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Europa-Recht wirkt bis in den Betrieb

Das sollten Sie als Betriebsrat zu Richtlinien und Verordnungen der EU wissen!

Gar nicht so einfach, sich im Dschungel der vielen EU-Verordnungen und Richtlinien zurechtzufinden. Immer häufiger bestimmen europäische Vorgaben auch den nationalen Rechtsrahmen – und damit den Alltag in Unternehmen. Für Betriebsräte heißt das: dranbleiben und mitreden! Doch wann gelten EU-Regeln eigentlich direkt, wann müssen sie erst in deutsches Recht umgesetzt werden – und worauf sollten Betriebsräte dabei achten?

Stand:  15.10.2025
Lesezeit:  02:30 min
EU-Recht Betriebsrat | © AdobeStock | niroworld

Das Bundeskabinett hat aktuell eine „Modernisierungsagenda“ beschlossen, um Bürokratie abzubauen und unter anderem EU-Recht künftig „1:1“ umzusetzen, also ohne nationale Verschärfungen. Doch bis die bestehenden Rückstände aufgeholt sind, bleibt noch viel zu tun. 

EU-Recht: Zwei Wege – eine Wirkung

Eines steht fest: Die Europäische Union gestaltet mit ihren Gesetzen zunehmend den rechtlichen Rahmen der Mitgliedstaaten. Dabei gibt es zwei zentrale Formen von EU-Recht: Verordnungen und Richtlinien – und genau hier liegt der entscheidende Unterschied.

  1. EU-Verordnungen gelten unmittelbar und einheitlich in allen Mitgliedstaaten. Sie müssen nicht erst in deutsches Recht übertragen werden. Sobald sie in Kraft treten, gelten sie direkt – wie etwa beim EU-Data Act oder der Batterieverordnung.
  2. EU-Richtlinien hingegen geben Ziele vor, lassen den Staaten aber Spielraum bei der Umsetzung. Sie müssen innerhalb einer festgelegten Frist in nationales Recht überführt werden. Wird das versäumt, kann die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Beispiele sind derzeit die NIS2-Richtlinie zur Cybersicherheit oder die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III).

Deutschland unter EU-Beobachtung

Deutschland steht derzeit bei mehreren EU-Vorgaben unter Druck. Die Europäische Kommission hat gleich mehrere Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil die Umsetzung wichtiger Richtlinien zu spät oder unvollständig erfolgt ist.

Betroffen sind unter anderem:

  • Öffentliche Auftragsvergabe:
    Hier geht es um die Umsetzung der EU-Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge – also darum, wie Bund, Länder und Kommunen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge vergeben. Deutschland soll EU-Richtlinien nicht vollständig umgesetzt haben, insbesondere fehlt es noch an mehr Transparenz, Zugang für kleinere Unternehmen, digitaler Vergabe und Nachhaltigkeitskriterien.  Deutschland wurde von der EU-Kommission dazu verklagt.
  • Abfallrahmenrichtlinie:
    Diese Richtlinie legt die zentralen Grundsätze der europäischen Abfallpolitik fest – insbesondere Abfallvermeidung, Recycling und Kreislaufwirtschaft. Deutschland muss hier noch nachbessern, zum Beispiel bei der getrennten Sammlung und bei Berichtspflichten. Für Unternehmen können daraus neue Anforderungen an Entsorgung, Nachweise und Nachhaltigkeitsstrategien entstehen.
  • EU-Rückkehrausweis:
    Die Vorschriften regeln die Ausstellung sogenannter EU-Rückkehrausweise für Drittstaatsangehörige ohne gültige Reisedokumente. Ziel ist ein einheitliches Verfahren und fälschungssichere Dokumente. Auch hier besteht Nachholbedarf, da Deutschland die EU-Vorgaben noch nicht vollständig umgesetzt hat.
    Auch bei anderen europäischen Initiativen – etwa Cybersicherheit, Datennutzung oder Energiepolitik – hinkt Deutschland hinterher.

Was bedeutet das für Betriebe und Betriebsräte?

Neue EU-Vorgaben können sich oft direkt auf den Betrieb auswirken. Hier gilt es, auf dem Laufenden zu bleiben. Sie verändern bestehende Gesetze, die wiederum Mitbestimmungsrechte, Arbeitsorganisation oder die Pflichten des Arbeitgebers betreffen können. Mehr zum Thema: ifb | Aktuelle Gesetze im Blick: Als Betriebsrat informiert bleiben! | Betriebsrat

Aktuelles Beispiel:

Die EBR-Richtlinie: Das Europäische Parlament hat am 9. Oktober 2025 die Reform der EBR-Richtlinie beschlossen – ein wichtiger Schritt für stärkere Mitbestimmung auf europäischer Ebene. Die überarbeitete Richtlinie stärkt die Rechte der Europäischen Betriebsräte deutlich. Unternehmen dürfen künftig keine Entscheidungen mehr treffen, bevor die Konsultation mit dem EBR abgeschlossen ist, Verstöße können sanktioniert werden, und EBRs erhalten besseren Zugang zu Gerichten und Sachverständigen. Damit wird ihre Position bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen spürbar gestärkt und die Mitbestimmung europaweit vereinheitlicht. Umsetzungszeitraum: 2 Jahre.

Weitere Beispiele:

  • Datensicherheit und IT-Schutz durch NIS2: Neue technische und organisatorische Anforderungen, die Beteiligungsrechte auslösen.
  • Data Act: Neue Regeln zur Nutzung von Maschinendaten, Datenschutz und Zugriffsrechten.
  • Die EU-Waldverordnung (EUDR):  Neue Pflichten zur Lieferkettenkontrolle. Werden dafür IT-Systeme oder Abläufe geändert, kann das Mitbestimmung nach § 87 BetrVG auslösen.

Fazit:

EU-Recht ist längst kein fernes Brüsseler Thema mehr. Es prägt nationale Gesetze und wirkt unmittelbar in die Betriebe hinein, egal ob die neuen Vorgaben aus Brüssel oder aus Berlin kommen. Sie verändern Rahmenbedingungen, Arbeitsprozesse und damit oft auch Mitbestimmungsrechte. Für sie als Betriebsrat ist es daher entscheidend, sich aktiv mit der aktuellen Gesetzgebung auseinanderzusetzen und rechtzeitig zu erkennen, wo sich neue Pflichten, Chancen oder Gestaltungsspielräume ergeben. Wer Entwicklungen früh im Blick hat, kann im Betrieb rechtzeitig reagieren, Beschäftigte informieren und mitgestalten. So wird Mitbestimmung lebendig – und sorgt dafür, dass Wandel nicht über die Köpfe der Beschäftigten hinweg geschieht, sondern gemeinsam gestaltet wird. (sw)

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