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Die Videokonferenz des Wahlvorstandes

Aufsichtsrat-Wahl

Beschlüsse fassen per Videokonferenz – für viele Wahlvorstände im Wahlverfahren für Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wäre dies eine willkommene Erleichterung ihrer Arbeit. Aber ist die Videokonferenz ohne Weiteres als Kommunikationsmittel überhaupt zugelassen? Die Juristin Sonja Saffer hat für Sie recherchiert.

Sonja Saffer | ifb

Stand:  27.4.2016
Lesezeit:  02:30 min
Die Videokonferenz des Wahlvorstandes | © galaxy67 - Fotolia.com

Darf der Wahlvorstand für die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat seine Beschlüsse per Videokonferenz fassen? Gerade bei Aufsichtsratswahlen kommt es häufig vor, dass die Kollegen aus dem Wahlvorstand an verschiedenen Standorten arbeiten – eine Videokonferenz kann hier eine praktische Hilfe sein. Doch ist die Videokonferenz zu diesem Zweck erlaubt?

1. Was sagt das Gesetz?

Die Vorschriften zur Arbeit des Wahlvorstandes finden sich in der Wahlordnung zum Drittelbeteilungsgesetz (WODrittelbG) und in der 1. bis 3 Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz (1. bis 3. WOMitbestG).

Der Wahlvorstand handelt immer im Rahmen von Beschlüssen, die er mit einfacher Stimmenmehrheit seiner Mitglieder fasst – also nicht nur der anwesenden Mitglieder des Wahlvorstandes. Außerdem bedarf es für die Beschlussfassung Sitzungen, über welche eine Niederschrift aufzunehmen ist. Ein sogenanntes Umlaufverfahren funktioniert bei der Beschlussfassung nach dem Gesetz also nicht. Soweit ergeben sich die Verfahrensvorschriften aus § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 3 1. bis 3. WO MitbestG.

Kann man denn Sitzungen auch per Videokonferenz abhalten? Dazu schweigt das Gesetz leider.

2. Was sagt die Literatur?

In einem Kommentar zum Mitbestimmungsrecht heißt es:

„Der Wahlvorstand kann seine Beschlüsse nur in Sitzungen fassen, … . Allerdings erscheint eine Beschlussfassung mit Hilfe von Kommunikationsmitteln, die eine gemeinsame Beratung auch ohne gleichzeitige Anwesenheit der Mitglieder an einem Ort ermöglichen, also in Video- oder Telefonkonferenzen, ebenfalls zulässig (Kommentar zum Mitbestimmungsrecht, Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, 3 Auflage, Vor § 9, Rn 78).“

Jedoch steht in einem anderen Fachbuch zum Thema Aufsichtsratswahl:

„Ebenso sind Telefon- oder Videokonferenzen nicht geeignet eine wirksame Beschlussfassung herbeizuführen (Handbuch zur Aufsichtsratswahl, Fuchs/Köstler/Pütz, 6.AuflageRn. 276).“

Leider lassen beide Werke eine Begründung für ihre Meinung vermissen.

3. Was sagt der Betriebsratswahl-Experte Michael Brüll?

Michael Brüll, Jurist und BR-Wahl-Experte des ifb sieht die Sachlage eindeutiger: Auch beim Wahlvorstand für die Betriebsratswahl  werden die Beschlüsse nur in Sitzungen gefasst und das Umlaufverfahren ist unzulässig. Außer dem Wahlvorstand an sich dürfen hier sogar nach § 16 Abs. 1 S. 6 BetrVG die von den Gewerkschaften in den Wahlvorstand entsandten „nicht stimmberechtigten“ Mitglieder an den Sitzungen teilnehmen. Eine ausdrückliche Vorschrift zur Nicht-Öffentlichkeit der Sitzungen des Wahlvorstandes fehlt. Dennoch ist sich die Literatur einig, dass bei einer eventuellen „Öffentlichkeit“ nur die Betriebsöffentlichkeit gemeint sein kann. Da bei einer Videokonferenz nicht sichergestellt werden kann, dass beim ein- oder anderen Wahlvorstandsmitglied nicht doch im Hintergrund Betriebsfremde anwesend sind, ist die Videokonferenz hier genauso verboten, wie bei der normalen Betriebsratssitzung (von einigen Spezialausnahmen abgesehen, siehe Fitting §§ 33 Rn. 21b).

4. Was sagt ein Aufsatz aus dem Jahre 2004?

Ein Aufsatz aus der Zeitschrift „Der Betrieb“ aus dem Jahre 2004 (DB, 26.11.2004, Heft 48, Seite 2582 -2584, DB 0076167, Autor: RA Volker Stück) befasst sich ebenfalls mit dem Thema Videokonferenzen im Rahmen der Aufsichtsratswahl. Der Titel dieses Aufsatzes lautet: „Aktuelle Rechtsfragen der Aufsichtsratswahl nach dem MitbestG 1976“.

Unter der Rubrik „Offene Fragen“ geht Herr Rechtsanwalt Stück nun auch auf die uns vorliegende Frage ein. Darüber hinaus erkennt er ebenfalls die besondere Problematik, dass Wahlvorstände bei Aufsichtsratswahlen, insbesondere bei solchen nach der 2. und 3. Wahlordnung, häufig aus weit entfernt liegenden Lokationen stammen und nicht generell eine persönliche Anwesenheit möglich ist. Er kommt zu folgenden Erwägungen:

§ 33 BetrVG spricht ausdrücklich von der Beschlussfassung der „anwesenden“ Mitglieder. Da § 7 Abs. 3 1. bis 3. WO auf das Erfordernis der (persönlichen) Anwesenheit verzichtet und der Gesetzgeber hier bewusst von der Regelung des § 33 BetrVG sowie der hierzu bekannten herrschenden Meinung abgewichen ist, wird man eine Beschlussfassung per Telefon-/Videokonferenz für grundsätzlich zulässig erachten müssen. Dies kommt ebenfalls Sinn und Zweck der Neuregelung, eine Vereinfachung und Kostenreduzierung des Verfahrens zu bewirken, entgegen. Eine Teilnahme an der Information und Kommunikation ist mit der modernen Technik ohne weiteres möglich. Im Gegensatz zur Betriebsverfassung (§§ 32,67 BetrVG) bestehen bei der Aufsichtsratswahl auch keine Teilnahmerechte anderer an den Wahlvorstandssitzungen, deren Einflussnahme unterlaufen werden könnte. Schließlich ist nach § 108 Abs. 4 AktG eine schriftliche, fernmündliche oder andere vergleichbare Form der Beschlussfassung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse vorbehaltlich einer näheren Regelung durch die Satzung oder eine Geschäftsordnung des Aufsichtsrats zulässig, wenn kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht. Was für das zu wählende Organ gilt, wird erst recht für das die Wahl durchführende Organ zu gelten haben.“

Sollten Sie sich in der Zukunft dafür entscheiden, als Wahlvorstand bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat Beschlüsse per Telefon-/Videokonferenz zu fassen, ist es ratsam, den zitierten Artikel für eventuelle Rückfragen zur Hand zu haben. Daneben sollten Sie die Möglichkeit der Beschlussfassung per Telefon-/Videokonferenz in die schriftliche Geschäftsordnung (§ 3 Abs. 1,  § 7 Abs. 2 1. bis 3 WoMitbestG) des Wahlvorstandes aufnehmen und die Unternehmensleitung unter Verweis auf den zitierten Aufsatz von Ihrer Absicht in Kenntnis setzen. So droht von dieser Seite im Nachgang keine Gefahr mehr.

Ein Restrisiko bleibt, denn ein Aufsatz macht noch keine oberste Gerichtsentscheidung. Was kann passieren? Für eine Wahlanfechtung gibt es neben der Unternehmensleitung noch andere Antragsberechtigte. Allerdings müssen für eine plausible Anfechtung wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verletzt worden sein. Zusätzlich muss durch den Verstoß das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst worden sein. Die Wahlanfechtung ist nur innerhalb des kurzen Zeitraums von zwei Wochen ab dem Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses möglich (§ 11 DrittelbG, §§ 21, 22 MitbestG).

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