Geschlechterquote: Betriebsräte kennen sie, auch bei Aufsichtsräten ist sie wohlbekannt. Nur in Vorständen war früher davon keine Rede. Das ist seit dem 12. August 2021 anders: Nun gilt in der Privatwirtschaft ein Mindestbeteiligungsgebot für große Vorstände. So soll der Anteil von Frauen an Führungspositionen weiter gesteigert werden.
Das bedeutet für die Praxis: Besteht der Vorstand eines börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Unternehmens aus mehr als drei Mitgliedern, so muss er künftig mit mindestens einer Frau und mindestens einem Mann besetzt sein. Eine Bestellung (…) unter Verstoß gegen dieses Beteiligungsgebot ist nichtig.
Das Mindestbeteiligungsgebot für den Vorstand gilt bei Bestellungen, die ab dem 1. August 2022 erfolgen. Wann in den jeweiligen Unternehmen die Besetzung eines Vorstandspostens ansteht, ist eine Frage des Einzelfalls. Bestehende Mandate können bis zu ihrem vorgesehenen Ende wahrgenommen werden.
Auf den hinteren Rängen
Die traurigen Fakten: 2020 war in Börsenkonzernen nicht einmal jeder zehnte Vorstandsposten mit einer Frau besetzt. Das ergab eine Untersuchung der Boston Consulting Group unter den 100 größten börsennotierten Konzernen Deutschlands. Europaweit lag Deutschland beim Frauenanteil in Vorständen nur auf Platz 24 der 27 EU-Staaten.
Genug Kandidatinnen gibt es
An Kandidatinnen mangelte es nicht. Aber ohne Quote hätte es wohl noch 30 Jahre gedauert, bis sich die Geschlechterparität bis in die Vorstandsetagen etabliert hätte, so die Vermutung der Boston Consulting Group. Denn zwischen 2017 und 2020 war der Frauenanteil um gerade einmal 4 % gestiegen.
Zu Beginn des Jahres 2023 waren der Vorstand erst in drei Dax-Konzernen ausgewogen mit Frauen und Männern besetzt.
Was tut sich in den Vorstandsetagen?
Zu Beginn des Jahres 2023 waren der Vorstand erst in drei Dax-Konzernen ausgewogen mit Frauen und Männern besetzt. Acht Dax-Konzernen hatten noch keine Frau im Vorstand!
Woran das liegt? Das Gesetz gilt wegen einer Einschränkungen lediglich für 62 Unternehmen.
Der Druck wächst
Mit einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2022 soll eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften in der gesamten EU gefördert werden. Sie ist bis Mitte 2026 ins nationale Recht umzusetzen. Konkret stehen laut EU-Kommission zwei unterschiedliche Modelle zur Auswahl. Entweder können die Mitgliedstaaten beschließen, dass 40 Prozent der nichtgeschäftsführenden Mitglieder von Aufsichtsräten in börsennotierten Unternehmen mit Frauen besetzt werden. Oder aber in Vorstand und Aufsichtsrat sind durchschnittlich 33 Prozent Frauen vertreten.
Übrigens: Seit Oktober 2020 sind 13 von 27 Kommissionsmitgliedern Frauen. Die Kommission ist ferner bestrebt, bis Ende 2024 auf allen Managementebenen eine Geschlechterparität (50 Prozent) zu erreichen. (cbo)