Liebe Nutzer,

für ein optimales und schnelleres Benutzererlebnis wird als Alternative zum von Ihnen verwendeten Internet Explorer der Browser Microsoft Edge empfohlen. Microsoft stellt den Support für den Internet Explorer aus Sicherheitsgründen zum 15. Juni 2022 ein. Für weitere Informationen können Sie sich auf der Seite von -> Microsoft informieren.

Liebe Grüße,
Ihr ifb-Team

Doch nicht so pfiffig: Keine Entschädigung wegen Diskriminierung bei rechtsmissbräuchlicher Bewerbung

Die Parteien stritten über einen Entschädigungsanspruch des Klägers nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

LAG Hamm, Urteil vom 23.08.2023, 9 Sa 538/22

Stand:  27.11.2023
Teilen: 

Das ist passiert

Die Beklagte schaltete auf Ebay-Kleinanzeigen eine Stellenanzeige, mit der sie wörtlich „eine pfiffige Büromanagerin/Sekretärin“ suchte. Der Kläger hielt sich für pfiffig und bewarb sich. In seinem Anschreiben stellte er die Frage: „Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau?“ Darauf antwortete die Beklagte mit den Worten „wie von Ihnen bereits angesprochen, möchten wir die Stelle ausschließlich mit einer Frau besetzen“ und sagte dem Bewerber ab. Der verlangte daraufhin eine Entschädigungszahlung wegen Diskriminierung und erhob schließlich Klage. Die Beklagte lehnte die Forderung ab und begründete dies damit, bei der Bewerbung des Klägers habe es sich bloß um eine „Scheinbewerbung“ gehandelt.

Das entschied das Gericht

Das Gericht wies die Zahlungsklage ab. Zwar war die Stellenausschreibung der Beklagten ein klarer Verstoß gegen das Diskriminierungs- und Benachteiligungsverbot des AGG. Der Kläger könne aber dennoch keine Entschädigung verlangen, weil seine Bewerbung rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Er habe gar nicht die Absicht gehabt, die Stelle anzunehmen und habe sich nur deshalb beworben, um eine Absage zu provozieren, die es ihm ermögliche, Schadensersatz zu verlangen. Dies ergebe sich aus der Gesamtwürdigung aller Umstände des vorliegenden Falles. So habe der Kläger in besonders auffälliger Weise in seinem Anschreiben den Kontrast zwischen der Ausschreibung für eine Frau und seinem Geschlecht als Mann betont. Deutlich wurde dies u.a. bei der unüblichen Grußformel „mit freundlichen Grüßen, Herr A.“ Dafür, dass es der Bewerber nicht wirklich ernst gemeint haben könne mit seiner Bewerbung sprächen noch eine Reihe weiterer Indizien. So fehlten der angeblichen Bewerbung jegliche konkreten Hinweise oder Belege auf die Eignung des Klägers für die ausgeschriebene Stelle, es war auch kein Lebenslauf beigefügt. Der kurze Bewerbungstext des Klägers enthielt eine Reihe von Grammatik- und Rechtschreibfehlern – bei einer Bewerbung auf die Stelle einer Sekretärin (!) – und das, obwohl sich der Kläger im Prozess selbst vertrat und dort mit umfangreichen, durchaus korrekten Schriftsätzen aufwartete. Dies belege die mangelnde Sorgfalt des Klägers bei seiner Bewerbung. Der insgesamt oberflächlich gehaltene Text des Bewerbungsschreibens kreise um die zentrale Frage, ob die Beklagte alleine eine weibliche Kraft suche – um damit die Begründung für die Absage gewissermaßen auf dem Silbertablett zu präsentieren. Im Ergebnis kam daher auch das Gericht zu dem Schluss, dass es sich nur um eine Scheinbewerbung gehandelt hat.

Bedeutung für die Praxis

Mit ihrer nicht geschlechtsneutralen Stellenausschreibung ist die Beklagte auf die Nase gefallen. Zwar konnte sie die Entschädigungsforderung in zweiter Instanz erfolgreich abwehren. Die Kosten für die erstinstanzliche Rechtsverteidigung bleiben aber dennoch bei ihr hängen, weil es vor dem Arbeitsgericht in erster Instanz keine Kostenerstattung gibt. Ganz abgesehen davon, dass es für jedes Unternehmen sicher besseres zu tun gibt, als sich mit solchen Schlaumeiern herumzustreiten. Das Ganze wäre vielleicht zu verhindern gewesen, hätte es einen Betriebsrat gegeben. Der hat zwar bezüglich Inhalt, Form und Frist einer Ausschreibung sowie deren Bekanntmachung kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht. Aber im Rahmen der Einstellung besitzt er die Macht, die erforderliche Zustimmung aufgrund von § 99 BetrVG zu verweigern, wenn die Stellenausschreibung gegen das Diskriminierungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstößt. Daher wird sich ein Arbeitgeber mit Betriebsrat dreimal überlegen, ob er eine solche Ausschreibung riskiert.

Nachtrag

Wie kurzfristig bekannt wurde, hat der Kläger nicht nur in Nordrhein-Westfalen gewirkt. Einer aktuellen Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 06.09.2023 – 4 Sa 900/22 - liegt nahezu ein inhaltsgleicher Sachverhalt desselben Klägers vor, nur in Berlin. Dabei hat das dortige LAG bereits zum zweiten Mal in einem ähnlich gelagerten Verfahren desselben Klägers entschieden. Wie dort festgestellt wurde, hat der Kläger allein beim Arbeitsgericht Berlin binnen 15 Monaten elf Klagen über Entschädigung wegen Geschlechterdiskriminierung durch Ausschreibung von Stellen als „Sekretärin“ anhängig gemacht. (mb)
 

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Seminarvorschlag