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„Arbeitszeit ist wertvolle Lebenszeit!“

Positive Psychologie im Betriebsratsalltag – ein Interview mit dem Experten Norbert Heining

Betriebsräte profitieren von Positiver Psychologie! Und können dank dieser ganz unmittelbar für eine bessere Unternehmenskultur sorgen. Wie das gelingen kann, darüber haben wir mit Norbert Heining gesprochen. Außerdem erklärt der Diplom-Psychologe, Buchautor, Trainer, Berater und Speaker, welche konkreten Vorteile Unternehmen daraus ziehen. Und darüber hinaus, was Positive Psychologie eigentlich ist.

Stand:  8.8.2022
Lesezeit:  04:00 min
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Positive Psychologie im Betriebsratsalltag | Interview mit Norbert Heining  | © Adobe | sewcream
Norbert Heining | © Norbert Heining

Norbert Heining

Diplom-Psychologe

Norbert Heining ist bekannter Experte für Positive Psychologie sowie Positive Leadership und verfügt selbst über mehr als 20 Jahre Führungs- und Managementerfahrung sowohl in mittelständischen Unternehmen als auch innerhalb internationaler Konzerne (z.B. zehn Jahre Personalleiter bei Coca-Cola). Seit 2017 ist der Diplom-Psychologe und Buchautor („Glücksmomente“) selbstständig als Gesellschafter und Geschäftsleiter. Er unterstützt und begleitet Unternehmen unter anderem dabei, eine bessere Führung zu etablieren, wertschätzender mit Mitarbeitenden umzugehen und ganz allgemein eine positivere Unternehmenskultur zu entwickeln.

Herr Heining, was ist Positive Psychologie?

Norbert Heining: Positive Psychologie ist die Wissenschaft vom gelingenden Leben. Ganz salopp könnte man von „Glückswissenschaft“ sprechen, weil es darum geht, was uns glücklicher macht. Wobei dieser Begriff den Kern nicht optimal trifft. Es geht um unser individuelles Wohlbefinden und was zu unserer Lebenszufriedenheit und -freude beiträgt. Und darum, wie wir das Beste, was in uns steckt, ins Leben bringen und auf was es Auswirkungen hat, wenn wir Lebensfreude haben.

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Mich fasziniert nach wie vor, dass es nun eine Wissenschaft gibt, die mit harten Zahlen, Daten und Fakten fundierte Empfehlungen für unser Leben gibt.

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Das klingt spannend …

Norbert Heining: Vor allem ist diese Wissenschaft vergleichsweise jung. Erst seit gut 20 Jahren wird daran geforscht. Mich fasziniert nach wie vor, dass es nun eine Wissenschaft gibt, die mit harten Zahlen, Daten und Fakten fundierte Empfehlungen für unser Leben gibt. Übrigens hat die Forschung an amerikanischen Eliteuniversitäten begonnen und etabliert sich nach und nach rund um den Globus.

Wie kann die Positive Psychologie die Arbeitswelt weiterentwickeln?

Norbert Heining: Meine Lieblingsaussage dazu lautet: Arbeitszeit ist wertvolle Lebenszeit! Ich bin in vielen Unternehmen und spüre immer mehr den Wunsch von vielen Beschäftigten, die so arbeiten möchten, dass sie auch gerne in die Arbeit gehen. Dass sie dort Wertschätzung erfahren, als Mensch ganz wahrgenommen werden und ihre Potenziale entwickeln und leben dürfen. Ihre Arbeitszeit soll eine gute Lebenszeit sein. Gerade die jüngeren Generationen haben noch viel stärker diesen Anspruch. Die Arbeitswelt wandelt sich von einem Ort, wo man hingeht, um Geld zu verdienen, zu einem Ort, wo es darum geht, gerne das zu tun, was man gut kann, was für einen sinnvoll erscheint und an dem es möglich ist, seine Potenziale zu leben.

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Sie haben ein gelingendes Leben, wenn es Ihnen gelingt, das Leben zu leben, das Sie gerne möchten und Dinge zu machen, die Ihnen wichtig sind.

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Sie sprechen häufig von „gelingendem Arbeiten und Leben“: Was meinen Sie damit?

Norbert Heining: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit 75 Jahren bei bester Gesundheit im Schaukelstuhl an einem schattigen Plätzchen im Garten. Wenn Sie jetzt in aller Ruhe über das Leben nachdenken und zu dem zufriedenen Gefühl kommen, dass es – mit allen Höhen und Tiefen – bisher ein gutes Leben war, dann meint das „gelingendes Leben“. Sie können auch sagen, Sie haben ein gelingendes Leben, wenn es Ihnen gelingt, das Leben zu leben, das Sie gerne möchten und Dinge zu machen, die Ihnen wichtig sind.

Ganz konkret: Kann die Positive Psychologie Betriebsräte in ihrer Tätigkeit unterstützen?

Norbert Heining: Auf jeden Fall! Denn letztlich erforscht die Positive Psychologie die Möglichkeit, das eigene Leben weiter zu verbessern und auch, mit schwierigen Umständen besser umzugehen. Die US-amerikanische Psychologie-Professorin Barbara Fredrickson konnte in spannenden Experimenten zeigen, dass positive Emotionen zuvor provozierte Stressreaktionen viel schneller abklingen lassen. Sie spricht hier vom „Reset-Effekt“ positiver Emotionen. Und das hat ganz praktische Relevanz. Bei Betriebsräten, die ihr Amt und noch eine fordernde Stelle unter einen Hut bekommen müssen, helfen diese Erkenntnisse. Denn es ist sinnvoll, über den Tag ganz bewusst Wohlfühlpausen einzuplanen. Das kann die Tasse Kaffee sein. Das können Momente der Dankbarkeit sein oder ein kurzes Gespräch mit einer Kollegin, aus dem beide lachend gehen. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Wer mehr davon in seinen Alltag einbaut, der wird weniger stark unter Stress leiden.

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Wertschätzung führt zu Wertschöpfung.

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Umgekehrt: Was bringt die Positive Psychologie den Unternehmen?

Norbert Heining: Gerade in den letzten Jahren gab es sehr viel Forschung zu diesem Thema. Dabei zieht sich durch alle Studien, dass eine positive Führung und eine positive Unternehmenskultur den Unternehmen ganz entscheidende Vorteile bringen. Wenn Unternehmen sich hier verbessern, steigt deren Umsatz. Wertschätzung führt zu Wertschöpfung. Die Mitarbeitenden sind gesünder, empfinden weniger Stress, haben mehr Zutrauen in ihre Fähigkeiten, setzen sich höhere Ziele und erreichen diese auch. Die Motivation steigt und Leistungsträger können viel besser gehalten werden. Das Image des Arbeitgebers verbessert sich und gerade im umkämpften Bewerbermarkt ist dies ein entscheidendes Plus. Ich erlebe, dass diese Aspekte Unternehmern immer mehr bewusst werden. Allerding ist das ein langsamer Prozess.

Wie wichtig ist es, als Betriebsrat Grenzen zu setzen? Beispielsweise, dass Urlaub auch Urlaub bedeutet.

Norbert Heining:(lacht) Ich kenne das aus eigener Erfahrung, als ich damals in Kroatien am Strand mit einem Blackberry geschäftliche E-Mails gelesen habe. Ich habe weder abgeschaltet, noch war ich ganz bei meiner Familie. Gerade der Urlaub ist die große Chance, vom Kopf her ganz rauszukommen, neue Perspektiven einzunehmen und Energie zu tanken. Das gelingt aber nur, wenn man wirklich abschaltet. Also meine klare Empfehlung: Im Urlaub nichts von der Arbeit mitbekommen und das im Vorfeld auch so zu regeln. Meine Erfahrung ist, dass überall, wo das vermeintlich nicht funktioniert, die Arbeitsorganisation nicht passt.

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Letztlich können die Aspekte für ein gelingendes Leben allesamt in der Betriebsratsarbeit gefunden werden.

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Obwohl es Aufwand bedeutet: Warum ist es aus Ihrer Sicht dennoch erstrebenswert, sich als Betriebsrat zu engagieren?

Norbert Heining: Letztlich können die Aspekte für ein gelingendes Leben allesamt in der Betriebsratsarbeit gefunden werden. Es kann beispielsweise als sehr sinnvoll wahrgenommen werden, mit der eigenen Arbeit für ein besseres Miteinander im Betrieb zu sorgen oder die Interessen von Kollegen zu vertreten, die dies vielleicht allein nicht so könnten.

Wann würden Sie als Psychologe davon abraten, sich die Extra-Arbeit als Betriebsrat anzutun?

Norbert Heining: Generell leistet die Betriebsratsarbeit einen wichtigen Beitrag im Unternehmen und ist daher oft eine schöne Aufgabe. Allerdings bringt die Aufgabe auch Situationen mit sich, die belastend sein können oder bei denen es um schwierige Konflikte geht. Wenn mich solche Umstände schon im Alltag über lange Zeit beschäftigen und viele Nächte schlecht schlafen lassen, dann würde ich mich fragen, ob das Amt die richtige Wahl ist. Ähnliches gilt, wenn ich von mir weiß, dass ich nicht nein sagen kann und mit dem derzeitigen Aufgabenbereich schon überlastet bin.

Wie hängen Glück in der Arbeit und ein erfülltes Privatleben zusammen?

Norbert Heining: Obwohl wir oft zwischen Arbeit und Privat trennen, so sind wir ja doch Menschen und beide Welten bedingen sich. Forschungen zeigen, dass etwa ein gutes Führungsverhalten dazu führt, dass Mitarbeitende besser schlafen. Wer einen frustrierenden Arbeitsalltag hatte, wird nicht völlig entspannt zu Hause ankommen. Umgekehrt weiß man, die private Situation wirkt in die Arbeit hinein. So sind beispielsweise Menschen mit einem positiven Mindset beruflich erfolgreicher und erreichen besser ihre Ziele. Für mich gehört Arbeit genauso zum Leben wie private Zeit. Es lohnt sich, in beiden Bereichen so zu agieren, um später sagen können, dass es eine gute Zeit war. Und ich bin sehr froh, dass uns heute mit der Positiven Psychologie fundierte Empfehlungen zur Verfügung stehen. (tis)

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