N26, gegründet 2013 in Berlin, hat sich in wenigen Jahren zu einer europaweit agierenden Onlinebank entwickelt. Mit einem appbasierten Konto und internationaler Ausrichtung verkörpert das Unternehmen sozusagen den digitalen Aufbruch. Doch hinter dem modernen Image brodelt es gewaltig. Im Zentrum des Konflikts: der Betriebsrat. Die Fronten zwischen Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretung waren schon immer verhärtet, aktuell steht sogar ein Verfahren zur Auflösung des Betriebsratsgremiums an.
Erster Versuch zur Mitbestimmung scheiterte fast
Im Jahr 2020 wollten Beschäftigte mit der Unterstützung von Gewerkschaften erstmals einen Betriebsrat gründen. Die Reaktion des Managements fiel damals deutlich aus: Wie mehrere Medien übereinstimmend berichteten, versuchte man, die Wahl unter dem Verweis auf pandemiebedingte Infektionsschutzmaßnahmen gerichtlich zu stoppen (wir hatten berichtet). Doch interne Mails deuteten auf eine grundsätzliche Ablehnung von Betriebsratsstrukturen hin. Ein Betriebsrat sei „nicht vereinbar mit den Werten von N26“, hieß es in einem Schreiben der Unternehmensführung, das unter anderem „Zeit online“ vorlag. Arbeitnehmervertretungen wurden als Hindernis für schnelle Entscheidungen und als Grund für hierarchischere Strukturen verstanden. Trotz dieser Haltung fanden noch im selben Jahr Wahlen statt – sowohl für die N26 GmbH als auch für die Operations-Tochter.
Betriebsrat mit konkreten Verbesserungen
In den vergangenen Jahren konnte der N26-Betriebsrat bereits einiges erreichen (vgl. „Finance Forward“): So wurden unter anderem Gehaltsunterschiede angegangen, transparente Prozesse etabliert und Mitspracherechte bei organisatorischen Entscheidungen durchgesetzt. Auch angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten im Fintech-Sektor fühlten sich viele Beschäftigte durch die Arbeitnehmervertretung besser abgesichert.
Und dennoch spitzen sich die Konflikte zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat erneut zu. Im Zentrum sollen derzeit laut „WirtschaftsWoche“ neue Regelungen zum Home-Office, der Umgang mit Überstunden sowie der Vorwurf übermäßiger Kontrolle stehen. Viele Mitarbeiter, so die Kritik, seien durch die veränderten Regeln überlastet und hätten lange Pendelzeiten. Besonders kritisch bewertet der Betriebsrat nicht nur die Maßnahmen an sich, sondern die Art ihrer Durchsetzung. Der Verdacht: N26 könnte mittels sogenanntem „Badge-Tracking“ die Anwesenheit im Büro überwachen – also durch das Auslesen der Mitarbeiterausweise prüfen, wer wann im Büro war. N26 hat in den Zusammenhang auf ein rechtlich konformes Zugangskontrollmanagement hingewiesen und betonte, die Regelungen seien mit dem Ziel eingeführt worden, eine effektive Teamdynamik zu fördern.
Wie das Landesarbeitsgericht Berlin bestätigte, hat N26 nun ein Verfahren eingeleitet, um den Betriebsrat der Kundenservice-Tochter auflösen zu lassen – oder zumindest dessen Vorsitzenden abzusetzen. Warum genau? Unklar! Ein Gütetermin im Mai blieb ohne Einigung, ein Anhörungstermin ist für Oktober 2025 angesetzt (Aktenzeichen 20 BV 2531/25).
Exemplarisch für viele junge Firmen?
Auf der einen Seite wollen Start-ups flexibel, schnell und ohne starre Hierarchien agieren. Auf der anderen Seite gilt auch für sie das deutsche Arbeitsrecht und damit das Recht auf Mitbestimmung – und das ist auch gut so! Wie viele Beispiele nämlich zeigen, haben gerade Firmen, bei denen die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Unternehmensführung konstruktiv abläuft, klare Vorteile. Sie vermitteln ein Gefühl der Stabilität, das in unsicheren Zeiten von unschätzbarem Wert ist, insbesondere mit Blick auf den Kampf um Arbeitnehmer.
In jedem Fall ist es ein beunruhigendes Signal, dass N26 nun die juristische Auflösung eines Betriebsrats anstrebt – allen voran für die eigenen Beschäftigten im Unternehmen. Denn wo rechtlich legitimierte Mitbestimmung als Störfaktor betrachtet wird, dürfte das Vertrauen in moderne, zukunftsfähige Unternehmenskulturen deutlich ins Wanken geraten. (tis)