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Zusatzurlaubanspruch verfallen? Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Schwerbehinderung durch den Arbeitgeber entscheidet!

Was passiert mit dem Anspruch auf Zusatzurlaub, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung seines Arbeitnehmers keine Kenntnis hat? Dieser Frage ist das Bundesarbeitsgericht (erneut) nachgegangen. Im aktuellen Urteil hat das Gericht den Zeitpunkt der Kenntnisnahme weiter konkretisiert und nochmals die Bedeutung der Mitwirkungspflichten der Arbeitgeber rund um die Gewährung von Zusatzurlaub erläutert. 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.04.2022, 9 AZR 367/21

Stand:  21.10.2022
Lesezeit:  03:30 min
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Das ist passiert

Der Kläger hatte seine Arbeitgeberin am 24. November 2017 darüber informiert, dass sein Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft abgelehnt worden sei. Erst im März 2019 erfuhr die Arbeitgeberin, dass das Widerspruchs- und Klageverfahren gegen den Bescheid erfolgreich war: Ein GdB von 50 wurde rückwirkend zum 11. August 2017 anerkannt. Der Arbeitnehmer verlangte Anfang April 2019 die Gewährung von Zusatzurlaub für die Jahre 2017 und 2018, die Arbeitgeberin versagte diesen mit dem Hinweis, dass der Zusatzurlaub verfallen sei. 

Das sagt das Gericht

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf anteiligen Zusatzurlaub von zwei Tagen für das Jahr 2017, der Zusatzurlaub für 2018 ist zwar entstanden, mit Ablauf des 31.Dezember 2018 aber nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG verfallen.
Im Unterschied zu einer vorangegangen Entscheidung aus November 2021 hatte die Arbeitgeberin hier zwar frühzeitig (seit November 2017) Kenntnis von einer möglichen Schwerbehinderteneigenschaft ihres Arbeitnehmers. Die Besonderheit im vorliegenden Fall war, dass der Arbeitnehmer es versäumt hatte, seine Arbeitgeberin über das erfolgreiche Klageverfahren zu informieren. 
Die Ansprüche auf Zusatzurlaub verfallen dann, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nicht rechtzeitig über den weiteren Gang des Anerkennungsverfahrens unterrichtet. Dem Arbeitnehmer obliegt es, den Arbeitgeber unverzüglich über die ablehnende Entscheidung der zuständigen Behörde sowie darüber zu informieren, ob er dagegen einen Rechtsbehelf eingelegt hat oder beabsichtigt, dies zu tun. 

Das Gericht legte die wichtigen Grundsätze rund um die Gewährung des Zusatzurlaubes dar:

  • Der Anspruch auf Zusatzurlaub entsteht, wenn eine Schwerbehinderung objektiv vorliegt. Auf die Kenntnis des Arbeitgebers oder auf die Feststellung durch die zuständige Behörde kommt es nicht an. 
  • Die Befristung des Urlaubsanspruchs auf das laufende Kalenderjahr oder den Übertragungszeitraum (§ 7 Abs.3 BUrlG) setzt voraus, dass der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten erfüllt und dafür Sorge trägt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen: er muss ihn (gegebenenfalls förmlich) auffordern, seinen Urlaub für das laufende Jahr zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub bei fehlendem Antrag zum Jahresende bzw. Übertragungszeitraum verfällt. Dies gilt auch für den Zusatzurlaub nach § 208 SGB IX. Unterlässt der Arbeitgeber dies, verfällt der Anspruch nicht.
     

Bedeutung für die Praxis

Bereits im November 2021 hat das BAG auf die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderteneigenschaft abgestellt bei der Frage, ob ein Anspruch auf Zusatzurlaub verfallen ist. Im aktuellen Urteil hat das Gericht den Zeitpunkt der Kenntnisnahme weiter konkretisiert und nochmals die Bedeutung der Mitwirkungspflichten der Arbeitgeber rund um die Gewährung von Zusatzurlaub erläutert. 

Die Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers ist nicht entscheidend, wenn er keine Kenntnis von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers hat und diese nicht offenkundig ist oder der Arbeitnehmer einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt hat, ohne den Arbeitgeber zu unterrichten. Dann verfällt der Anspruch auf Zusatzurlaub mit Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums.  
Anders liegt der Fall, wenn der objektiv schwerbehinderte Arbeitnehmer den Arbeitgeber über seinen (noch nicht beschiedenen) Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft unterrichtet: dann kann der Zusatzurlaub nur auf das Kalenderjahr/den Übertragungszeitraum begrenzt werden, wenn der Arbeitgeber seinen Aufforderungs- und Hinweispflichten nachgekommen ist. Da Anspruch auf Zusatzurlaub schon vom Zeitpunkt der Schwerbehinderung an und nicht erst nach behördlicher Feststellung besteht, muss der Arbeitgeber ab Kenntniserlangung vom Anerkennungsverfahren damit rechnen, fortan Ansprüchen des Arbeitnehmers auf Zusatzurlaub ausgesetzt zu sein, und kann sein weiteres Verhalten darauf ausrichten: Er kann den Arbeitnehmer auffordern, den Zusatzurlaub für das laufende Jahr zu nehmen. Bezweifelt der Arbeitgeber das Vorliegen einer Schwerbehinderung und möchte er deshalb zunächst den Ausgang des Anerkennungsverfahrens abwarten, bevor er den Zusatzurlaub initiiert, trägt er das Risiko, den Zusatzurlaubsanspruch auch noch nach Ablauf des Urlaubsjahrs gewähren zu müssen.
Besonderheiten ergeben sich, wenn – wie im vorliegenden Fall – der dem Arbeitgeber bekannte Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung zunächst durch behördlichen Bescheid zurückgewiesen und die Schwerbehinderung aufgrund eines vom Arbeitnehmer eingelegten Rechtsbehelfs oder Rechtsmittels später rückwirkend festgestellt wird. Die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers bestehen in einem solchen Fall zunächst bis zu der ablehnenden Entscheidung der zuständigen Behörde. 
 

SBV-Tipp!
Das BAG entwickelt seine Rechtsprechung zu den Mitwirkungspflichten seitens des Arbeitgebers stetig weiter und macht den Anspruch auf Zusatzurlaub immer differenzierter von dem Zeitpunkt abhängig, zu dem der Arbeitgeber Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft erhalten hat. Arbeitnehmer sollten daher ihren Arbeitgeber stets offen und zeitnah über den Verfahrensstand ihres Antrags auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft informieren, wenn sie ihren möglichen Anspruch auf Zusatzurlaub sichern möchten. Ansonsten laufen sie Gefahr, dass der Anspruch zum jeweiligen Kalenderjahr verfällt. 
 

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