Liebe Nutzer,
für ein optimales und schnelleres Benutzererlebnis wird als Alternative zum von Ihnen verwendeten Internet Explorer der Browser Microsoft Edge empfohlen. Microsoft stellt den Support für den Internet Explorer aus Sicherheitsgründen zum 15. Juni 2022 ein. Für weitere Informationen können Sie sich auf der Seite von -> Microsoft informieren.
Liebe Grüße,
Ihr ifb-Team
Glückwunsch, Sie haben die Probezeit bestanden! Und dann kommt die Probezeitkündigung. Was soll das? Diese Frage musste sich das LAG Düsseldorf stellen. Insbesondere weil der Dienstvorgesetzte gleichzeitig auch Personalverantwortlicher und Prokurist des Unternehmens war, sei das widersprüchliche Verhalten der Arbeitgeber treuwidrig.
LAG Düsseldorf, Urteil vom 14.01.2025, 3 SLa 317/24
Der Arbeitnehmer streitet mit seinen Arbeitgebern über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Probezeitkündigung. Der Arbeitnehmer ist bei drei Arbeitgebern, bei denen es sich um Rückversicherungen der Öffentlichen Versicherer mit mehr als 200 Beschäftigten und Sitz in D. handelt, als Wirtschaftsjurist in der Abteilung Recht/Compliance in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Vereinbart war eine Probezeit von sechs Monaten. Abteilungsdirektor und Dienstvorgesetzter des Arbeitnehmers ist Herr U. Diesem ist Prokura erteilt, er ist als Führungskraft für Personalfragen in der Abteilung Recht/Compliance zuständig und hat sowohl den Anstellungsvertrag des Arbeitnehmers als auch die Kündigung mit unterschrieben.
Etwa vier Wochen vor Ablauf der Probezeit kam nach Ende eines Meetings Herr U. in das Büro des Arbeitnehmers und erklärte, er hätte noch eine Sache vergessen. Er habe über seinen Workflow die Anfrage von der Personalabteilung erhalten, ob der Arbeitnehmer mit Blick auf die Probezeit übernommen werden solle. Unstreitig hat Herr U. dann gesagt: „Das tun wir natürlich.“ Der Arbeitnehmer wiederum hat sich dann bei Herrn U. bedankt und erklärt, dass er sich darüber freue.
Der Betriebsrat wurde zur Probezeitkündigung angehört und stimmte dieser zu. Als Kündigungsgrund wird in der schriftlichen Anhörung angeführt, dass der Arbeitnehmer keine ausreichenden Leistungen erbringe und nicht geeignet sei, die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen.
Die Arbeitgeber kündigten dem Arbeitnehmer. Gegen die Kündigung setzte sich der Arbeitnehmer mit seiner Klage gerichtlich zur Wehr. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage als unbegründet abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kündigung als Probezeitkündigung wirksam und das Kündigungsschutzgesetz mangels Erfüllung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht anwendbar sei. Gegen diese Entscheidung ging der Arbeitnehmer mit seiner Berufung vor.
Die Berufungskammer hat den Arbeitnehmer in einer mündlichen Berufungsverhandlung persönlich gemäß § 141 ZPO angehört und hierzu auch den Arbeitgeberin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, wodurch weite Teile des Gesprächsverlaufs nach dem Meeting unstreitig geworden sind.
Die Berufungskammer ist nach dem Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlungen und in Auswertung des gesamten wechselseitigen Vorbringens davon überzeugt, dass sich die Probezeitkündigung als treuwidrig und damit nach § 242 BGB als unwirksam erweist, so das Gericht.
Eine gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage sei wegen der darin liegenden Rechtsüberschreitung als unzulässig anzusehen. Bei der Prüfung der Treuwidrigkeit einer Kündigung sei § 242 BGB im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG auszulegen und anzuwenden, denn für die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen eines Kündigungsschutzes - außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes - seien die grundrechtlichen Schutzpflichten und ihre Bedeutung zu berücksichtigen.
In Anwendung der hierbei geltenden Grundsätze liege bereits mit der Behauptung des Arbeitnehmers zum Geschehen nach dem Jour Fixe in dem unstreitig gewordenen Kern ein schlüssiges Vorbringen zur Begründung einer Treuwidrigkeit der Kündigung vor. Die Arbeitgeber seien dem nicht rechtserheblich entgegengetreten.
Letztendlich stehe fest, dass der Abteilungsdirektor und Dienstvorgesetzte des Arbeitnehmers, Herr U., dem Arbeitnehmer nach dem Meeting erklärt habe, dass er über seinen Workflow die Anfrage der Personalabteilung erhalten habe, ob der Arbeitnehmer mit Blick auf die Probezeit übernommen werden solle. Hierauf habe Herr U. dem Arbeitnehmer dann unstreitig erklärt: „Das tun wir natürlich.“ Ungeachtet weiterer rechtlicher Frage, sei damit jedenfalls gegenüber dem im letzten Monat seiner Probezeit befindlichen Arbeitnehmer erklärt worden, dass er die Probezeit bestanden habe. Die Anfrage der Personalabteilung bei Herrn U. diene ja genau der Klärung der Frage, ob sich der Arbeitnehmer in der Probezeit bewährt habe und daher „mit Blick auf die Probezeit übernommen“ werden solle. Die Mitteilung „Das tun wir natürlich“ sage dann nichts anderes aus, als dass diese Übernahme des Arbeitnehmers stattfinden solle, dass er also die Probezeit bestanden hätte. Anders könne diese Erklärung gar nicht verstanden werden.
Diese Erklärung von Herrn U. unterscheide sich auch deutlich von entsprechenden Erklärungen irgendwelcher anderer Vorgesetzter, die zum Ende der Probezeit eine Stellungnahme zu dem betroffenen Arbeitnehmer abgeben, über deren Gewicht und daraus folgend die Übernahme des Mitarbeiters dann gleichwohl eine dritte, personalverantwortliche Stelle entscheide. Denn Herr U. wäre und sei – und das sei ein bedeutsamer Aspekt des vorliegenden Einzelfalls – kein „normaler“ Vorgesetzter ohne Personalentscheidungskompetenzen. Er sei als Dienstvorgesetzter des Arbeitnehmers zugleich der mit Prokura versehene Abteilungsdirektor der Abteilung Recht/Compliance und damit unstreitig die Führungskraft für Personalfragen in dieser Abteilung, der zudem sowohl den Anstellungsvertrag des Arbeitnehmers als auch die spätere, streitgegenständliche Kündigung jeweils als Linksunterzeichner unterschrieben hätte.
Erkläre nun aber ein hierzu erkennbar personalentscheidungsbefugter Vertreter der Arbeitgeber im sechsten Monat der Probezeit, man werde den Arbeitnehmer „mit Blick auf die Probezeit“ „natürlich“ übernehmen, wird damit ein berechtigtes Vertrauen auf Arbeitnehmerseite geschaffen, dass die Probezeit „bestanden“ und das Arbeitsverhältnis nunmehr gesichert sei, nämlich unter dem Schutz des KSchG stehe.
Wenn die Arbeitgeber meinen, die Äußerungen des Herrn U. hätten beim Arbeitnehmer nun lediglich das Vertrauen begründen können, dass zwar die Probezeit bestanden sei, nicht jedoch, dass damit auch in der Wartezeit von ebenfalls sechs Monaten keine Kündigung mehr drohe, überzeuge dies nicht. Probezeit und Wartezeit waren im Fall des Arbeitnehmers mit je sechs Monaten deckungsgleich. Die Erklärung von Herrn U. sei zudem ja auch nicht beispielsweise mit dem Bemerken erfolgt, er beglückwünsche den Arbeitnehmer nunmehr dazu, dass er nur noch mit einer längeren, nämlich der Kündigungsfrist des § 4 (1) statt der zweiwöchigen Probezeitkündigungsfrist des § 3 (1) des Anstellungsvertrages gekündigt werden könne. Die Annahme, hier hätten Probe- und Wartezeit getrennt betrachtet werden sollen, erscheine wirklich lebensfremd.
Der Arbeitnehmer konnte – bei der Klarheit der Äußerung nach dem Meeting –berechtigt darauf vertrauen, dass die bestandene Probezeit dazu führt, dass keine Probezeitkündigung und damit bei zeitlicher Deckungsgleichheit auch keine Wartezeitkündigung mehr droht. Dementsprechend hätte sich der Arbeitnehmer nicht um eine anderweitige Beschäftigung bemüht.
Die dann gleichwohl erfolgte „Probezeit“-Kündigung, die ausdrücklich so deklariert wurde, stelle sich vor dem Hintergrund der zuvor erfolgten Ankündigung, als widersprüchliches und mithin treuwidriges Verhalten dar.
Allein die Pauschalbehauptungen der Arbeitgeber zu fehlender Eignung und ordnungsgemäßer Aufgabenerledigung des Arbeitnehmers würden zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Arbeitgeber hätten im Rahmen ihrer gestuften Darlegungslast erklären müssen, inwiefern es nach dem Meeting bis zum Ausspruch der Kündigung bzw. bis zu deren Zugang zu Vorfällen gekommen sein soll, die ihre geänderte Einschätzung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers sachlich stützen und damit als nicht willkürlich und widersprüchlich erscheinen lassen. Solches Vorbringen der Arbeitgeber fehle vollständig.
Die Vorschrift des § 242 BGB kommt im Zusammenhang mit Kündigungen nur selten zum Zug, denn in erster Linie schützt das Kündigungsschutzgesetz vor unrechtmäßigen Kündigungen. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. So führt es das Gericht in seiner ausführlichen Urteilsbegründung aus. Eine Kündigung verstößt deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind.
Typische Fälle einer treuwidrigen Kündigung sind insbesondere ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers, der Ausspruch der Kündigung zur Unzeit oder in ehrverletzender Form und eine diskriminierende Kündigung sowie eine solche, die auf einer Auswahlentscheidung beruht, die jede soziale Rücksichtnahme vermissen lässt (BAG vom 16.01.2003 – 2 AZR 609/01). (sf)