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Unwirksamer Betriebsratsbeschluss bei fehlender Ladung eines Ersatzmitglieds

Erfährt der Betriebsratsvorsitzende nach der Einladung zur Betriebsratssitzung von der Verhinderung eines Betriebsratsmitgliedes, muss er die Ladung des Ersatzmitgliedes unverzüglich nachholen. Hierzu müssen alle zur Verfügung stehenden und zumutbaren Kommunikationswege ausgeschöpft werden, bei einer kurzfristigen Verhinderung auch per Telefon oder auf elektronischem Weg.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27.11.2023, 9 Sa 27/23

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Redaktion
Stand:  7.5.2024
Lesezeit:  01:30 min
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Das ist passiert

Arbeitnehmer und Arbeitgeber streiten über die Kürzung von Akkordlohn. Die Kürzung wurde in einer Betriebsvereinbarung geregelt, welche vom Betriebsratsvorsitzenden am 04.12.2020 unterzeichnet worden war. Der klagende Arbeitnehmer hält die zugrundeliegende Beschlussfassung des Betriebsrats für unwirksam. An der Beschlussfassung am 04.12.2020 hatten lediglich 9 von 13 Mitgliedern des Betriebsrats teilgenommen. Vorsorglich fasste der Betriebsrat in einer späteren Sitzung (25.07.2023) den Beschluss, die Betriebsvereinbarung zu genehmigen. An dieser Sitzung nahmen 10 von 13 Betriebsratsmitgliedern teil. Für zwei verhinderte Betriebsratsmitglieder lud der Betriebsratsvorsitzende Ersatzmitglieder. Am Vormittag der Sitzung meldete sich ein weiteres Betriebsratsmitglied krank. Für die für 14 Uhr anberaumte Sitzung lud der Vorsitzende kein weiteres Ersatzmitglied ein.  

Der Arbeitnehmer verlangt vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg den vollen Akkordlohn. Das Arbeitsgericht hatte in der ersten Instanz seine Klage abgewiesen.

So entschied das Gericht

Die Berufung des Klägers hatte vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts ist der Beschluss über die Betriebsvereinbarung vom 04.12.2020 sowie der Bestätigungsbeschluss vom 25.07.2023 unwirksam, die Betriebsvereinbarung daher schwebend unwirksam. 

Für die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung gehöre auch, dass der Betriebsratsbeschluss unter Beachtung der maßgeblichen Vorschriften getroffen wurde (§§ 29 Abs. 2, 33 BetrVG). Geladen war ein einziges Ersatzmitglied. Der Betriebsrat habe nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Ladung von weiteren Ersatzmitgliedern unterblieben sei. Auf eine Anscheinsvollmacht könne er sich beim Handeln des Betriebsratsvorsitzenden nicht berufen. Es würde die Sorgfalt der anwesenden Betriebsratsmitglieder überspannen, wenn von ihnen gefordert würde, dass sie die Rechtmäßigkeit der Einladung der Betriebsratsmitglieder durch den Vorsitzenden in der Betriebsratssitzung kontrollierten.  

Auch die nachträgliche Genehmigung durch Beschluss sei unwirksam. In diesem Fall hätte der Betriebsratsvorsitzende nach der kurzfristigen Krankmeldung ein weiteres Ersatzmitglied laden müssen. Da noch mindestens zwei Stunden zwischen der Krankmeldung und der Sitzung gelegen hätten, hätte der Betriebsratsvorsitzende auch per Telefon oder auf elektronischem Weg ein Ersatzmitglied laden müssen. 

Das Verfahren geht nun weiter, es ist vor dem Bundesarbeitsgericht anhängig (1 AZR 35/24).

Bedeutung für die Praxis

Wer musste hier darlegen und beweisen, dass die Betriebsvereinbarung wirksam war? Der Arbeitgeber! Denn dieser hat die Wirksamkeit von Betriebsratsbeschlüssen darzulegen und auch zu beweisen, falls er sich auf eine Betriebsvereinbarung und darin enthaltene Regelungen im Verhältnis zu Arbeitnehmern stützen möchte.  

Das konnte der Arbeitgeber hier zunächst aus rein praktischen Gründen nicht: Der Betriebsrat hatte ihm offenbar - trotz mehrfachen Bemühens und Verlangens, so das LAG – die erforderlichen Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt (insbesondere die Sitzungsniederschrift, die Einladung und die Teilnehmerliste). Aus diesem Grunde hatte das Arbeitsgericht eine Beweisaufnahme durchgeführt, um die Wirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses und damit die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung zu klären. Am Ende war aber klar: es lag kein wirksamer Beschluss vor.  

Es ist immer wieder wichtig zu betonen: Da der Vorsitzende des Betriebsrats diesen nach § 26 Abs. 2 BetrVG „nur“ im Rahmen der gefassten Beschlüsse vertritt, ist ein wirksamer Betriebsratsbeschluss Voraussetzung für jedes rechtswirksame Handeln des Betriebsratsvorsitzenden. Ohne einen wirksamen Betriebsratsbeschluss handelt der Vorsitzende bei Unterzeichnung einer Betriebsvereinbarung als Vertreter ohne Vertretungsmacht, sodass eine unterzeichnete Betriebsvereinbarung schwebend unwirksam ist.  

Was aber muss der Vorsitzende in Sachen Ladung von Ersatzmitgliedern beachten? Erfährt er erst nach der Ladung von der Verhinderung, so muss er die Ladung des Ersatzmitgliedes unverzüglich nachholen. Hierzu muss er alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Kommunikationswege ausschöpfen - in Eilfällen ist selbst gegenüber den regulären Mitgliedern eine ganz kurzfristige Ladung möglich.  

Bei einer kurzfristigen Verhinderung kann eine Ladung von Ersatzmitgliedern auch per Telefon oder auf elektronischem Weg geboten sein, so das Landesarbeitsgericht. In der Begründung heißt es: “In Anbetracht der in § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG zum Ausdruck kommenden Wertentscheidung des Gesetzes, der Sicherung der Beschlussfähigkeit und der Beschlussfassung mit der vorgeschriebenen Mitgliederzahl höchste Priorität einzuräumen, liegt es auch nicht im Ermessen des Vorsitzenden, von einer Ladung abzusehen.” (dz/cbo)

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