Corona, Lieferengpässe – immer wieder gibt es Umstände, die Unternehmen in existenzielle Krisen stürzen. Welche Auswege sehen Sie – bevor es zur Insolvenz kommt?
Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen bietet Unternehmen die Möglichkeit, frühzeitig auf Unternehmenskrisen zu reagieren. Bevor es zur Insolvenz kommt, können sich die Unternehmen in einer Krise nun selbst restrukturieren. Besonders vorteilhaft daran ist, dass sie die Restrukturierung ohne negative Publizität – sozusagen still – durchführen können.
Wann ist der richtige Zeitpunkt einer solchen „präventiven Restrukturierung“ laut StaRUG?
Das StaRUG legt den Geschäftsleitern die Pflicht auf, wirtschaftliche Krisen so früh wie möglich – also noch vor der Sanierungsbedürftigkeit – zu identifizieren und zu managen. Dies basiert auf der Erfahrung, dass Krisen umso erfolgreicher abgewendet werden können, je früher sie erkannt und behandelt werden.
Die Arbeitnehmervertreter müssen während der Restrukturierung regelmäßig und umfassend informiert werden.
Welche Rolle spielen Arbeitnehmervertreter dabei, sowohl Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat als auch Betriebsräte?
Der Aufsichtsrat – und damit auch die Arbeitnehmervertreter – muss von den Geschäftsleitern während der Restrukturierung regelmäßig und umfassend informiert werden. Dies gilt im Übrigen auch für den Wirtschaftsausschuss. Da es sich bei der Restrukturierung häufig um eine Betriebsänderung handelt, nimmt der Betriebsrat auch alle sich daraus ergebenden Mitbestimmungsrechte wahr.
Was bedeutet das für die Anforderungen zur Risikofrüherkennung und eines Krisenmanagements eines Arbeitnehmervertreters im Aufsichtsrat? Und wie steht es um die Haftung?
Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat müssen überwachen, ob die Geschäftsleiter ein funktionierendes Risikoerkennungssystem installieren und ob sie auch die geeigneten Maßnahmen des Krisenmanagements ergreifen. Dazu können etwa die Sicherstellung der Liquidität, die Schaffung logistischer Voraussetzungen für die Unternehmensfortführung oder die Vorbereitung eines vorläufigen Sanierungs-Businessplans zählen. Üben die Arbeitnehmervertreter dagegen ihre Überwachungsaufgabe nicht ordnungsgemäß aus, können sie dafür auch haftungsrechtlich in Anspruch genommen werden.
Das StaRUG hat den Zweck, den nachhaltigen Bestand von Unternehmen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, zu sichern.
Der Fall Wirecard hat ja gezeigt, dass es ganz offenbar strukturelle Lücken gibt, die Finanzskandale zur Folge haben können – trotz Aufsichtsrat. Hilft das StaRUG hier?
Das StaRUG hat den Zweck, den nachhaltigen Bestand von Unternehmen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, durch eine vorinsolvenzliche Sanierung zu sichern. Bei Wirecard ging es im weitesten Sinne um Bilanzfälschungen, mit denen der Kapitalmarkt beeinflusst werden sollte. Solche Bilanz- und Marktmanipulationen werden durch das StaRUG auch zukünftig nicht verhindert.
Stichwort Perspektivwechsel: Inwieweit hilft es, sich statt auf Fehler der Vergangenheit auf die Interessen und die Sicherung in der Zukunft zu fokussieren?
Dies ist sicher genau der richtige Ansatz. Nur wenn alle Gläubiger die Weiterexistenz des betreffenden Unternehmens vor Augen haben und sich nicht als Richter für vergangene Fehler begreifen, kann die Restrukturierung im Interesse aller gelingen. (CB)