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Ein Mitarbeiter nahm trotz Krankschreibung an Veranstaltungen seines Karnevalvereins teil. Sein Arbeitgeber bekam Wind von der Sache und kündigte. Ein „Ausgehverbot“ hatte der behandelnde Arzt dem Arbeitnehmer nicht auferlegt.
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 21.01.2025, 7 SLa 204/24
Die Parteien streiten über eine Kündigung. Ein Logistikmitarbeiter meldete sich zunächst vom 31.10. bis 04.11. und dann vom 02.01. bis 06.01. jeweils wegen eines akuten Atemwegsinfekts krank. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, sowohl am 04.11. als auch am 05.01. jeweils ein bis zwei Stunden an Veranstaltungen („Mobilmachungsappell“ und „Generalskorpsappell“) seines Karnevalvereins teilzunehmen. Der Arbeitgeber erfuhr davon und hörte den Arbeitnehmer an. Dieser äußerte sich nicht näher. Mit Schreiben vom 17.01. kündigte er außerordentlich, mit Schreiben vom 19.04. und 14.11 sprach er außerdem ordentliche Kündigungen aus, jeweils mit vorheriger Anhörung des Betriebsrats. Der Betriebsrat stimmte zu.
Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses erfolgte Seitens des Arbeitnehmers eine ausführliche Einlassung zu seiner Erkrankung und auch die Entbindung der Schweigepflicht seines Arztes. Am 04.11. seien die Symptome bis auf einen leichten Husten und Erschöpfung weg gewesen. Am 05.01. habe er die Veranstaltung besucht, um seine Belastungsfähigkeit zu testen. Bei beiden Veranstaltungen war klar, dass er nach ein bis zwei Stunden wieder gehen würde. Dies sei von der Belastung nicht mit einem Arbeitstag von ca. 8 Stunden zu vergleichen. Der behandelnde Arzt ließ sich auf Anfrage des Gerichts schriftlich ein und antwortete auszugsweise sinngemäß folgendermaßen: „Der Arbeitnehmer sei jeweils an einem akuten Atemwegsinfekt erkrankt. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Symptome jeweils zum Zeitpunkt der Veranstaltungen am Abklingen waren und durch die Teilnahme an den Veranstaltungen von einer Verzögerung der Genesung nicht auszugehen war.“ Der Arbeitgeber vertrat unter anderem die Auffassung, die Arbeitsunfähigkeit sei jeweils vorgetäuscht worden.
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Köln gaben dem Arbeitnehmer recht. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei zwar erschüttert, der behandelnde Arzt habe diese jedoch auf Anfrage des Gerichts bestätigt. Eine Darlegungs- und Beweislastumkehr zulasten des Arbeitnehmers liege nicht vor, da der Arbeitnehmer die Behauptungen des Arbeitgebers widerlegt habe. Ein ärztliches „Attest“ hat eine hohe Beweiskraft, entsprechend schwierig sei es für Arbeitgeber, diesen Beweis zu erschüttern. Der Beweiswert wäre beispielweise erschüttert, wenn der Arbeitnehmer wegen eines akuten Bandscheibenvorfalls arbeitsunfähig krankgeschrieben wäre, aber beim Tanzen auf der Karnevalsbühne gesichtet worden wäre, so das Gericht.
Die Kündigungen seien außerdem unwirksam, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt wurde, weil der Arbeitgeber diesem sowohl die Ausführungen des Arbeitnehmers als auch die des Arztes vorenthalten habe. Der Arbeitgeber dürfe dem Betriebsrat keine Umstände vorenthalten, insbesondere wenn diese den Arbeitnehmer entlasten.
Die Arbeitsunfähigkeit endete am letzten Tag der AU-Bescheinigung mit dem Ende der betriebsüblichen Arbeitszeit, sodass der Arbeitnehmer jedenfalls am 04.11. zum Zeitpunkt der Abendveranstaltung „Mobilmachungsappell“ bereits nicht mehr krankgeschrieben war.
Einmal mehr wird deutlich, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Kündigungsschutzprozess einen enorm hohen Beweiswert hat. Arbeitgeber müssen konkrete Anhaltspunkte liefern, um den Beweiswert zu erschüttern. Ärztliche Stellungnahmen tragen wesentlich zur Klärung bei und sollten bei Zweifeln eingeholt werden.
Nicht zu unterschätzen ist die Beteiligung des Betriebsrats. Der Inhalt der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 BetrVG muss den Betriebsrat in die Lage versetzen, sich eine umfassende Meinung bilden zu können. Wichtig: Die Beteiligung muss vollständige und ehrlich sein. Auch entlastende Informationen müssen mitgeteilt werden. Wenn sich Arbeitnehmer beispielsweise erst im Kündigungsschutzprozess näher äußern und/oder auch dann erst den Arzt von der Schweigepflicht entbinden, muss der Betriebsrat ggf. sogar nochmal angehört werden. Geschieht dies nicht, ist eine Kündigung bereits aus formellen Gründen unwirksam.
Trotzdem gilt: Über Freizeitaktivitäten während der Krankschreibung sollten Arbeitnehmer gut nachdenken! lg