Die Vorstellung scheint vertraut: In einem Unternehmen mit 20, vielleicht 40 Mitarbeitern kennt man sich. Man grüßt sich morgens mit Vornamen, die Geschäftsführung sitzt zwei Türen weiter und vieles wird im Gespräch auf dem Flur oder in der Kaffeeküche geregelt. In solchen Strukturen herrscht häufig die Meinung vor, dass ein Betriebsrat nicht zwangsläufig nötig sei. Denn: Was bringt ein hochoffizielles Gremium, wenn ohnehin alle miteinander vertrauensvoll kommunizieren?
Ein Betriebsrat ist schließlich nicht nur ein Konfliktlösungsinstrument, sondern ermöglicht strukturelle Mitbestimmung.
Doch diese Sichtweise ist zu kurz gegriffen. Ein Betriebsrat ist schließlich nicht nur ein Konfliktlösungsinstrument, sondern ermöglicht strukturelle Mitbestimmung. Er sorgt dafür, dass die Interessen der Belegschaft verlässlich, unabhängig und – vor allem – gesetzlich abgesichert vertreten werden. Und zwar nicht nur dann, wenn der Draht zur Chefetage gerade gut ist. Insbesondere in kleineren Unternehmen kann der Betriebsrat also eine Stabilität bieten, die ohne ihn nicht möglich wäre.
Gesetzlicher Rahmen, praktische Realität
Rechtlich betrachtet ist die Sache klar geregelt. Bereits ab fünf ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern kann ein Betriebsrat gewählt werden – vorausgesetzt, mindestens drei davon sind wählbar. So steht es in § 1 Betriebsverfassungsgesetz. Die Unternehmensform spielt dabei keine Rolle. Egal, ob traditionsreicher Familienbetrieb, Agentur oder Start-up; überall, wo diese Voraussetzung erfüllt ist, steht es der Belegschaft frei, eine Interessenvertretung zu gründen.
Fakt ist allerdings: Je kleiner die Betriebe in Deutschland sind, desto weniger verfügen über einen Betriebsrat. Laut IAB-Betriebspanel (2024) haben nur zwei Prozent der Betriebe mit fünf bis neun Beschäftigten einen Betriebs- oder Personalrat. In Unternehmen mit zehn bis 20 Beschäftigen sind es sieben Prozent, bei 51 bis 100 Beschäftigten bereits 32 Prozent und bei Firmen mit mehr als 201 Beschäftigten 84 Prozent. Die Gründe hierfür dürften vielfältig sein: Mangelndes Know-how, weil es noch nie eine Interessenvertretung gab, Scheu vor Konflikten oder das Gefühl, dass es schlicht nicht notwendig sei. In manchen Fällen mag das sogar zutreffen.
Betriebsrat als Vertrauenspartner
Stellt also jemand, der einen Betriebsrat einrichtet, automatisch die Vertrauenskultur in Frage? Ganz und gar nicht: Betriebsräte können vielmehr helfen, diese zu stärken. Denn sie schaffen einen klaren Rahmen für Beteiligung, geben Beschäftigten eine Stimme und ermöglichen es, Themen wie Arbeitszeiten, Urlaub, Überstunden, Arbeitssicherheit oder betriebliche Veränderungen rechtssicher zu besprechen. Und auch für Arbeitgeber kann ein Betriebsrat klare Vorteile mit sich bringen. Anstatt ständig Einzelgespräche zu führen, können Anliegen der Belegschaft gebündelt und strukturiert verhandelt werden. Das spart Zeit und sorgt für klare Verhältnisse, was nicht zu unterschätzen ist, gerade wenn das Unternehmen wächst oder sich verändert.
Es mag kleine Firmen geben, in denen ein Betriebsrat zunächst nicht nötig erscheint. Man versteht sich, löst Probleme pragmatisch und lebt eine Kultur des Miteinander. Doch wie stabil sind diese Verhältnisse, wenn es einmal kriselt? Was passiert, wenn Personal in Führungspositionen ausgetauscht wird, wenn es wirtschaftlich nicht läuft oder wenn sich einzelne Arbeitnehmer benachteiligt fühlen? Schließlich geht es bei nahezu keinem Unternehmen immer nur bergauf – der Betriebsrat kann in solchen Fällen eine wichtige Schutzfunktion übernehmen.
Wer über einen Betriebsrat nachdenkt, sollte sich einige Fragen stellen
Betriebsrat oder nicht – Beschäftigte sollten in jedem Fall genau hinschauen: Gibt es wiederkehrende Themen, die unklar geregelt sind? Wird Kritik konstruktiv aufgenommen, selbst wenn sie unangenehm ist? Gibt es echte Mitwirkung bei wichtigen Entscheidungen? Gleichzeitig sollten sich Arbeitgeber fragen, ob sie der Belegschaft ausreichend Gehör verschaffen. Der Betriebsrat sorgt dafür, dass Beteiligung nicht vom guten Willen Einzelner abhängt, sondern dauerhaft im Unternehmen verankert ist.
Der Betriebsrat sorgt dafür, dass Beteiligung nicht vom guten Willen Einzelner abhängt, sondern dauerhaft im Unternehmen verankert ist.
Wer sich mit der Frage beschäftigt, ob Betriebsräte in kleinen Unternehmen überhaupt notwendig sind, stellt also schnell fest: Hier geht es um echte Mitbestimmung auf Augenhöhe und die beginnt nicht bei einer bestimmten Betriebsgröße, sondern bei der Haltung, mit der man zusammenarbeitet. Läuft alles gut, scheint ein Betriebsrat vielleicht überflüssig. Aber gerade dann wäre es wohl leichter, ihn zu gründen. Denn: Läuft es mal nicht, ist es immer gut, wenn es bereits einen gibt. (tis)
Sie sind Betriebsrat in einem kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern? Es läuft gut? Oder stehen Sie vor Herausforderungen? Dann melden Sie sich gerne bei uns.