Liebe Nutzer,
für ein optimales und schnelleres Benutzererlebnis wird als Alternative zum von Ihnen verwendeten Internet Explorer der Browser Microsoft Edge empfohlen. Microsoft stellt den Support für den Internet Explorer aus Sicherheitsgründen zum 15. Juni 2022 ein. Für weitere Informationen können Sie sich auf der Seite von -> Microsoft informieren.
Liebe Grüße,
Ihr ifb-Team
Ist eine Kirchengemeinde berechtigt, einen langjährigen Kirchenmusiker außerordentlichen zu kündigen, wenn dieser unentschuldigt eine Trauerfeier verpasst? Muss die Kirchengemeinde das Verhalten vor Ausspruch der Kündigung abmahnen, wenn das Arbeitsverhältnis bereits mit mehreren Abmahnungen vorbelastet ist? Mit diesen Fragen musste sich das Arbeitsgericht Lübeck auseinandersetzen.
ArbG Lübeck, Urteil vom 15.06.2023, 1 Ca 323 öD/23
Der Arbeitnehmer ist als Kirchenmusiker seit dem Jahr 1996 bei einer Kirchengemeinde beschäftigt. Im Dezember 2022 wurde er gebeten, die musikalische Begleitung einer vier Tage später stattfindenden Trauerfeier zu übernehmen. Dazu erteilte er dem Gemeindebüro eine verbindliche Zusage. Noch am selben Tag hinterließ der zuständige Pastor die für die Feier vorgesehene Liederauswahl auf dem Anrufbeantworter des Arbeitnehmers. Zu der Trauerfeier erschien der Arbeitnehmer aber nicht. Er war an diesem Tag weder für das Bestattungsunternehmen noch den Pastor telefonisch erreichbar. Auch einer Bitte des Pastors um Rückruf kam er nicht nach.
Erst drei Tage nach der Trauerfeier entschuldigte er sich per E-Mail schriftlich für sein Fernbleiben und führte dieses auf seinen seit Tagen anhaltenden Dauereinsatz für ein von ihm organisiertes Kindermusical zurück. Die Vorbereitungen hätte er bei der Zusage schlicht vergessen.
Die Kirchengemeinde ging von einem vorsätzlichen Fernbleiben aus und erklärte die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. . Im Laufe des Jahres 2022 wurde er aus anderweitigen Gründen bereits dreimal abgemahnt. Mit seiner Klage wendet sich der Arbeitnehmer gegen die Kündigung.
Die außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers ist unwirksam, so das Gericht.
Die Kirchengemeinde sei aufgrund des unentschuldigten Fernbleibens nicht berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen, da sie ein vorsätzliches Verhalten des Arbeitnehmers nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen konnte.
Das fahrlässige unentschuldigte Fernbleiben, die fehlende Erreichbarkeit sowie das Verhalten des Arbeitnehmers im Nachgang an die Trauerfeier, insbesondere der unterbliebene Rückruf und die verspätete Entschuldigung, seien schwerwiegende vertragliche Pflichtverletzungen. Die Kirchengemeinde dürfe dennoch keine außerordentliche Kündigung aussprechen, da es an einer vorhergehenden thematisch einschlägigen Abmahnung fehle. Sie könne sich nicht auf eine der drei Abmahnungen beziehen, die sie gegenüber dem Arbeitnehmer im Jahr 2022 ausgesprochen habe. Diese Abmahnungen bezogen sich nach Auffassung des Gerichts inhaltlich gerade nicht auf ein „Vergessen der Aufnahme der Arbeitspflicht“, sondern hätten andere Themen zum Gegenstand gehabt.
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der Abmahnung im Rahmen einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung. Eine vertragliche Pflichtverletzung berechtigt den Arbeitgeber grundsätzlich nur dann zu einer außerordentlichen Kündigung, wenn er dem Arbeitnehmer gegenüber in der Vergangenheit bereits eine thematisch einschlägige Abmahnung ausgesprochen hat. Durch die Abmahnung soll sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten in Zukunft ändert. Die Abmahnung muss daher eine Hinweis- und Warnfunktion erfüllen. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer auf seine konkrete Pflichtverletzung hinweisen und eine Kündigung für den Fall androhen, sollte er sich noch einmal auf dieselbe Art und Weise verhalten. In Ausnahmefällen bedarf es keiner vorherigen Abmahnung. Zum einen kann sofort außerordentlich gekündigt werden, wenn bereits im Vorhinein erkennbar ist, dass mit einer Verhaltensänderung des Arbeitnehmers auch in Zukunft trotz einer Abmahnung nicht zu rechnen ist. Zum anderen, wenn es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass selbst die erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich ausgeschlossen ist.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Autorin: Melanie Wagner