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Ausgliederung: „Entweder man geht – oder engagiert sich im Betriebsrat“

Schwimmmeister Thomas Gittel über Fachkräftemangel, Problembesucher und den Konzernbetriebsrat

Der Paukenschlag kam im Jahr 2010 mit der Ankündigung, dass die Schwimmbäder der Stadt Halle ausgegliedert werden sollten. Schwimmmeister Thomas Gittel ahnte, dass der „Wind künftig rauer wehen wird“. Kurzerhand initiiert er mit Kollegen die Wahl eines Betriebsrats. Warum? „Ich hasse Ungerechtigkeiten!“ In 14 Jahren konnte der Bäder-Betriebsrat schon Vieles erreichen, etwa bei der Jahresarbeitszeit oder der Pausenregelung. Aber: Noch immer gibt es Herausforderungen, wie die zwei unterschiedlichen Tarifverträge, die im Betrieb gelten. Oder der über alles schwebende Fachkräftemangel. Was bedeutet das für das Gremium und ihn selbst, der mittlerweile auch Konzernbetriebsrat für insgesamt rund 3.000 Mitarbeiter ist?

Stand:  2.4.2024
Lesezeit:  04:15 min
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Ausgliederung: „Entweder man geht – oder engagiert sich im Betriebsrat“ | © AdobeStock | herculaneum79
BRV Thomas Gittel | © Thomas Gittel

Thomas Gittel

Thomas Gittel hat Anfang des Jahrtausends seine Ausbildung zur Fachkraft für Bäderbetriebe bei der Stadt Halle absolviert. Nach einigen befristeten Anstellungen wurde der einst leidenschaftliche Sporttaucher 2008 festangestellt. 2010 erfolgte der Übergang von der Stadt in die Bäder Halle GmbH und den Stadtwerkekonzern. Im gleichen Jahr wurde bei den Bäderbetrieben ein Betriebsrat gegründet, in den Thomas zunächst als Ersatzmitglied gewählt wird. Seit 2018 ist er Betriebsratsvorsitzender des fünfköpfigen Gremiums, seit 2018 gehört er dem Konzernbetriebsrat an, seit 2022 sitzt er zudem im Konzernbetriebsausschuss.

Thomas, Schwimmbäder stehen in Deutschland vor großen Schwierigkeiten – Stichwort: Energiekrise und Fachkräftemangel. Das wird bei Euch nicht anders sein, oder? 

Thomas Gittel: Wir haben das Glück, dass die Stadt Halle nicht ganz so klein ist. Wir betreiben zwei Freibäder, drei Schwimmhallen und eine weitere als Dienstleister. Also bekommen wir das noch hin. Aber das Personalthema ist schon schwierig – aus unterschiedlichsten Gründen. Bis dato haben wir es allerdings immer ganz gut geschafft, die Saison durchzuplanen.

Was macht Ihr als Betriebsrat gegen den Fachkräftemangel? 

Thomas Gittel: Wir sind nah an den Azubis dran. Und versuchen, die Gründe herauszufinden, sollte jemand hinschmeißen oder nach der Ausbildung nicht weitermachen. Denn der Beruf ist wirklich breit gefächert: Von der normalen Aufsicht und den Kursen über Wasserproben, Kasse, ein bisschen Marketing bis zur Technik sowie Elektrik.

Bei Euch schließt vorübergehend eine von drei Schwimmhallen wegen Renovierung. Habt Ihr Sorgen, die Mitarbeiter dauerhaft zu verlieren?

Thomas Gittel: Das ist ein großes Problem. In unserer Branche werden Leute häufig befristet eingestellt. Und jetzt geht es um zehn, elf Leute, die wir möglichst alle mitnehmen möchten. Es wird ja immer schwieriger, Mitarbeiter zu finden, da wäre es fatal, diese zu verlieren. Daher sitzen wir schon seit Ende letzten Jahres am Tisch und haben einige Ideen, was man machen könnte: Flexible Arbeitszeiten, Konzernarbeitnehmerüberlassung oder Urlaubszeitkonten.

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Ein großes Thema sind die Pausen, weil es leider immer noch oft üblich ist, dass Mitarbeiter auf Pausen verzichten.

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Der Fachkräftemangel ist sicher nicht der einzige Punkt auf Eurer Agenda. 

Thomas Gittel: Ganz und gar nicht. Ein wichtiges Thema bei uns ist stets die Dienstplangestaltung. Wir prüfen, dass das alles fair ist, und nehmen das sehr ernst. Ein großes Thema sind die Pausen, weil es leider immer noch oft üblich ist, dass Mitarbeiter auf Pausen verzichten. Das war für uns ein hartes Brett, aber wir haben das ganz gut hinbekommen – auch, wenn das Aufwand und Kosten für den Arbeitgeber bedeuten. Ansonsten wäre da das übliche Tagesgeschäft mit Betriebsvereinbarungen, Anhörungen bei Einstellungen oder der erfolgsabhängigen Vergütung. Und dann gibt es da bei uns noch eine besondere Herausforderung … 

… welche Herausforderung meinst Du? 

Thomas Gittel: Bei uns gelten zwei Tarifverträge. Bis 2010 waren wir Teil der Stadt im Bereich Sport. Dann wurden wir wegen der angespannten Haushaltslage in eine GmbH ausgegliedert als Tochterunternehmen der Stadtwerke. Das Personal, das mitgenommen wurde, hat den alten, besseren, Tarifvertrag behalten. Die, die neu eingestellt wurden, bekamen den Haustarifvertrag. Da haben wir über die Tarifkommission lange daran gearbeitet, dass das zumindest beim Einstiegsgehalt angeglichen wird.

Passenderweise engagierst Du Dich seit 2010 im Betriebsrat.

Thomas Gittel: Als der Betrieb in die GmbH überging, gab es natürlich Aufregung. Deshalb haben wir schon früh entschieden, einen Betriebsrat zu gründen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt die Befürchtung, dass künftig ein anderer Wind weht. Eben, weil die Mitarbeiter, die neu dazukommen, auf einem anderen Niveau bezahlt werden. Diese Ungerechtigkeiten haben mich gestört. Und entweder man geht dann oder engagiert sich im Betriebsrat und ändert so etwas daran.

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Die Arbeit der letzten Jahre trägt Früchte und das motiviert natürlich.

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Bist Du mit der Entwicklung rund um Euer Gremium zufrieden? 

Thomas Gittel: Man merkt langsam die Verbesserung. Die Arbeit der letzten Jahre trägt Früchte und das motiviert natürlich. Wir hatten 2018 konzernweit eine Mitarbeiterbefragung und letztes Jahr erneut: Da sind massive Verbesserungen erkennen, sowohl bei der Teilnahme als auch bei den Ergebnissen. Und selbst, wenn es mit der Geschäftsführung mal schwierig ist, ist ein Umdenken erkennbar.

Zu den positiven Aspekten: Was konntet Ihr für die Bäder Halle GmbH schon erfolgreich umsetzen? 

Thomas Gittel: Zum Beispiel haben wir die Betriebsvereinbarung zur Jahresarbeitszeit überarbeitet, was bis zum Abschluss lange gedauert hat. Bis dahin war die Regelung zum Nachteil der Mitarbeiter, es ging um den Ausschluss von Mehrarbeitsstunden. Das konnten wir viel besser darstellen, was bei den Mitarbeitern verständlicherweise sehr gut ankommt. Auch Zuschüsse zur Bekleidung oder dem Schuhwerk konnten wir aushandeln. Und natürlich konnten wir im Konzernbetriebsrat schon einiges bewegen.

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Das Schwierigste sind die vielen unterschiedlichen Branchen. Ich bin ja einer von 22 Konzernbetriebsräten aus elf Unternehmen.

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Du sprichst es an: Mittlerweile bist Du nicht nur Betriebsratsvorsitzender bei den Bäderbetrieben, sondern Konzernbetriebsrat für insgesamt rund 3.000 Mitarbeiter. Eine anspruchsvolle Aufgabe? 

Thomas Gittel: Das Schwierigste sind die vielen unterschiedlichen Branchen. Ich bin ja einer von 22 Konzernbetriebsräten aus elf Unternehmen. Zu uns gehört beispielsweise ein IT-Dienstleister, was jetzt nicht so unsere Welt ist. Daher gibt es ganz unterschiedliche Lohnverhältnisse im Konzern.

Was gefällt Dir wiederum an der Tätigkeit als Konzernbetriebsrat? 

Thomas Gittel: Der große Vorteil ist, dass man hautnah miterlebt, wie es in anderen Betrieben läuft. Außerdem bin ich in einer Arbeitsgruppe, in der wir uns mit dem Thema Weiterbildung beschäftigen. Darüber hinaus versuchen wir, bei den Benefits noch bisschen was rauszuholen. Generell bin ich sowohl überzeugter Einzel- als auch Konzernbetriebsrat.

Anderes Thema: Im letzten Jahr waren Randale in Freibädern – etwa in Köln oder Berlin – in den Schlagzeilen. Ist so etwas bei Euch ein Problem? 

Thomas Gittel: Das sind natürlich unschöne Situationen. Bei uns ist es bei weitem nicht so dramatisch. Aber auch wir merken, dass der Ton in der Gesellschaft rauer wird. Und das spiegelt sich im Freibad, wo alle Schichten aufeinanderprallen, wider. Wenn es Gäste gibt, die sich nicht an die Regeln halten, begleiten wir die nach draußen. Dazu haben wir schon mit Security-Unternehmen zusammengearbeitet. Unsere Hauptaufgabe bleibt jedoch, das Wasser zu beaufsichtigen. (tis) 

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