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Werkstattbeschäftigte sind bei der Wahl der Schwerbehindertenvertretung wahlberechtigt

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass schwerbehinderte Menschen, die in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) arbeiten (sog. Werkstattbeschäftigte), bei der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung wahlberechtigt sind.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23.10.2024, 7 ABR 36/23

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Redaktion
Stand:  2.6.2025
Lesezeit:  01:30 min
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Das ist passiert

Im vorliegenden Fall sind zwischen 200 und 300 Menschen mit Behinderung in den unterschiedlichsten Bereichen der Werkstatt beschäftigt, ca. 150 von ihnen haben eine anerkannte Schwerbehinderung. Bei der letzten ordentlichen SBV-Wahl 2022 waren diese nicht in der Wählerliste aufgeführt worden. Drei wahlberechtigte schwerbehinderte Arbeitnehmer hatten daraufhin die Wahl angefochten, weil die Werkstattbeschäftigten nicht auf der Wählerliste aufgeführt waren und somit nicht an der Wahl teilnehmen konnten. Das BAG wies wie die Vorinstanzen die Beschwerde des Arbeitgebers zurück. 

Das sagt das Gericht

Nach § 177 Abs. 2 SGB IX sind alle in dem Betrieb (oder der Dienststelle) „beschäftigten schwerbehinderten Menschen“ zu den Wahlen der Vertrauensperson und wenigstens eines stellvertretenden Mitglieds aktiv wahlberechtigt. Das schließt nach dem Zweck der Norm die schwerbehinderten Werkstattbeschäftigten ein. Die Norm knüpft nicht an den Arbeitnehmerbegriff des § 5 BetrVG an, sondern an den Begriff des „Beschäftigten“; darunter fallen auch Werkstattbeschäftigte. Diese werden auf der Grundlage einer Vereinbarung, eines sog. Werkstattvertrags, fremdbestimmt in persönlicher Abhängigkeit „beschäftigt“. Eine Beschäftigung setzt ein Arbeitsverhältnis nicht zwingend voraus. 

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil kann bei der nächsten SBV- Wahl 2026 für viele Werkstattbetriebe gravierende Folgen haben, da die Zahl der Wahlberechtigten u.U. deutlich über 100 steigen und damit Auswirkungen auf die Freistellungsmöglichkeiten einer SBV bzw. auf deren Heranziehungsmöglichkeiten haben wird (§ 179 Abs. 4 SGB IX, § 178 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). 

Wichtig! 

Voraussetzung für eine Wahlberechtigung der Werkstattbeschäftigten bleibt die anerkannte Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung nach § 2 Abs. 2,3 SGB IX. 

Ein passives Wahlrecht steht den Werkstattbeschäftigten nicht zu, da sie nicht für den Betriebs- bzw. Personalrat wählbar sind, § 177 Abs. 3 SGB IX (s.unten).

Können auch Menschen unter rechtlicher Betreuung wählen?  

Hier finden Sie eine Auflistung der Kriterien zur Ausübung des Wahlrechts bei Werkstattbeschäftigten/Heimbewohnern. Einschränkungen können sich für diejenigen Personen ergeben, die auch mit Unterstützung keine eigene willentliche Wahlentscheidung treffen können. 

In welchem Verhältnis steht die SBV zum Werkstattrat? 

Die Richter betonen, „dass Sinn und Zweck der Regelungen zur Schwerbehindertenvertretung für die Wahlberechtigung der schwerbehinderten Werkstattbeschäftigten sprechen“ würden:  Der Gesetzgeber beschränkt die Schwerbehindertenvertretung nicht auf die Interessenwahrung der schwerbehinderten Arbeitnehmer, sondern erstreckt sie auf die Vertretung der Interessen aller schwerbehinderten Menschen in dem Betrieb. Zu diesen gehören die Werkstattbeschäftigten. Aus Gründen demokratischer Legitimation ist es daher angezeigt, ihnen das aktive Wahlrecht zu dem Organ zuzuerkennen, das ihre besonderen Interessen als Schwerbehinderte wahrzunehmen hat.“ 

In dem künftigen „Nebeneinander“ von SBV und Werkstattrat und deren ggf. überschneidenden Aufgabenfeldern sieht das Gericht kein Problem: „Eine Repräsentanz der schwerbehinderten Werkstattbeschäftigten durch die Schwerbehindertenvertretung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil für diese Beschäftigtengruppe die Regelungen der §§ 219 ff. SGB IX (Werkstätten für behinderte Menschen) gelten“ und sie besondere Mitwirkungsrechte durch die Bildung von Werkstatträten haben (§ 222 Abs. 1 SGB IX).  Diese besondere Beteiligungsform ist dem Umstand geschuldet, dass Werkstattbeschäftigte nicht unter den „Schutz“ und Anwendungsbereich des BetrVG bzw. PersVG fallen und entsprechend auch nicht darüber repräsentiert werden. „Bei den Werkstatträten handelt es sich aber nicht um eine gegenüber der Schwerbehindertenvertretung speziellere und ausschließliche Interessenvertretung“, so die Richter. Vielmehr stehen diese gleichrangig nebeneinander.  

Aufgaben der SBV und des Werkstattrates 

Hier erläutern die Richter: „Werkstattrat und Schwerbehindertenvertretung vertreten die Interessen von Personengruppen, die sich nur zum Teil überschneiden: Der Werkstattrat vertritt nach § 222 Abs. 1 SGB IX die Interessen der behinderten Menschen im Arbeitsbereich (§ 58 SGB IX) unter Berücksichtigung der Interessen der im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich (§ 57 SGB IX) tätigen behinderten Menschen, solange für diese eine Vertretung nach § 52 SGB IX nicht besteht. Demgegenüber vertritt die Schwerbehindertenvertretung die individuellen und kollektiven Interessen sämtlicher schwerbehinderter und diesen gleichgestellten Menschen im Betrieb“.  

Es sei kein Grund ersichtlich, „warum die SBV nicht auch für schwerbehinderte Werkstattbeschäftigte die Durchführung der zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Vorschriften überwachen oder Anregungen und Beschwerden dieser Personengruppe entgegennehmen sollte.“  

Das Gericht verweist hier auf die Parallelen zu den vergleichbaren Aufgaben eines Betriebsrates im Zusammenhang mit schwerbehinderten Arbeitnehmern (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4, § 84 BetrVG).  

Kompetenzüberschneidungen und – konflikte sollen im Sinne des vertrauensvollen Zusammenarbeitsgebots nach § 8 Abs. 1 Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) gelöst werden, so die Richter in ihrer Urteilsbegründung. (gs) 

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