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Schwerbehinderte Menschen haben nach § 81 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX einen einklagbaren Anspruch auf behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitszeit, soweit dessen Erfüllung für den Arbeitgeber nicht unzumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist. Hieraus kann sich die Pflicht des Arbeitgebers ergeben, einen schwerbehinderten Arbeitnehmer nicht zur Nachtarbeit einzuteilen.
Landesarbeitsgericht Mainz, Urteil vom 23.02.2005 - 4 Sa 900/04 (wie schon Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.12.2002 – 9 AZR 462/01)
Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 schloss 1995 einen Arbeitsvertrag über die Tätigkeit als Maschinenbediener. Darin war ausdrücklich die Verpflichtung zur regelmäßigen Beschäftigung in Form der Wechselschicht vereinbart.
Im Jahr 1996 wurde die Behinderung des Arbeitnehmers auf einen GdB von 70 und 1998 auf einen GdB von 80 festgestellt. Er leidet unter Bluthochdruck und hat nur noch eine Niere.
Seit Juni 2001 wurde der Schwerbehinderte aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen über einen längeren Zeitraum nicht zur Nachtarbeit eingesetzt. Denn er legte seiner Arbeitgeberin von 2001 bis 2004 verschiedene ärztliche Atteste vor, wonach er aufgrund seiner Erkrankungen aus medizinischer Sicht keine wechselnde Nachtschicht mehr verrichten kann. Das Attest verwies auf den Grad der Schwerbehinderung von 80.
Dann jedoch wollte die Arbeitgeberin bei der Schichteinteilung keine Ausnahmen mehr machen und beharrte auf dem Einsatz des schwerbehinderten Arbeitnehmers auch in der Nachtschicht.
Der Betroffene setzte sich dagegen zur Wehr und zog vor Gericht. Er argumentierte, er sei aus gesundheitlichen Gründen zur Ableistung von Nachtschicht nicht in der Lage. Wegen seines Bluthochdrucks sei er medikamentös eingestellt worden. Bei einer Beschäftigung in der Nachtschicht im Wechsel müsse die Medikamentenabgabe alle zwei Wochen umgestellt werden, was sein Gesundheitszustand nicht zulasse. Er müsse eine weitere Schädigung der verbleibenden Niere befürchten.
Die Arbeitgeberin berief sich auf die ausdrückliche Vereinbarung der Wechselschichten im Arbeitsvertrag. Deshalb sei der Arbeitnehmer ihrer Meinung nach auch unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes zur Nachtschicht verpflichtet. Zudem sei ihr nicht bekannt, dass bei einer Tätigkeit in der Nachtschicht die Niere in einem höheren Maße geschädigt werde, als dies bei einer Arbeit tagsüber der Fall sei. Die vorgelegten Atteste stellten lediglich die durch einen Arzt aufgestellte Behauptung dar, der Kläger könne oder solle nicht im Nachtschichtbetrieb arbeiten. Irgendeine Erklärung, weswegen dies der Fall sei, werde nicht gegeben. Überdies könne der Arbeitnehmer nicht in Bereichen eingesetzt werden, in denen von der Betriebsorganisation her keine Nachtschichten anfielen.
Vor Gericht bekam der Arbeitnehmer Recht. Er ist nicht verpflichtet, Nachtschicht zu leisten.
Dies ergibt sich in diesem Fall schon allein daraus, dass er aufgrund seiner Schwerbehinderung besonderen Schutz genießt. Schwerbehinderte Menschen haben nach § 81 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX einen einklagbaren Anspruch auf behindertengerechte Gestaltung der Arbeitszeit, soweit dessen Erfüllung für den Arbeitgeber nicht unzumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist. Hieraus kann sich die Pflicht des Arbeitgebers ergeben, einen schwerbehinderten Arbeitnehmer nicht zur Nachtarbeit einzuteilen (so schon das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 03.12.2002 – 9 AZR 462/01).
Dieser Anspruch setzt für den Betroffenen voraus, dass seine Behinderung eine Arbeitszeit erfordert, die Nachtarbeit ausschließt.
Diese Voraussetzung war hier gegeben. Denn alle Atteste haben den gleichen Aussagewert, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen, die mit seiner Schwerbehinderung im Zusammenhang stehen, nicht in der Lage ist, Nacht- und Wechselschicht zu leisten.
Anerkanntermaßen wird bei einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung davon ausgegangen, dass die attestierte Erkrankung richtig ist. Um dies zu widerlegen, hätte die Arbeitgeberin Tatsachen vorbringen müssen, welche Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Feststellungen gebieten. Dies konnte sie jedoch nicht.
Zudem hat die Arbeitgeberin keine ausreichenden Umstände dargetan, wonach ihr die Nichteinteilung des Arbeitnehmers in Nachtschicht unzumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre.
Auf den Inhalt des Arbeitsvertrages kann sich die Arbeitgeberin nicht berufen. Die Rechtsansprüche aus den Schutzvorschriften zu Gunsten der schwerbehinderten Menschen gehen der vertraglichen Vereinbarung vor.
Auf die Befreiung von der Nachtarbeit können schwerbehinderte Arbeitnehmer einen einklagbaren Anspruch haben. Dazu muss gerade ihre Behinderung eine Arbeitszeit ohne Nachtarbeit erfordern.
Ablehnen kann der Arbeitgeber diesen Anspruch nur, wenn er konkret darlegen kann, warum die Erfüllung dieses Anspruchs für ihn unzumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist. Nicht ausreichend hierfür ist das Argument, alle Mitarbeiter bei der Schichteinteilung ohne Ausnahme gleich behandeln zu wollen. Auch genügt es nicht, dass die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus dem Wechselschichtbetrieb zu einer überproportionalen Belastung anderer Kollegen führt.