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Letzte Hoffnung Betriebsrat

Der Fall Wirecard

Im Sommer 2020 machte der Finanzdienstleister Wirecard Schlagzeilen. Das Unternehmen mit Sitz in Aschheim bei München ist in einen milliardenschweren Betrugsskandal verwickelt. Trotz Insolvenz und kurz vor dem Rauswurf aus dem DAX schöpfen die Beschäftigten wieder Hoffnung: Um Arbeitsplätze zu sichern, wollen sie Betriebsräte gründen.

Stand:  11.8.2020
Lesezeit:  02:15 min

Noch zu Beginn des Jahres stellten externe Prüfer Wirecard Bestnoten aus. Das Unternehmen übertraf alle Umsatz- und Gewinnprognosen, unter Privatanlegern galt es seit Jahren als Geheimtipp. Im Frühsommer flog dann plötzlich alles auf: Wirecard konnte seine Jahresbilanz nicht vorlegen. Es fehlten 1,9 Milliarden Euro in der Unternehmenskasse. Wahrscheinlich Luftbuchungen, um die Bilanz zu schönen – also Geld, das es nie gegeben hatte. Kurz darauf verkündete Vorstandschef Markus Braun per Video seinen Rücktritt und wurde später festgenommen. Vorstandsmitglied Jan Marsalek tauchte unter. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht mittlerweile von einem „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“ aus.

Arbeitnehmervertretungen gibt es bei Wirecard bisher nicht.

5.800 Jobs in Gefahr

Was sich wie ein spannender Wirtschaftskrimi liest, ist für die weltweit 5.800 Beschäftigten von Wirecard leider bittere Realität. Am 25. Juni meldete das Unternehmen Insolvenz an, die Arbeitsplätze sind in Gefahr. Und die Beschäftigten stehen alleine da, denn Arbeitnehmervertretungen gibt es bei Wirecard nicht. Das soll sich jetzt ändern.

Betriebsrat für Wirecard-Mitarbeiter

Mehr als 20 Jahre nach Gründung des Unternehmens planen die Beschäftigten in Aschheim die Wahl eines Betriebsrats. Dabei geht es (erstmal) nicht um die Muttergesellschaft Wirecard AG, die selbst kein operatives Geschäft betreibt, sondern um drei Wirecard-Tochtergesellschaften: Wirecard Bank, Wirecard Service Technologies und Wirecard Acceptance Technologies mit insgesamt mehreren hundert Beschäftigten. Ver.di forderte die Geschäftsführungen dieser Tochterfirmen auf, ihre Belegschaften zu entsprechenden Wahlversammlungen einzuladen.

Geht das denn, trotz Insolvenz?

Die Wahl eines Betriebsrats ist auch in einem laufenden Insolvenzverfahren möglich. So lange es ein Unternehmen gibt, kann auch die Wahl eines Betriebsrats auf den Weg gebracht werden. Auch ein Insolvenzverwalter muss die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beachten. Und in der Insolvenzordnung ist die Beteiligung des Betriebsrats am Insolvenzverfahren sogar an mehreren Stellen gesetzlich geregelt.

Ein „Aber“ gibt es bei Betriebsstilllegungen: Wird ein Betriebsrat erst während der Durchführung der Betriebsänderung gewählt, wenn die Mehrzahl der Arbeitnehmer im Betrieb bereits ausgeschieden ist, muss der Arbeitgeber keinen Sozialplan mehr abschließen.

Die Vorteile eines Betriebsrats liegen auf der Hand.

Viele Vorteile, keine Nachteile

Die Vorteile eines Betriebsrats liegen auf der Hand, gerade auch in Krisenzeiten: Mitbestimmung, Einblick in die Finanzen, Information der Belegschaft. Gerade bei (drohender) Insolvenz besteht für den Betriebsrat ein besonderer Informationsbedarf (vgl. § 80 Abs. 2 BetrVG, § 111 BetrVG). Im Fall der Insolvenz ist auch der Insolvenzverwalter verpflichtet, die Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Und natürlich der Sozialplan: Diesen kann nur ein Betriebsrat im Fall von Betriebsschließungen aushandeln.

Wie geht es weiter bei Wirecard?

Was mit den Unternehmen weiter geschieht, welche Wirecard-Firmen fortgeführt werden können und welche gegebenenfalls abgewickelt werden, ist derzeit noch unklar. Denn noch liegt das Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters Michael Jaffé nicht vor.

Ver.di hofft jedenfalls mit den ersten Vorstößen zu Betriebsratswahlen auf den Nachahmungseffekt und dass es auch bei der Muttergesellschaft Wirecard AG bald Betriebsratswahlen geben wird. Der Bedarf ist groß: Laut Jahresbilanz 2018 waren in der Aschheimer Konzernzentrale neben der Muttergesellschaft elf deutsche Tochterfirmen ansässig. (CB)

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