beschränkung des Ermessens auf die erstmalige Entscheidung des Arbeitgebers in dieser Raumfrage (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26. April 2017, 6 TaBV 47/16).
Die Richter werteten das Herausgabeverlangen des bisherigen SBV-Büros auch nicht als rechtsmissbräuchlich und konnten keine Behinderung der SBV-Arbeit erkennen: Die Dienststelle hatte diese Maßnahme damit begründet, dass eine neu gegründete Fachabteilung diesen Raum nutzen sollte. Sie hatte zudem berücksichtigt, dass die nun nicht mehr freigestellte Vertrauensperson weiterhin Aufgaben in der Abteilung Prüfdienst zu übernehmen habe und in ihrem Büro diese und ihre SBV-Tätigkeiten ungestört erledigen könne.
Keine Interessenskollision: In der Doppelfunktion „SBV und Personalrat“ konnte das Gericht keine Interessenskollision erkennen: Ein „Doppelmandat“ sei von Gesetzes wegen nicht ausgeschlossen (BAG, Urteil vom 22. August 2013, 8 AZR 574/12). Lediglich bei der Frage des passiven Wahlrechts seien diejenigen Beschäftigten ausgeschlossen, die nicht der betrieblichen Interessenvertretung kraft Gesetzes angehören könnten (§ 177 Abs. 3 Satz 2 SGB IX). Anders als ein Betriebsrat sei die Schwerbehindertenvertretung kein Organ, sondern eine „Ein-Personen-Institution“ (§ 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Dies gelte auch für den Fall der Verhinderung einer SBV. Bereits dieser Umstand „spreche gegen eine Übertragung von Befangenheitsregeln, die für die Mitglieder mehrköpfiger Gremien gelten“ (vgl. BAG, Urteil vom 22. August 2013, 8 AZR 574/12).
Die Richter legten dar, dass von einer „Befangenheit“ der SBV im Rechtssinn nicht gesprochen werden könne: Vertrauenspersonen fördern die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb und stehen beratend zur Seite (§ 178 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). „Entscheidungen“ trifft die Schwerbehindertenvertretung dagegen nicht: Sie hat Unterrichtungs-, Anhörungs- und Einsichtsrechte sowie das Recht, beratend an den Sitzungen des Betriebs- oder Personalrats und derer Ausschüsse teilzunehmen und Beschlüsse zeitweilig auszusetzen (§ 178 Abs. 2 und 4 SGB IX). Somit „kann die Schwerbehindertenvertretung schon deswegen nicht „Richter in eigener Sache“ sein, weil ihr weder eine eigene Entscheidungsbefugnis zukommt noch - anders als bei betrieblicher Interessenvertretung - Mitbestimmungsrechte oder Zustimmungserfordernisse von Gesetzes wegen vorgesehen sind“.
Nach der geltenden Gesetzeslage bestehe daher kein Bedürfnis, Regeln für den Fall einer Selbstbetroffenheit zu schaffen (vgl. BAG, Urteil vom 22. August 2013, 8 AZR 574/12).
Der Beschluss ist rechtskräftig.
Falls Sie als Vertrauensperson kein eigenes Büro für ihre SBV- Arbeit nutzen können, sollten sie klare Regeln mit dem Betriebsrat vereinbaren, wann die gemeinsamen Räumlichkeiten für eigene „SBV-Zwecke“ (Sprechstunde, Recherchearbeit in der Fachliteratur etc.) genutzt werden können.
Zu den Anforderungen an die optische und akustische Abschirmung eines BR-Büros siehe hier: Hessisches LAG, 16 TaBV 151/22.
Zu der Frage des Doppelmandats hatte sich auch das Hessische LAG im Sinne des jetzt vorliegenden Urteils positioniert: Teilnahme der SBV an Betriebsratssitzungen bei Doppelamt. Daneben hatte es das Vorgehen im Fall einer möglichen Interessenskollision erläutert. (gs)