Erläuterung
Rechtsgrundlage
Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein (§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB). Es geht dabei um die Aufrechterhaltung der Rechte der Arbeitnehmer beim Wechsel des Inhabers eines Betriebes. Die Arbeitnehmer eines Betriebes sollen ihr Beschäftigungsverhältnis nicht verlieren, wenn ihr Betrieb von der GmbH 1 an eine GmbH 2 verkauft wird. Zweck der Vorschrift ist es zu verhindern, dass die Arbeitnehmer im Falle eines Inhaberwechsels ihres Betriebs oder Betriebsteils ihre Arbeitsplätze verlieren, obwohl diese beim neuen Inhaber fortbestehen.
Der Inhaberwechsel muss durch ein Rechtsgeschäft, d.h. auf der Basis vertraglicher Beziehungen herbeigeführt werden. Dadurch soll eine Anwendung der Regeln des § 613a BGB auf einen Inhaberwechsel aufgrund erbrechtlicher sogenannter Gesamtrechtsnachfolge ausgeschlossen werden.
Abgesehen von der vorstehenden Einschränkung lässt die am Schutzzweck der Norm orientierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof und dieser folgend das Bundesarbeitsgericht jeden auf Vertrag basierenden Inhaberwechsel genügen. Von § 613a BGB erfasst wird deshalb auch die Verpachtung eines Hotels seitens der GmbH 1 an den Pächter P 1 und nach Beendigung der Pacht die Neuverpachtung des Hotels an den Pächter P 2. Hier kommt es zwischen P 1 und P 2 zu keinem Vertrag. Trotzdem gehen die bei P 1 tätigen Arbeitnehmer auf P 2 als neuen Inhaber des Hotels mit den Folgen des § 613 a BGB über (vgl. dazu die Richtlinie 2001/23/EG und zu dieser Rechtsprechung z.B. BAG v. 21.6.2012 - 8 AZR 181/11 in NZA -RR 2013, 6 Rn.64). Zwischen dem Veräußerer und Erwerber müssen keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestehen. Es bleibt aber beim Erfordernis der Identität der übergehenden Einheit, im Beispiel dem Fortbestand des Hotels. Das wäre bei dessen Umwandlung in ein Pflegeheim nicht der Fall. Hier läge eine nicht von § 613a BGB erfasste Stilllegung mit der Neugründung eines Betriebes vor.
Der Betriebsübergang tritt in dem Zeitpunkt ein, in dem der Erwerber die Ausübung der Leitungsmacht übernimmt. Es kommt nicht auf den Abschluss des Zeitpunktes des schuldrechtlichen Vertrages z.B. Kauf-, Miet- oder Pachtvertrages an. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellen. Unverzichtbare Voraussetzung für den Übergang im Sinne dieser Vorschrift ist außerdem die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit. Es darf nicht zu einer Stilllegung kommen. Ein Betrieb oder Betriebsteil z. B. Küche eines Krankenhauses, geht daher nur dann über, wenn er beim Erwerber als Betrieb oder organisatorisch selbständiger Betriebsteil unter Wahrung der Identität fortgeführt wird. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Bewirtschaftungsbetrieb (Küche) vollständig in die eigene Organisationsstruktur z.B. eines reinen Großküchenbetreibers eingegliedert wird (BAG v. 6.4.2006 - 8 AZR 222/04 in NZA 2006,723). Die Vorschriften des § 613a BGB sind grundsätzlich auch bei Betriebsübergängen in das Ausland, z.B. die Schweiz, anzuwenden (BAG v. 26.5.2011 - 8 AZR 37/10 in NZA 201,1143 siehe dazu mit Blick auf § 111 BetrVG Däubler in NZA 2025, 973).
Kriterien des Betriebsübergangs
Identitätswahrende wirtschaftliche Einheit
Ein Betriebs(teil)übergang setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Die wirtschaftliche Einheit besteht aus einer organisatorischen Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zum Zwecke der auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit „Betrieb“ unter Wahrung der Identität bei einem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falls. Die Identitätswahrung prüfen der EuGH und das BAG übereinstimmend anhand von 7 Kriterien.
Zu den Teilaspekten der Gesamtwürdigung zählen danach
- die Art des betreffenden Betriebs, z.B. Baubetrieb
- der Übergang materieller Betriebsmittel wie beweglicher Güter und Gebäude, z.B. Maschinen, Hallen und Bürogebäude
- der Wert immaterieller Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, z. B. Know-how, Anfertigung von Bewerbungen auf Ausschreibungen
- die Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber,
- der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen,
- der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten z. B. Wohnhausbau
- die Dauer einer Unterbrechung dieser Tätigkeit
vgl. dazu die Darstellung in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 20. Aufl. 2023, § 16 ff mit Beispielen aus der Rechtsprechung in Rn. 26a).
Sonstige Prüfmerkmale
Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (BAG v. 21.6.2012 - 8 AZR 181/11in NZA-RR 2013,6). Es ist zwischen folgenden Tätigkeiten zu unterscheiden:
- Betriebsmittelarme Tätigkeiten: Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, zeichnen sich dadurch aus, dass die Arbeitsleistung im Vordergrund steht (z.B. große Arztpraxis, Sicherheitsdienst). In diesen Fällen ist die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte (EuGH v. 24.6.2021 in NZA 2021, 1543).
- Betriebsmittelgeprägte Tätigkeiten: Betriebsmittelgeprägte Tätigkeiten sind stark durch den Einsatz von materiellen Betriebsmitteln geprägt (z. B. metallverarbeitender Betrieb, Bauunternehmen). Ein Betriebsübergang liegt in diesen Fällen vor, wenn Betriebsmittel übertragen werden, wobei nicht die Übertragung irgendeines Betriebsmittels ausreicht. Erforderlich ist die Übertragung der wesentlichen Betriebsmittels. Betriebsmittel sind wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht (BAG 2.3.2006 - 8 AZR 147/05). Das ist z.B. der Fall, wenn beim Einsatz eines großen Baukrans der Kran und nicht einer der Kranführer prägendes Gewicht hat. Für die Annahme des Betriebsübergangs ist es unerheblich, ob auch Personal übernommen wird.
Betriebsteilübergang
Dem Übergang eines gesamten Betriebs steht hinsichtlich seiner arbeitsrechtlichen Folgen der Übergang eines Betriebsteils gleich. Auch beim Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität wahrt. Daher muss eine Teileinheit des Betriebs bereits beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils gehabt haben. Beim bisherigen Betriebsinhaber musste also eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit vorhanden sein. Mit dieser musste innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt worden sein. Das trifft z.B. auf die Reparaturwerkstatt eines Paketdienstes oder eines Verkehrsbetriebes zu.
Das Merkmal des Teilzwecks dient zur Abgrenzung der organisatorischen Einheit. Im Teilbetrieb müssen keine andersartigen Zwecke als im übrigen Betrieb verfolgt werden. Ergibt die Gesamtbetrachtung eine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit, so muss diese beim Erwerber im Wesentlichen unverändert fortbestehen.
Der übertragene Betriebsteil muss jedoch seine organisatorische Selbständigkeit beim Betriebserwerber nicht vollständig bewahren. Vielmehr genügt es, dass der Betriebs(teil)erwerber die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehält.
Eine Spedition kann z.B. die Reparaturwerkstatt eines anderen Betriebes kaufen. Sie führt diese als identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit fort, wenn sie diese weiterhin als Werkstatt betreibt. Es liegt insoweit ein Betriebsteilübergang vor.
Anders wäre es, wenn sie deren Geräte auf die Werkstätten verschiedener Standorte der Spedition verteilen würde.
Wird nur ein Betriebsteil von dem Erwerber übernommen und der beim Veräußerer verbleibende Teil stillgelegt, ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung eine auf den gesamten Betrieb bezogene Sozialauswahl durchzuführen (§ 1 Abs. 3 S. 1 KSchG). Bei der Sozialauswahl sind daher auch vergleichbare Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die zur Zeit der Kündigung dem später zu übertragenden Betriebsteil angehören (BAG v. 28.10.2004 - 8 AZR 391/03).
Rechtsfolgen für die Arbeitsverhältnisse
Allgemeines
Als Ausgleich für die dem Unternehmer zugebilligte unternehmerische Freiheit zur Veräußerung eines Betriebs(teils), gewährt der Gesetzgeber in § 613a BGB den Arbeitnehmern einen detaillierten Schutz vor den für sie nachteiligen Folgen einer Betriebs(teil)veräußerung.
Dazu sieht § 613a BGB für die Arbeitnehmer vier Schutzmaßnahmen vor:
- in § 613a BGB Abs. 1 BGB einen "Übergangsschutz", wodurch ihre Arbeitsverhältnisse und ihr Betriebsrat dem Betrieb folgen
- in § 613a BGB Abs. 1 BGB einen "Inhaltsschutz", wodurch alle Rechte beim Erwerber fortbestehen
- in § 613a BGB Abs. 2 BGB einen "Haftungsschutz" wonach der bisherige Arbeitgeber neben dem Erwerber für bestimmte Forderungen
der Arbeitnehmer haftet
- in § 613a BGB Abs. 4 BGB einen "Beendigungsschutz", wonach das Arbeitsverhältnis aus Anlass des Betriebs(teil)übergangs nicht beendet werden darf.
Individualrechtliche Folgen
Mit dem Betriebsübergang wird der neue Betriebsinhaber Schuldner aller Verbindlichkeiten aus den Arbeitsverhältnissen der Arbeitnehmer des veräußerten Betriebs (§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB).
Die Arbeitsverhältnisse mit dem bisherigen Arbeitgeber erlöschen. Sie werden vom Betriebserwerber als neuem Arbeitgeber nahtlos und inhaltsgleich fortgeführt. Es kommt lediglich zu einem Austausch des Arbeitgebers.
Es bleiben mithin unverändert
- der gesamte Text des Einzelarbeitsvertrages, ausgenommen die Bezeichnung des - neuen - Arbeitgebers
- alle betrieblichen Übungen und Gesamtzusagen
- alle Bezugnahmen auf Tarifverträge
- alle Bezugnahmen auf Tarifverträge in ihrer jeweiligen (dynamischen) Fassung (BAG v. 30.8.2017 - 4 AZR 95/14 in NZA 2018,255 Rn. 48).
Die Bezugnahme auf Tarifverträge steht der Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer bei der Eingliederung in einen Betrieb des Erwerbers entgegen. Deshalb unterliegen sie nicht der Veränderungssperre nach § 613a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB.
Sie können im Wege einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung zwischen dem Erwerber und jedem einzelnen Arbeitnehmer vorteilhaft oder auch nachteilig angepasst werden. Eine Anpassung der Verträge mit den Mitteln der Änderungskündigung ist wegen des für eine Änderungskündigung geltenden strengen Maßstabes kaum erfolgsversprechend.
Kollektivrechtliche Folgen
Umwandlung von Tarifrecht in Arbeitsvertragsrecht
Sind die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer. Sie dürfen vor Ablauf eines Jahres seit dem Zeitpunkt des Übergangs nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers verändert werden. Diese Veränderungssperre gilt nicht für arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf einen Tarifvertrag (s.o.) (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 20. Aufl. 2023, § 118, Rn. 25).
Das bedeutet, dass bei einem Betriebsübergang der gesamte Bestand der Normen aus anwendbaren Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, die die Rechte und Pflichten zwischen dem tarifgebundenen bisherigen Inhaber und dem tarifgebundenen Arbeitnehmer geregelt haben, in Einzelarbeitsrecht zwischen dem Betriebserwerber und dem Arbeitnehmer transformiert werden. Dabei behalten sie ihren kollektivrechtlichen Charakter. Der Betriebserwerber übernimmt den Betrieb/Betriebsteil somit nicht nur in individualrechtlicher, sondern auch kollektivrechtlicher Hinsicht so, wie er zum Zeitpunkt des Übergangs besteht. Die zwischen Betriebserwerber und dem Arbeitnehmer transformierten Normen entfalten dieselbe Wirkung wie sie bei einem Austritt des Veräußerers aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband hinsichtlich des zur Zeit des Austritts geltenden Verbandstarifvertrags (§ 2 Abs. 3 TVG) eintreten würde (sogenannte Nachbindung). Dabei entspricht das Ende der Sperrfrist dem Ende des nachbindenden Tarifvertrags (BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 100/08). Ist der Tarifvertrag zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits gekündigt aber noch nachwirkend, hält die Bindung für den Betriebserwerber an, bis für die betroffenen Arbeitsverhältnisse ein neuer Tarifvertrag gilt oder eine andere Abmachung (Betriebsvereinbarung oder Einzelvereinbarung mit den Arbeitnehmern) abgeschlossen wird (EuGH v. 11.9.2014 - C-328/13).
Fortgeltung von Tarifverträgen
Einer Umwandlung der bisher für ein Arbeitsverhältnis geltenden Tarifverträge in Arbeitsvertragsrecht bedarf es nicht, wenn im neuen Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber ebenfalls Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Der Schutz der Arbeitnehmer vor nachteiligen Folgen der Betriebsänderung auf ihre Arbeitsverträge ist dann weiterhin auf tariflicher Ebene gewährleistet.
Diese Situation tritt ein, wenn beim Erwerber und den übernommenen Arbeitnehmern beiderseits Tarifgebundenheit an dieselben Tarifverträge besteht. Der Betriebserwerber kann z.B. selbst kraft Mitgliedschaft in dem tarifschließenden Arbeitgeberverband (kollektivrechtlich) an einen Tarifvertrag, z.B. der Metallindustrie gebunden sein. Ebenso können die Arbeitnehmer des auf diesen Arbeitgeber überwechselnden Betriebes kraft Mitgliedschaft in der entsprechenden Gewerkschaft z. B. der IG Metall, tarifgebunden sein. Es handelt sich dann um einen Fall fortgeltender beiderseitiger Tarifgebundenheit. Diese Situation wird in § 613a Abs. 1 S. 3 BGB geregelt.
Das bedeutet, dass die bisherigen, beim Betriebsveräußerer geltenden kollektivrechtlichen Normen als die beim neuen Inhaber geltenden Rechtsnormen fortgelten.
Dasselbe gilt, wenn ein anderer Tarifvertrag beim Erwerber eingreift, z.B., weil die in ver.di organsierten Arbeitnehmer nach § 613a BGB zu einem an diese Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber wechseln. Es bedarf auch hier zum Schutz der Arbeitnehmer keiner Umwandlung der bisherigen im Tarifvertrag gewährten Rechte in Arbeitsvertragsrecht.
Tarifvertragliche Normen wirken auch dann weiter, wenn im Wirkungsbereich des Betriebs ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde (§ 5 TVG). Auf die Verbandsmitgliedschaft des übernehmenden Arbeitgebers kommt es in diesem Fall nicht an. Es ist allein ausschlaggebend, ob der Betrieb dem Geltungsbereich des Tarifvertrags unterliegt. Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag, an den Arbeitnehmer und Erwerber nach einem Betriebsübergang gebunden sind, löst einen lediglich vom Veräußerer vereinbarten Haustarifvertrag ab, an den der Arbeitnehmer gleichfalls gebunden war (§ 613a Abs. 1 Satz 3 BGB). Die Rechtsnormen des Haustarifvertrages werden in diesem Fall nicht Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen Erwerber und Arbeitnehmer (BAG v. 7.7.2010 - 4 AZR 1023/08).
Das Günstigkeitsprinzip findet im Verhältnis zwischen dem abzulösenden und dem beim Erwerber normativ geltenden neuen Tarifrecht keine Anwendung.
Entsprechendes gilt für Betriebsvereinbarungen (BAG v. 11.5.2005 – 4 AZR 315/04).
Vergütungsordnung
Der neue Betriebsinhaber ist zur Fortführung einer im Betrieb/Betriebsteil bestehenden Vergütungsordnung verpflichtet. Beruhte die Anwendung einer betrieblichen Vergütungsordnung auf der Tarifbindung des Veräußerers, ist für deren dynamische Fortgeltung grundsätzlich die Tarifbindung des Erwerbers erforderlich. Endet die normative Geltung des Tarifvertrags mit dem Übergang des Betriebs auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber, ist dieser betriebsverfassungsrechtlich nur gehalten, das bei dem Veräußerer geltende tarifliche Entgeltschema mit dem im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Inhalt fortzuführen (BAG v. 8.12.2009 - 1 ABR 66/08).
Veränderungssperre
Für die übergehenden Regeln gilt gemäß § 613a BGB eine Veränderungssperre von einem Jahr ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs.
Vor Ablauf einer Veränderungssperre von einem Jahr können die Rechte und Pflichten gemäß § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB geändert werden, wenn
- der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder
- der neue Betriebsinhaber und die übernommenen Arbeitnehmer die Anwendung eines anderen Tarifvertrags, der für sie nicht schon auf Grund beiderseitiger Tarifgebundenheit gilt, individualvertraglich vereinbaren (§ 613a Abs. 1 S. 4 BGB).
Diese Regelung ermöglicht es dem neuen Arbeitgeber, einen Tarifvertrag, der schon zwischen ihm und den vorhandenen Arbeitnehmern angewendet wird, auch für die übernommenen Arbeitnehmer zu vereinbaren. Dadurch soll die Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer desselben Betriebes erleichtert werden.
Vertraglich mögliche Ausnahmen von der Veränderungssperre
Vor der Veräußerung sind vertragliche Absprachen mit den Arbeitsvertrag verschlechterndem Inhalt zwischen dem Veräußerer und den überwechselnden Arbeitnehmern gemäß § 134 BGB unwirksam.
Nach der Veräußerung sind für die Arbeitnehmer
- nachteilige vertragliche Abänderungen der in Arbeitsvertragsrecht umgewandelten tarifvertraglichen Regelungen für die Dauer eines
Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs nicht möglich (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB)
- nachteilige vertragliche Abänderungen der in Arbeitsvertragsrecht umgewandelten Betriebsvereinbarungen für die Dauer eines
Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs nicht zulässig (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB)
- nachteilige und vorteilhafte Abänderungen der durch Bezugnahmeklauseln weiterhin im Arbeitsvertragsrecht angesiedelten
tariflichen Regelungen jederzeit möglich (Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Umwandlung von
Unternehmen, 6. Aufl., 2021, E Rn.216). Das leuchtet ein. Denn § 613a BGB will die Arbeitnehmer nur vor den Folgen eines von
ihnen nicht zu beeinflussenden Betriebsüberganges schützen. Nach dem Übergang können sie sich nach den Regeln der
Vertragsfreiheit durch ein bloßes "Nein" zu einem Änderungsangebot selbst helfen.
Besonderheiten der Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Betriebsvereinbarungen
Eine Umwandlung der Betriebsvereinbarungen findet nicht statt, wenn
- der Betrieb mit Betriebsrat übergeht und bei dem Erwerber unverändert fortbesteht
- der Betrieb in einen größeren Betrieb mit Betriebsrat eingegliedert wird (§ 21a Abs. 3 BetrVG) und
die Betriebsvereinbarungen dort als Betriebsvereinbarungen fortgelten
- der Betrieb in einen größeren Betrieb mit Betriebsrat eingegliedert wird und die bisherigen Betriebsvereinbarungen
durch dort geltende Betriebsvereinbarungen verdrängt werden (vgl. BAG v. 22.10.2019 - 3 AZR 429/18 nicht veröffentlicht in NZA)
betr. die Verdrängung durch eine GBV).
Haftung
Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber als Gesamtschuldner für Verpflichtungen (§ 613a Absatz 1 BGB), soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht. Dies gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt (§ 613a Abs. 2 u. 3 BGB).
Unterrichtung der Arbeitnehmer
Inhalt
Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang schriftlich (Textform) zu unterrichten über (§ 613a Abs. 5 BGB):
- den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang: Damit ist in erster Linie die Angabe des Rechtsgrundes für den Betriebsübergang wie Kaufvertrag, Pachtvertrag, Umwandlung etc. gemeint. Den betroffenen Arbeitnehmern müssen jene unternehmerischen Gründe für den Betriebsübergang zumindest schlagwortartig mitgeteilt werden, die sich beim Betriebserwerber im Falle eines Widerspruchs beim Betriebsveräußerer auf den Arbeitsplatz auswirken können.
- die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer: Zu den rechtlichen Folgen gehören zunächst die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang als solchem ergebenden Rechtsfolgen. Dies erfordert einen Hinweis auf den Eintritt des Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Zu den bei dem Übernehmer geltenden Rechten und Pflichten gehört grundsätzlich weiter die Anwendbarkeit tariflicher Normen und die Frage, inwieweit beim Veräußerer geltende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durch die beim Erwerber geltenden Tarifverträge abgelöst werden. Dabei ist aber keine detaillierte Bezeichnung einzelner Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen nötig, da sich der Arbeitnehmer nach Erhalt der in Textform zu erteilenden Informationen selbst näher erkundigen kann. Notwendig ist aber ein Hinweis darauf, ob die Normen kollektivrechtlich oder individualrechtlich fortwirken (BAG v. 13.7. 2006 - 8AZR 305/05).
- die in § 613a Abs. 2 BGB geregelte Haftungsverteilung zwischen altem und neuem Betriebsinhaber gehört ebenfalls zu einer ordnungsgemäßen Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs (§ 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB, BAG v. 21.8.2008 - 8 AZR 407/07).
- die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen (§ 613a Abs. 5 BGB).
Außerdem muss bei der Unterrichtung über die Identität des Betriebserwerbers so informiert werden, dass die unterrichteten Arbeitnehmer in die Lage versetzt sind, über ihren möglichen neuen Arbeitgeber Erkundigungen einzuholen. Dazu gehört zumindest die Firma sowie die Angabe des Firmensitzes und einer Geschäftsadresse. Der Inhalt der Unterrichtung richtet sich nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung.
Insgesamt muss die Unterrichtung zutreffend, vollständig und präzise sein (Hohenstatt/Grau in NZA 2007,13). Nur dann kann sie dem Arbeitnehmer eine Entscheidung zum Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber oder einen Widerspruch dagegen ermöglichen.
(Zu den Einzelheiten: ErfK, 25, Aufl. 2025, § 613a BGB Rn. 85 bis 86a).
Zweck
Die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer sollen durch die Unterrichtung eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung ihres Widerspruchsrechts erhalten. Ihnen soll auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und gegebenenfalls beraten zu lassen und dann auf dieser Grundlage über einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu entscheiden Der Arbeitgeber muss nicht für einzelne Arbeitnehmergruppen (tarifgebundene Arbeitnehmer/nichttarifgebundene Arbeitnehmer) verschiedene Unterrichtungsschreiben fertigen. Er kann vielmehr mit einem einzigen Unterrichtungsschreiben alle Gruppen unterrichten. Der betroffene Arbeitnehmer kann die Angaben durch selbständige Prüfung der Sachverhalte auf ihre Rechtmäßigkeit und gegebenenfalls auch durch weitere Erkundigungen für sein persönliches Arbeitsverhältnis umzusetzen. Im Übrigen kann vom Arbeitgeber keine umfassende Rechtsberatung im Einzelfalle verlangt werden. (BAG v. 10.11.2011 - 8 AZR 430/10).
Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer
Frist
Betroffene Arbeitnehmer können dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung schriftlich, das heißt ,mit Originalunterschrift, widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden (§ 613a Abs. 6 BGB). Weder durch eine unterbliebene noch durch eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung wird diese Frist ausgelöst. Nur eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Unterrichtung über einen beabsichtigten Betriebsübergang setzt die einmonatige Frist für den Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber in Lauf (BAG v. 10.11.2011 - 8 AZR 277/10). Ein sachlicher Grund ist für die Ausübung des Widerspruchs nicht erforderlich. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden (§ 613a Abs. 6 BGB). Das Widerspruchsrecht kann wegen Verwirkung ausgeschlossen sein, wenn der Arbeitnehmer die nicht ordnungsgemäße Unterrichtung über einen längeren Zeitraum (z. B. 6 ½ Jahre lang) nicht beanstandet hat. Nach einer so langen Zeitspanne muss der Betriebserwerber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) darauf vertrauen, dass kein Widerspruch mehr erklärt wird (BAG v. 15.3.2012 - 8 AZR 700/10).
Rechtsfolgen des Widerspruchs
Widerspricht der Arbeitnehmer, geht das Arbeitsverhältnis nicht auf den neuen Betriebsinhaber über. Bei der Einlegung des Widerspruchs ist zu bedenken, dass bei einer Verschmelzung oder Spaltung in Form der Aufspaltung das alte Unternehmen erlischt. Das hat zur Folge, dass es keinen Arbeitgeber mehr gibt. Eine betriebsbedingte Kündigung ist dann unvermeidbar. Im Übrigen ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt (§ 613a Abs. 4 BGB). Wird bei der Unterrichtung über einen Betriebsübergang durch Verschweigen bestimmter Umstände ein falscher und für die Abgabe des Widerspruchs bedeutsamer Eindruck erweckt, kann dies zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) berechtigen (BAG v. 15.12.2011 - 8 AZR 220/11).
Der Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses ist eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Widerspruch kann daher nicht einseitig nach Zugang beim Erklärungsadressaten widerrufen oder mit einem Vorbehalt versehen werden.
Der Widerspruch blockiert den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber. Seine Folge kann nur durch Einigung zwischen dem Arbeitnehmer, dem bisherigen Arbeitgeber und dem Betriebsnachfolger wieder beseitigt werden (BAG v. 30.10.2003 - 8 AZR 491/02). Erst mit Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung kommt es - nachträglich -zum Übergang des betreffenden Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber des Betriebes. Einzelheiten dazu sollten in der Vereinbarung festgehalten werden.
Unwirksame Widersprüche
Widerspricht der Arbeitnehmer dem Übergang innerhalb der Monatsfrist nur mündlich oder per Telefax, ist der Widerspruch unwirksam. Er kann nach Ablauf der Widerspruchsfrist nicht nachgeholt werden. Denkbar ist jedoch, dass der Arbeitnehmer sich auf eine fehlende ordnungsgemäße Unterrichtung beruft. Dann wäre die Widerspruchsfrist noch nicht angelaufen und damegemäß auch nicht abgelaufen.
Genügt die Unterrichtung zunächst formal den gesetzlichen Anforderungen, insbesondere denen des § 613a Abs. 5 BGB, und ist sie nicht offensichtlich fehlerhaft, so ist es Sache des Arbeitnehmers, der sich auf die Unzulänglichkeit der Unterrichtung beruft, einen behaupteten Mangel näher darzulegen. Hierzu ist er im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast verpflichtet (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Erfüllung der Unterrichtungspflicht geht dann auf den Verfasser der Unterrichtung über. Das kann der bisherige Arbeitgeber und/oder der neue Arbeitgeber sein. Der Betreffende hat dann die Einwände des Arbeitnehmers zu entkräften (BAG v. 10.11.2011 - 8 AZR 430/10).
Wiedereinstellungsansprüche
Ein entlassener Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Wiedereinstellung, wenn innerhalb der Kündigungsfrist aufgrund des nunmehr erfolgenden Betriebsübergangs (§ 613a BGB) die Gründe der betriebsbedingten Kündigung entfallen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn sich vor Ablauf der Kündigungsfrist herausstellt, dass entgegen der ursprünglichen Planung ein Betrieb oder Betriebsteil nicht stillgelegt, sondern von einem neuen Betriebsinhaber übernommen werden soll (BAG v. 25.10.2007 - 8 AZR 989/06).
Entsteht die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, kommt nur ausnahmsweise ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht. Das kann aber dann der Fall sein, wenn z.B. eine Betriebsübernahme zwar erst am Tage nach Ablauf der Kündigungsfrist stattgefunden hat, die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit jedoch schon während des Laufs der Kündigungsfrist entstanden ist. Als Ausgleich für das Recht des Arbeitgebers zur Kündigung aufgrund einer Prognose, schuldet dieser die Wiedereinstellungsanspruch als Gegenleistung für eine fehlerhafte Prognose ( dazu BAG v. 25.9.2008 - 8 AZR 607/07).
Ein Wiedereinstellungsanspruch kann grundsätzlich nur Arbeitnehmern zustehen, die Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) genießen. Somit kann sich für einen in einem Kleinbetrieb gekündigten Arbeitnehmer bei Weiterführung des Betriebs durch einen neuen Unternehmer nur ausnahmsweise auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Wiedereinstellungsanspruch ergeben (BAG v. 19.10.2017 - 8 AZR 845/15).
Voraussetzung für einen Betriebsteilübergang ist das Bestehen einer organisatorisch abgrenzbaren wirtschaftlichen Einheit beim Veräußerer, die vom Erwerber übernommen wird(BAG v. 13.10.2011 - 8 AZR 455/10).