„Es geht um die künftigen Arbeitsplätze“

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Stand:  10.12.2025
Lesezeit:  03:15 min
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Nachhaltigkeit: Warum gerade die JAV echte Veränderungen anstoßen kann

Nachhaltigkeitsexpertin Nicole Götz begleitet seit vielen Jahren Unternehmen auf ihrem Weg zu mehr ökologischer und sozialer Verantwortung. Im Interview spricht sie über Sorgen junger Menschen, den wachsenden Druck auf Unternehmen und warum gerade die JAV mit „Green Skills“ echte Veränderungen anstoßen kann.

Nicole, ist das Thema Nachhaltigkeit bei jungen Menschen tatsächlich so groß?

Nicole Götz: Ich erlebe schon, dass da eine große Sorge da ist. Aber auch ein bisschen Resignation und Frustration, weil nicht wirklich was weitergeht. Und so habe ich das Gefühl, dass es wie in der Gesamtgesellschaft im Moment etwas am Abebben ist. Das hat für mich aber weniger damit zu tun, dass sie es nicht für wichtig erachten, sondern eben damit, dass es nicht den Fortschritt gibt, den man sich wünschen würde.

Warum sollte sich eine JAV mit Nachhaltigkeit beschäftigen?

Nicole Götz: Es geht nun mal um ihre künftigen Arbeitsplätze! Generell kann es für die JAV ein spannender Ansatz sein, zu sagen, das Thema muss ökologisch und sozial viel stärker in die Ausbildung rein, um das Bewusstsein hierfür zu schaffen. In den Studiengängen spielt es bereits überall mit rein. Und wenn ich ein Grundverständnis habe, kann ich die „Green Skills“ schon früh entwickeln und später im Berufsleben immer mitdenken, weil Nachhaltigkeit etwas ist, das in alle Unternehmensentscheidungen hineinfließt. Außerdem können die jungen Leute mit Projekten und ihrem Engagement über den Betriebsrat wirklich was erreichen. Es gibt da dieses Beispiel, bei dem sich Auszubildende zu „Energie-Scouts“ ausbilden lassen, durch das Unternehmen gehen, Potenziale identifizieren und dann Projekte umsetzen. So etwas finde ich toll. 

Veranstaltung: JAV-Fachtagung

Wer Nachhaltigkeitsexpertin Nicole Götz live erleben möchte, kann dies bei der JAV-Fachtagung vom 08. bis 10. April 2026 in München. Hier ist sie mit dem Workshop „Green Skills – Nachhaltigkeit im Betrieb“ dabei.

Was sind denn typische Hindernisse für junge Menschen, wenn sie das Thema im Unternehmen vorantreiben wollen?

Nicole Götz: Es ist oft so, dass das mittlere Management die Profitverantwortung trägt, aber weniger die großen strategischen Visionen im Blick hat, sondern eher das Ergebnis von morgen. Die ins Boot zu holen ist eine Herausforderung, ganz nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“. Und das andere ist, dass es gesamtgesellschaftlich momentan heißt, man müsse sich um andere Themen kümmern: Um Wettbewerbsfähigkeit und ohnehin sei keine Zeit und Geld da. Dabei findet Wettbewerbsfähigkeit in Zukunft vor allem über Nachhaltigkeit statt. Es ist nämlich keinesfalls so, dass nur wir in Europa was tun. Im Gegenteil, es ist absehbar, dass China von uns Nachhaltigkeitsberichte fordern wird. 

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Wettbewerbsfähigkeit findet in Zukunft vor allem über Nachhaltigkeit statt.

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Das heißt, Unternehmen müssen so oder so in Nachhaltigkeit investieren?

Nicole Götz: Es ergeben sich dadurch jedenfalls einige unmittelbare Vorteile. 2022 hat das World Economic Forum gemeinsam mit der Boston Consulting Group mal versucht, es in Zahlen zu fassen. Und schon hier hat Nachhaltigkeit für 40 Prozent der Talente eine wesentliche Rolle gespielt bei der Wahl des Arbeitgebers. Schaut man sich die Altersgruppe von 20 bis 29 an, haben Studien aus 2024 gezeigt: Bei 80 Prozent der potenziellen Mitarbeitenden ist es ein wichtiges Thema und für 20 Prozent davon sogar das allein entscheidende Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers ist. 

Kritiker behaupten, die Wirtschaftlichkeit würde sich verschlechtern, wenn der Fokus zu sehr auf Nachhaltigkeit liegt.  

Nicole Götz: … dabei gibt es Ergebnisse, die zeigen, dass nachhaltige Umsätze sehr viel stärker wachsen als nicht-nachhaltige. Ich sage immer, der Kuchen wird nicht größer, er wird nur anders verteilt und entweder ich bin bei denen, wo der Kuchen größer oder bei denen er kleiner wird. Nachhaltigkeit geht schließlich oft mit Effizienzgewinn sowie Ressourcen-, Energie- und Verbrauchseinsparungen einher. Aber auch mit Risikomanagement: Wenn ich das Thema CO2-Steuer im Blick habe und weiß, da stehen steigende Kosten an, dann kann ich eben mit CO2-Reduktionen, die mich im ersten Moment natürlich etwas kosten, langfristig eine Verbesserung oder Sicherung meiner Ergebnisse herstellen. Entweder Firmen schaffen einen Wettbewerbsvorteil daraus oder sie tun nichts und verschlechtern ihre Position. 

Viele Unternehmen werben damit, besonders nachhaltig zu sein – oft handelt es sich dabei um das sogenannte „Greenwashing“ und es steckt nicht viel dahinter. Wie verbreitet ist das denn?

Nicole Götz: Ich persönlich glaube, „Greenwashing“ ist nicht mehr das Thema, das es zu Beginn der Nachhaltigkeitswelle war. Da war es noch das Verkaufsargument und deswegen wurde schon mal ungeprüft was rausgeworfen, allerdings ist man hier über die „Green Claims Directive“ der EU schon sehr viel vorsichtiger geworden. Ich finde, ein Unternehmen ist dann nachhaltig, wenn es die Themen kontinuierlich adressiert und immer weitere Fortschritte zeigt. Nicht nur einmal im Jahr irgendwas in irgendeinen Bericht reinschreibt und sich dann das ganze Jahr nicht mehr kümmert, sondern wirklich stetig daran arbeitet.  

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Ein Unternehmen ist dann nachhaltig, wenn es die Themen kontinuierlich adressiert und immer weitere Fortschritte zeigt.

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Zum Abschluss: Was würdest Du Dir von der zukünftigen Arbeitswelt wünschen?

Nicole Götz: Ich wünsche mir wirklich, dass diese Erkenntnis reift, dass wir kein losgelöstes System sind, sondern gebettet in den Rahmen der Gesellschaft und der Umwelt. Und dass sich Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit nicht ausschließen, sondern sich dauerhaft als einzige gemeinsame Lösung zeigen werden. Und persönlich wünsche ich mir für die Arbeitswelt eine gleichberechtigte, inklusive Gesellschaft – und zwar auf allen Ebenen. Wir waren da schon auf einem sehr guten Weg und ich hoffe, wir lassen uns nicht von irgendwelchen Strömungen davon abbringen. (tis)

Nicole Götz | © Nicole Götz

Nicole Götz

Nicole Götz hat BWL studiert, arbeitete nach dem Studium lange Zeit in der Automobilzulieferindustrie. Mit der Geburt ihrer Kinder „schlich“ sich nach und nach das Thema Nachhaltigkeit in ihr Leben. Zunächst noch im Controlling eingesetzt, trieb sie die Nachhaltigkeit in ihrer damaligen Firma voran, von den Anfängen (reines Umweltmanagement) bis hin zur strategischen Nachhaltigkeit. Seit über zehn Jahren ist sie mittlerweile im Bereich Nachhaltigkeit tätig und berät heutzutage mit ihrem Unternehmen Bunt-Consulting eine Vielzahl an Betrieben.

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