In den USA nennt man es „Quiet Quitting“, in Deutschland klingt es etwas sperriger: innere Kündigung. Gemeint ist beides Mal dasselbe Phänomen: Menschen machen nur noch das, wofür sie bezahlt werden – nicht mehr, nicht weniger (hier weiterlesen). Kein freiwilliges Engagement, kein Blick über den Tellerrand, keine 110 Prozent mehr. Klingt erschreckend? Oder einfach nur vernünftig? Was manche als Leistungsverweigerung abtun, ist für andere eine Form der Selbstfürsorge. Aber: Je näher das reguläre Rentenalter rückt (oder ein möglicher früher Ausstieg), desto mehr stellen sich die Frage: Muss ich das eigentlich alles noch mitmachen?
Wer hat an der Uhr gedreht?
Ab einem gewissen Punkt im Berufsleben häufen sich gewisse Zeichen: Kollegen, mit denen man zusammen gestartet ist, gehen in Rente oder Altersteilzeit. Gespräche jüngerer Mitarbeiter hören sich wie eine Fremdsprache an („lost“, „cringe“ oder „Aura“) und sie nutzen zudem völlig selbstverständlich irgendwelche Tools, die einem selbst – unter Umständen – im Umgang wenig vertraut sind. Vielleicht erwischt sich der eine oder andere sogar dabei, in Excel Listen mit Urlaubstagen zu führen, die bis zur Rente noch übrig sind. Die Pensionierung als das Fernziel schlechthin? Der Wunsch, früher auszusteigen, kann also durchaus nachvollziehbar sein, gerade wenn Stress, Überforderung oder gesundheitliche Themen drängen. Aber Vorsicht: Zum vorzeitigen Ruhestand ist es nicht immer ein Spaziergang.
Vorzeitiger Ruhestand – eine Lösung mit Tücken und Chancen
Das Regelrentenalter liegt in Deutschland bei 65 beziehungsweise 67 Jahren für die, die 1964 oder später geboren sind. Rein rechtlich ist ein vorzeitiger Ruhestand in Deutschland möglich – zum Beispiel für 63-Jährige, wenn mindestens 35 Versicherungsjahre vorliegen oder über Altersteilzeitmodelle, bei denen man schrittweise aussteigt. Klingt verlockend? Hat aber seinen Preis: Wer vor dem regulären Rentenalter in Ruhestand geht, muss oft spürbare finanzielle Einbußen in Kauf nehmen. Je nach Eintrittsalter können das dauerhaft bis zu 14,4 Prozent Abschlag auf die gesetzliche Rente sein. Darüber hinaus reagieren betriebliche oder private Altersvorsorgeverträge nicht immer wohlwollend auf vorzeitige Ausstiege. Neben dem finanziellen Aspekt spielt indes auch die soziale Komponente eine große Rolle: Viele unterschätzen, wie stark die Arbeit den Alltag strukturiert und wie sehr soziale Kontakte und das „sich-gebraucht-Fühlen“ an den Job geknüpft sind.
Viele unterschätzen, wie stark die Arbeit den Alltag strukturiert.
Gleichzeitig kann ein früherer Ausstieg aus dem Arbeitsleben auch eine Chance sein: für die eigene Gesundheit, die Familie und Freunde, das ehrenamtliche Engagement oder das Reisen. Wer den Übergang gut plant, sich Klarheit über seine finanziellen Mittel verschafft und mental darauf vorbereitet, kann so definitiv sein Glück finden.
Und was hat der Betriebsrat damit zu tun?
Der Betriebsrat sollte nicht das Reisebüro für Rententräume sein, kann aber helfen, den Weg dorthin realistisch und fair zu gestalten. Ob es um Arbeitszeitmodelle, altersgerechte Aufgaben, Übergangsregelungen oder die Frage geht, ob man noch etwas bewegen kann oder nur noch geduldet wird: Betriebsräte kennen (zumeist) die Rechte und häufig auch kreative Wege, wie man den Übergang zwischen Berufsleben und Ruhestand meistern kann.
Bevor Sie sich also still und leise verabschieden – oder innerlich kündigen – lohnt sich ein Gespräch in jedem Fall.
Bevor Sie sich also still und leise verabschieden – oder innerlich kündigen – lohnt sich ein Gespräch in jedem Fall. Denn egal, ob Sie 55, 60, 63 oder 67 Jahre alt sind, der Ausstieg aus dem Berufsleben ist immer ein großer Schritt. Wer ihn gehen will (oder muss), sollte dies nicht auf leisen Sohlen, sondern den Eintritt in die neue Lebensphase bewusst gestalten. Und wer noch bleibt, darf sich gerne fragen: Wie will ich meine letzten Berufsjahre verbringen? Als stiller Beobachter der beruflichen Laufbahn oder als jemand, der noch etwas erreichen will? (tis)
Selbsttest: Sind Sie bereits reif für die Rente?
1. Wissen Sie genau, wie viele Urlaubstage Sie noch bis zum Renteneintritt haben?
- Nein (0 Punkte)
- Ja (2 Punkte)
- Ich habe eine detaillierte Excel-Liste dafür (3 Punkte)
2. Ist das Mittagessen Ihre Lieblingsbeschäftigung im Büro?
- Nein (0 Punkte)
- Ja (2 Punkte)
- Und zwar mit Uhrzeit-Countdown (3 Punkte)
3. Sagen Sie häufiger „Früher war das besser“ als „Das ist aber spannend“?
- Nein (0 Punkte)
- Ja (2 Punkte)
- Ich führe sogar ein Tagebuch, was früher alles besser war (3 Punkte)
4. Beim Wort „Team-Meeting“ denken Sie sofort an den Kaffee-Nachschub?
- Nein (0 Punkte)
- Ja (2 Punkte)
- Und an Sudoku (3 Punkte)
5. Ihre To-do-Liste besteht vor allem aus „Aussitzen“, „Weiterleiten“ und „Ignorieren“?
- Nein (0 Punkte)
- Ja (2 Punkte)
- Ich wäre für weitere kreative Vorschläge zur Arbeitsvermeidung offen (3 Punkte)
Auswertung:
- 0 – 5 Punkte:
Glückwunsch! Sie sind (noch) motiviert bei der Sache – oder einfach gut darin, so zu tun. - 6 – 9 Punkte:
Es könnte Zeit sein, mit sich selbst (und vielleicht dem Betriebsrat) ein ernstes Gespräch zu führen. Was wünschen Sie sich wirklich für die letzten Berufsjahre? - 10 oder mehr Punkte:
Sie haben nicht nur innerlich bereits gekündigt, sondern sind gedanklich schon auf „Malle“. Jetzt wäre wohl ein guter Moment, konkret zu planen: Wie wollen Sie gehen – und was brauchen Sie dafür?
Anmerkung der Redaktion: Bitte sehen Sie den Test wie wir – mit einem unübersehbaren Augenzwinkern!