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News Mitbestimmung Betriebsräte und Streikrecht – Was ist erlaubt?

Betriebsräte und Streikrecht – Was ist erlaubt?

Infos und Fakten zum aktuellen Thema Streik und Arbeitskampf

In Deutschland wird wieder mehr gestreikt. Die Veränderungsprozesse in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt, die Inflation und die nicht verhältnismäßige Bezahlung in manchen Branchen heizen die Streikkultur an. Doch wann darf eigentlich gestreikt werden? Können Sie als Betriebsrat zum Streik aufrufen und was ist die Rechtsgrundlage für einen Streik? Erfahren Sie wichtige Fakten zum Thema Streik!

Stand:  1.5.2023
Lesezeit:  03:15 min
Streikrecht | © AdobeStock | karepa

Tatsache ist: In Deutschland gilt die Koalitionsfreiheit. Das ist im Grundgesetz geregelt und beinhaltet das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden (Art. 9 Abs. 3 GG). Arbeitgeber können sich zu Arbeitgeberverbänden zusammenschließen und Arbeitnehmer können sich in Gewerkschaften organisieren. In diesem Rahmen werden Tarifverträge verhandelt. Scheitern diese Verhandlungen, dann sind Arbeitskampfmaßnahmen, also Streiks möglich. Das erleben wir in Deutschland immer wieder hautnah, z.B. im Bahn- oder Flugfernverkehr. Ein Grund, sich zu ärgern? Hier scheiden sich bei vom Streik Betroffenen oft die Geister. Und Fakt ist: Es geht immer um bessere Arbeitsbedingungen!

Wie streikfreudig sind die Deutschen?

Die Streiktage in Deutschland nehmen wieder zu. Laut Statistischem Bundesamt fielen 2021 je 1.000 Beschäftigte durchschnittlich 9,1 Arbeitstage durch Streiks aus. Damit gab es 2021 deutlich mehr Streiks als noch im Vorjahr, in dem es zu 4,8 Ausfalltagen je 1.000 Beschäftigte durch Streiks kam. Im Gegensatz zu unseren Europäischen Nachbarn wie Frankreich, Belgien oder Spanien stehen wir Deutschen jedenfalls mit unseren Streik-Ausfalltagen sehr weit unten auf der Liste.

Wann spricht man von einem Streik?

Maria Müller legt ihrem Chef einen Stapel Dokumente auf den Schreibtisch und sagt: “Das kann ich unmöglich alles schaffen! Suchen Sie sich für diese Arbeiten bitte jemand anderen!“ Ist das schon ein Streik? Nein, jedenfalls nicht im Sinne des Streikrechts! Denn bei einem Streik legen entweder mehrere oder alle Arbeitnehmer ihre Arbeit für eine bestimmte Zeit oder unbefristet nieder. Gewerkschaften organisieren diese Arbeitsniederlegungen, um Druck auf den Arbeitgeber auszuüben und bestimmte Forderungen durchzusetzen. 
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie ein Streik stattfinden kann: beispielsweise durch die Verweigerung von Überstunden oder die Blockade von Zufahrten zu einem Betriebsgelände – aber immer gemeinsam. Das Ziel eines Streiks besteht darin, Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu erzwingen und so Verbesserungen in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Löhne oder Sozialleistungen zu erreichen.

Was beinhaltet das Streikrecht?

Das Streikrecht in Deutschland ist ein grundlegendes Menschenrecht. Auch für Maria Müller bietet sich die Chance, zu den “formal richtig” Streikenden zu gehören. Es gewährt den Arbeitnehmern das Recht, ihre Arbeit niederzulegen, um ihre Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen – wie gesagt: gewerkschaftlich organisiert! Allerdings ist das Streikrecht kein uneingeschränktes Recht und unterliegt bestimmten Vorschriften und Regeln, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. So müssen Arbeitsniederlegungen in der Regel im Voraus angekündigt werden und es kann Einschränkungen bei Streiks in bestimmten Branchen geben, um die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit zu vermeiden. Insgesamt ermöglicht das Streikrecht den Arbeitnehmern, kollektiv für ihre Interessen einzutreten - aber es muss in Einklang mit den Gesetzen und Verordnungen stehen, um Missbrauch oder unverhältnismäßigen Einsatz zu verhindern.

Beispiele für die Rechtmäßigkeit eines Streiks

  • Die Durchsetzung von Tarifforderungen sind gescheitert

  • Die Wahrung sozialer Interessen ist nicht gewährleistet

  • Die Gewerkschaften kündigen den Streik im Voraus an

  • Es herrscht keine Friedenspflicht

  • Die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über eine mögliche Beilegung des Konflikts sind gescheitert

  • Die Streikdauer ist angemessen

Wichtig ist: Der Streik verursacht keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der betrieblichen oder öffentlichen Interessen. Ein rechtlich einwandfreier Arbeitskampf setzt voraus, dass die Gewerkschaften alle rechtlichen Vorgaben und Verfahren einhalten, bevor sie zu Arbeitskampfmaßnahmen greifen. Dazu gehört, dass ein Arbeitskampf nur als letztes Mittel eingesetzt werden sollte, wenn alle anderen Möglichkeiten der Konfliktlösung ausgeschöpft sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einhaltung der Verhältnismäßigkeit. Das bedeutet, dass die Maßnahmen, die die Gewerkschaften ergreifen, angemessen und nicht übertrieben sein sollten.

Die Friedenspflicht

Gewerkschaften sind zu manchen Zeiten verpflichtet, Streiks zu unterlassen. Das ist z.B. während eines ungekündigt geltenden Tarifvertrags der Fall. Die Friedenspflicht endet erst nach Ablauf der Kündigungsfrist. Hier hilft auch der Blick in den Tarifvertrag: Zum Teil sind Erzwingungsstreiks erst nach dem offiziellen Scheitern der Verhandlungen oder nach einer Schlichtung zulässig.

Wann spricht man von einer Aussperrung bei einem Streik?

Auch der Arbeitgeber hat Möglichkeiten: Er kann seine Arbeitnehmer aussperren, um den Druck auf die Gewerkschaften zu erhöhen oder um den Streik zu brechen. Eine Aussperrung kann beispielsweise dann stattfinden, wenn die Arbeitgeberseite der Meinung ist, dass die Forderungen der Gewerkschaften unverhältnismäßig sind oder das Streikverhalten der Arbeitnehmer nicht angemessen ist. Bei einer Aussperrung gelten ähnliche rechtliche Formalien wie bei einem Streik. Sie ist nur dann zulässig, wenn sie verhältnismäßig ist und wenn alle Verhandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Außerdem muss sie rechtzeitig angekündigt werden und darf nicht gegen geltendes Arbeitsrecht oder gegen Tarifverträge verstoßen.

Dürfen Sie als Betriebsrat zum Streik aufrufen?

Ein klares Nein! Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 74 BetrVG) sind Sie als Betriebsrat dazu verpflichtet, Maßnahmen des Arbeitskampfes zu unterlassen. Das Streikrecht ist allein den tarifvertragsfähigen Parteien (Gewerkschaften) vorbehalten, die hierbei als Interessenvertretung der Arbeitnehmer fungieren und den Streik organisieren. Dieses Verbot im Betriebsverfassungsgesetz bedeutet aber nicht, dass sich Betriebsräte gar nicht beteiligen dürfen. Aber: Nicht in ihrem Amt als Betriebsrat! Auch Betriebsrats- und Gewerkschaftsfunktionen müssen streng auseinandergehalten werden. Als Arbeitnehmer dürfen sich die einzelnen Mitglieder des Betriebsrats aber – wie alle anderen – an einem Streik beteiligen. 

Welche Formen von Streik gibt es in Deutschland?

In Deutschland gibt es verschiedene Formen von Streiks, die von Gewerkschaften eingesetzt werden können, um ihre Forderungen durchzusetzen:

Welche Arbeitnehmer dürfen nicht streiken?

Es gibt bestimmte Arbeitnehmergruppen, die aufgrund ihrer Funktion oder ihrer Tätigkeiten in bestimmten Branchen nicht streiken dürfen.

Zu diesen Arbeitnehmergruppen gehören in der Regel:

  • Beamte: Sie haben aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Stellung ein Streikverbot.
  • Soldaten: Sie haben ebenfalls ein Streikverbot, da sie dem Staat und nicht einem Arbeitgeber dienen.

Dürfen streikende Arbeitnehmer gekündigt werden?

Das Streikrecht für Arbeitnehmer ist nicht abhängig von der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. Ist der Streik rechtmäßig, darf der Arbeitgeber wegen der Teilnahme am Streik keine Repressalien verhängen, also nicht abmahnen oder kündigen. Nur weil ein Arbeitnehmer an einem Streik teilnimmt, rechtfertigt das noch lange keine Kündigung. 

Bekommen Arbeitnehmer in der Streikzeit ihren Lohn?

Der Arbeitgeber muss für die Zeit des Arbeitskampfes keinen Lohn oder Gehalt zahlen. Mitglieder erhalten während dieses Zeitraums Streikgeld von ihrer Gewerkschaft als Ausgleich für ausbleibende Entgeltzahlungen. Das ist ein großer Vorteil für gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer. Nicht-Mitglieder in einer Gewerkschaft gehen leer aus. 

Fazit: Ob wir als Deutsche wie unsere europäischen Nachbarn mit mehr Streiks für unsere Rechte kämpfen sollten, darüber lässt sich diskutieren. Hier kommen sicher viele unterschiedliche Meinungen zusammen! Die rechtlichen Möglichkeiten gibt es.
Und die überlastete Maria Müller? Hier ist Ihr Einsatz als Betriebsrat gefragt! (sw)

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