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Thema Home-Office/Telearbeit: Wie flexibel werden wir in Zukunft arbeiten - auch hinsichtlich des Arbeitsortes? Ein Thema, das auch immer wieder die Gerichte beschäftigt. Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt (erneut) entschieden, dass die Beendigung von alternierender Telearbeit eine beteiligungspflichtige Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG darstellt.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20.10.2021, 7 ABR 34/20
Die Beteiligten streiten über einen Widerruf zur Telearbeit der Arbeitgeberin - der Betriebsrat hatte seine Zustimmung hierzu verweigert. Die Arbeitgeberin begehrt nun die gerichtliche Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung.
Im Betrieb der Arbeitgeberin gilt der “TV Telearbeit”, auf dessen Grundlage Telearbeit unter anderem in Form von alternierender Telearbeit möglich ist. Im Jahr 2007 vereinbarte die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin mit einer Mitarbeiterin, die sich zum damaligen Zeitpunkt in Elternzeit befand, die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes sowie die unbefristete Beschäftigung in alternierender Telearbeit. Nach Abschluss der Vereinbarung arbeitete die Mitarbeiterin überwiegend an ihrem häuslichen Arbeitsplatz und weniger an ihrer Regelarbeitsstätte.
Nach der Vereinbarung zwischen der Arbeitgeberin und der Mitarbeiterin konnte die Vereinbarung von beiden Seiten mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende ohne Angabe von Gründen widerrufen werden.
Im Zuge einer bundesweiten Betriebsänderung versetzte die Arbeitgeberin die Mitarbeiterin im Jahr 2016 mit Zustimmung des Betriebsrats bereits an einen anderen Standort. Zum 01.07.2019 wollte die Arbeitgeberin nun auch die Vereinbarung über die Telearbeit widerrufen und die Mitarbeiterin ausschließlich vor Ort einsetzen. Am 05.04.2019 leitete die Arbeitgeberin dem Betriebsrat zu Betriebsratssitzung am 24./25.04.2019 einen Antrag auf Zustimmung zu. Sie begründete ihren Antrag und den beabsichtigten Widerruf damit, dass die Betreuung des Kindes der Mitarbeiterin wegen Alters weggefallen sei und veränderte Aufgaben sowie die entstandene Mehrarbeit eine engere und kurzfristige Abstimmung im Team und eine Anwesenheit vor Ort erforderten.
Der Betriebsrat verweigerte form- und fristgerecht seine Zustimmung und berief sich hierbei auf die Zustimmungsverweigerungsgründe aus § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 4 BetrVG. Er argumentierte unter anderen damit, dass die Arbeitgeberin ihr Weisungsrecht aus § 106 GewO nicht ordnungsgemäß ausgeübt hätte. Die Arbeitgeberin leitete ein Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht ein.
Das Bundesarbeitsgericht hat – unter Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung - zum einen entschieden, dass die Beendigung von alternierender Telearbeit mit der Folge, dass die Mitarbeiterin wieder ausschließlich an der Betriebsstätte eingesetzt werden soll, eine beteiligungspflichtige Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG darstellt.
Zudem hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Normen, wie sie in § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG genannt sind, nur solche sind, deren Zweck darin besteht die personelle Maßnahme selbst zu verhindern. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Frage, ob die Arbeitgeberin mit dem Widerruf der Telearbeitsbefugnis auch arbeitsvertragliche Regelungen verletzt bzw. ihr Weisungsrecht nach § 106 Gewerbeordnung nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat, fällt nicht unter die Prüfungskompetenz des Betriebsrats und damit auch nicht unter § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.
Außerdem hat Gericht den Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG als eine Benachteiligung der Arbeitnehmerin, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person liegenden Gründen gerechtfertigt ist, verneint. Die Versetzung der im Fall betroffenen Arbeitnehmerin beruhte auf einer unternehmerischen Entscheidung, die nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern als vorgegebener betrieblicher Grund hinzunehmen ist. Zudem ging die unternehmerische Entscheidung der Betriebsänderung über die rein individuelle Veränderung des Einsatzortes der Arbeitnehmerin hinaus, und sie war, auch soweit sie die Versetzung der Arbeitnehmerin betrifft, organisatorisch durchführbar und plausibel.
Das Bundesarbeitsgericht hat vor diesem Hintergrund die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats durch die Vorinstanzen bestätigt.
Das Bundesarbeitsgericht hat hier nichts Neues entschieden. Die Entscheidung enthält aus unserer Sicht aber folgende wichtigen Erinnerungen:
1. Eine Form- und fristgerecht erklärte Zustimmungsverweigerung ist nicht auch gleichzeitig eine begründete Zustimmungsverweigerung.
2. Eine Zustimmungsverweigerung bei einer Versetzung auf Basis des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist nur dann begründet, wenn die Norm, auf die sich der Betriebsrat beruft den Zweck hat Versetzungen zu verhindern. Die etwaige Verletzung arbeitsvertraglicher Regelungen und Vorschriften stellt keinen Zustimmungsverweigerungsgrund dar.
3. Ebenso wie bei einer betriebsbedingten Kündigung ist die unternehmerische Entscheidung, aufgrund derer eine Versetzung erfolgt nur eingeschränkt überprüfbar. Entscheidend ist lediglich, dass die unternehmerische Entscheidung, auch auf Ebene der Einzelmaßnahme, organisatorisch durchführbar und plausibel ist. (jh)