Bald ist es wieder Zeit für zwei Kreuze: Knapp 60 Millionen Wahlberechtigte sind am 23. Februar 2025 aufgefordert, ihre Stimme zur Bundestagswahl abzugeben. Darunter natürlich auch zahlreiche Interessenvertreter – und alle warten gespannt auf die Arbeitsmarktpolitik der nächsten vier Jahre.
Nicht jede der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien greift die genannten Themen auf.
Gibt es Lösungsansätze zur Lohnentwicklung, zu sinkenden Betriebsratszahlen und zu fehlenden Mitbestimmungsrechten? Nicht jede der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien greift die genannten Themen auf.
Hinweis: Die Reihenfolge der genannten Parteien richtet sich im Folgenden jeweils nach ihren aktuellen Sitzen im Bundestag.
Betriebsräte, Mitbestimmung und Tarifverträge
⇒Unter dem Motto „Wir wollen, dass Deine Stimme auch am Arbeitsplatz stärker zählt“ wirbt die SPD mit einer Reform des Betriebsverfassungsgesetzes. Außerdem soll die Mitbestimmung von Betriebsräten bei strategischer Personalplanung und -bemessung, bei der Einführung von Künstlicher Intelligenz sowie bei Gesundheitsschutz und Weiterbildung im Betrieb zu „echten Mitbestimmungsrechten mit Einigungserfordernis“ werden. Und: Initiatoren von Betriebsratswahlen sollen besser geschützt werden.
Außerdem im Programm der SPD:
- Die Behinderung demokratischer Mitbestimmung stufen wir künftig als Offizialdelikt ein.
- In den Unternehmen muss es einen gesetzlich festgelegten Mindestkatalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte im Aufsichtsrat geben. Schlupflöcher zur Umgehung der Mitbestimmung im Aufsichtsrat werden wir schließen, wie zum Beispiel bei der Aushebelung der Mitbestimmung durch europäisches Gesellschaftsrecht.
⇒CDU/CSU verweisen darauf, dass die Mitbestimmung in Unternehmen eine lange Tradition hat: „Betriebsräte sind ein wichtiger Bestandteil der Sozialpartnerschaft.“ Aber – zugleich habe sich unser Arbeitsleben stark gewandelt. Deshalb plane die Union, die betriebliche Mitbestimmung „auf die Höhe der Zeit“ zu bringen. Dazu gehören Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen als gleichwertige Alternativen zu Präsenzformaten. Darüber hinaus: „Wir prüfen weiteren Handlungsbedarf und stellen sicher, dass Betriebsratsgründungen nicht verhindert werden.“
Die Option, online zu wählen, soll im Betriebsverfassungsgesetz verankert werden und es sollen digitale Zugangsrechte bei der betrieblichen Mitbestimmung in Anlehnung an bestehende analoge Zugangsrechte klargestellt werden. Außerdem:
Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen stärken, mehr Tariföffnungsklauseln, positive und negative Koalitionsfreiheit schützen durch Änderungen im Tarifvertragsgesetz.
⇒Im Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grüne findet sich das Wort „Betriebsrat“ nicht direkt. Aber es geht um die betriebliche Mitbestimmung, diese „werden wir daher stärken und auf Mitbestimmungsrechte in Sachen Klima- und Umweltschutz, Qualifizierungsmaßnahmen sowie Gleichstellung im Betrieb erweitern.“ Und es heißt darin: „Gewerkschaften, betriebliche Mitbestimmung und die Sozialpartnerschaft mit ihrer starken Tarifbindung sind eine Stärke unseres Standorts.“
Des Weiteren im Programm der Grünen:
- Vorgehen gegen Scheinselbstständigkeit, etwa bei Plattformunternehmen,
- Vorgehen gegen den Missbrauch von Werkverträgen und Schwarzarbeit,
- digitale und manipulationssichere Erfassung in Branchen, die von Schwarzarbeit betroffen sind.
⇒Das Wahlprogramm der FDP steht unter dem kernigen Motto „Alles lässt sich ändern“ . Allerdings: Die Worte Betriebsrat und Mitbestimmung sucht man vergeblich, sie werden nicht ausdrücklich angesprochen. Wohl aber geht es um das Thema Arbeitsrecht: „Wir Freie Demokraten wollen daher das Arbeitsrecht auf die Höhe der Zeit bringen und flexible, praxistaugliche Regelungen schaffen. Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung wollen wir wieder ins Zentrum rücken – um das Arbeitsvolumen und private Initiative zu stärken.“
Außerdem geplant:
- Eine Reform des Arbeitszeitgesetzes mit einer wöchentlichen statt einer täglichen Höchstarbeitszeit.
- Ebenso sollen die Vorgaben zur Arbeitszeit flexibilisiert und Öffnungsklauseln zu Ruhezeitregelungen genutzt werden.
⇒Das Parteiprogramm der AfD war zum Redaktionsschluss (21.01.25, 12 Uhr) noch nicht in verabschiedeter Form digital auf ihrer Webseite verfügbar. Deshalb beziehen wir uns auf den Leitantrag der Bundesprogrammkommission vom 28.11.2024. Hierin heißt es, Arbeitgeber sollen durch Telearbeit, flexible Arbeitszeiten und Betriebskindergärten ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem Eltern Kinderbetreuung und Arbeit gut vereinbaren können, so sie es wünschen. Familien sollten idealerweise von einem Gehalt leben können und nicht auf eine Doppelberufstätigkeit angewiesen sein.
Von Mitbestimmung und Betriebsräten liest man nichts, aber die Lage der Autoindustrie ist Thema: „Die aktuelle CO2-zentrierte Politik zeigt aber auch jetzt schon verheerende Auswirkungen auf unsere Wirtschaft, unsere freiheitliche Lebensweise und unseren Wohlstand: energieintensive Branchen wandern ab, die Automobilindustrie strauchelt und Arbeitsplätze fallen in beängstigendem Ausmaß weg. Diese Fehlentwicklung droht sich in den kommenden Jahren noch zu beschleunigen. Währenddessen sollen der breiten Masse wohlverdiente Annehmlichkeiten wie Urlaubsflüge und bezahlbare Autos genommen werden.“ Außerdem: „Wir treten dafür ein, dass Arbeitnehmer immer deutlich bessergestellt sind als Empfänger von Sozialleistungen. Ihre Arbeit soll eine auskömmliche und sichere Rente gewährleisten.“
⇒In ihrem Wahlprogramm-Entwurf zur Bundestagswahl (das Parteiprogramm war zum Redaktionsschluss – 21.01.25, 12 Uhr – noch nicht in verabschiedeter Form digital auf ihrer Webseite verfügbar) fordert die Linke für Betriebs- und Personalräte ein erzwingbares Recht auf Mitbestimmung bei „Betriebsschließung, Verlagerung, Investitionen, Umwelt- und Klimafragen, Personalbemessung, Weiterbildung und der Verhinderungen von Gesundheitsschäden“. Zudem müsse es bei allen privaten und öffentlichen Unternehmen ab 500 Beschäftigten eine echte paritätische Mitbestimmung in den Aufsichtsräten geben. Betriebsratswahlen müssten einfacher werden, Behinderung von Wahlen und Betriebsräten strenger verfolgt und Gewerkschaften verlässlich Zugang bekommen, insbesondere auch digital. Außerdem:
- Die Mitbestimmung in kirchlichen Einrichtungen müsse an das Betriebsverfassungsgesetz angepasst werden.
- Das Tarifeinheitsgesetz „muss weg“. Arbeitgeberverbände dürften keine tariflosen Mitgliedschaften anbieten.
- Gewerkschaften müssten die Einhaltung von Tarifverträgen einklagen können.
- Das Entgelttransparenzgesetz müsse ein Entgeltgleichheitsgesetz werden, um gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit durchzusetzen.
- Die Belegschaften müssten bei Entscheidungen über Standortverlagerungen, -schließungen und -auslagerungen, bei Massenentlassungen und bei Entscheidungen über Zukunftsinvestitionen mitbestimmen und ein Vetorecht erhalten.
⇒Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) schreibt in ihrem Wahlprogramm: „Damit gute Arbeitsbedingungen auch auf Betriebsebene gestaltet werden können, brauchen wir starke Betriebsräte und Mitbestimmungsrechte auf der Höhe der Zeit.“ Sie wollen Betriebsratsgründungen erleichtern, unter anderem durch einen besseren Kündigungsschutz für die Initiatoren von Betriebsratswahlen. „Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Umbrüche“ wollen sie dafür sorgen, dass die Beschäftigten auch bei strategischen Unternehmensentscheidungen beteiligt werden. Schlupflöcher aus den deutschen Mitbestimmungsstandards, wie sie sich etwa aus einer Rechtsformumwandlung in eine europäische Aktiengesellschaft ergeben, wollen sie schließen. Außerdem:
- Sie wollen die Tarifbindung stärken. Öffentliche Aufträge und Subventionen sollen nur noch an Unternehmen vergeben werden, die Tariflöhne zahlen.
- Zudem wollen sie die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen erleichtern.
Blick in die Lohntüte
⇒Die SPD fordert einen Mindestlohn von 15 Euro bis spätestens 2026, um speziell in schlecht bezahlten Berufen – sowie in Ostdeutschland – gerechte Löhne zu sichern.
Auch plant die SPD, Lohngerechtigkeit zu fördern, die EU-Entgelttransparenzrichtlinie umzusetzen und das Entgelttransparenzgesetz zu einem wirksamen Instrument weiterzuentwickeln. Frauen und Männer sollen gleich bezahlt und soziale Berufe aufgewertet werden. Ziel der SPD ist auch, mittlere Einkommen steuerlich zu entlasten und Spitzeneinkommen sowie Vermögen stärker zu besteuern. Zuschläge für Mehrarbeit und Prämien für die Ausweitung von Teilzeitbeschäftigungen hingegen sollen steuerfrei werden.
⇒Die Union aus CDU/CSU will Arbeit attraktiver gestalten, indem sie Leistung stärker belohnt. Durch eine Abflachung des Einkommensteuertarifs, eine Anhebung des Grundfreibetrags und eine Anpassung der Grenze für den Spitzensteuersatz sollen Angestellte mehr Netto vom Brutto behalten. Speziell bei Geringverdienern plant sie niedrigere Beiträge zur Sozialversicherung. Außerdem soll der Einkommensteuertarif regelmäßig an die Inflation angepasst werden.
⇒In ihrem Parteiprogramm fordern die Bündnis 90/Grünen faire Löhne, um den Menschen eine sichere Lebensgrundlage zu ermöglichen. Sie planen einen Mindestlohn von 15 Euro ab 2025. Das Motto ist „Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“ – deshalb wollen sie die EU-Entgelttransparenzrichtlinie „zügig und vollständig“ umsetzen. Sie wollen die Regeln verbindlicher und besser einklagbar machen und dadurch Gleichstellung wirksam voranbringen. Und: „Die Erwerbsmöglichkeiten für Frauen verbessern wir durch gleiche Löhne und flexible Arbeitszeitmodelle und durch das Rückkehrrecht in Vollzeit.“ In Sachen Steuer planen sie, die Arbeitnehmerpauschbeträge in der Einkommensteuererklärung auf 1.500 Euro anzuheben.
⇒Die FDP will, „dass sich Arbeit lohnt“. Um zusätzliche Arbeitsanreize zu schaffen, will die Partei Zuschläge für Überstunden bei Vollzeitarbeit von der Lohnsteuer befreien. Der Spitzensteuersatz dürfe künftig nur noch von Menschen gezahlt werden, die auch wirklich spitzenmäßig verdienen und nicht schon von der Mitte der Gesellschaft. Außerdem wolle man nicht weiter in die Vertragsfreiheit eingreifen, weshalb sie gesetzliche Regelungen für eine Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich ablehnen. Weiter heißt es: „Löhne und Gehälter werden in der sozialen Marktwirtschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ausgehandelt. Wir respektieren die Tarifautonomie und lehnen politische Eingriffe in die Arbeit der unabhängigen Mindestlohnkommission ab.“ Sie wollen das Arbeitsrecht „entschlacken“ und Dokumentationspflichten beim Mindestlohn vereinfachen.
⇒Die AfD will „mehr Netto vom Brutto schaffen“ mit der Senkung der Einkommensteuer durch einen deutlich höheren Grundfreibetrag. Außerdem soll es einen zusätzlichen Steuerfreibetrag für Rentner geben, um Senioren im Arbeitsmarkt zu halten. Ziel ist außerdem eine „Senkung der Steuer- und Abgabenlast zur Erweiterung des finanziellen Handlungsspielraums der Bürger“. Mit einem Betreuungsgehalt bis zum 3. Geburtstag sollen Eltern echte Wahlfreiheit zwischen Fremd- und Selbstbetreuung erhalten.
⇒Die Linke will die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel abschaffen und ermäßigte Steuersätze für arbeitsintensives Handwerk, Arzneimittel und Produkte für Kinder schaffen. Außerdem sollen hohe Einkommen stärker besteuert und niedrige entlastet werden. Als Faustregel gelte: Wer (als Single, Steuerklasse I) weniger als 6.500 Euro im Monat brutto verdient, zahle weniger Steuern. Alle zu versteuernden Einkommen unter 16.800 Euro im Jahr sollen außerdem steuerfrei bleiben. Und: „Große private Kapitalvermögen müssen endlich gerecht besteuert werden.“ Außerdem fordern sie verbindliche Obergrenzen für Manager- und Vorstandsgehälter (inkl. Boni): Sie dürften nicht mehr als das Zwanzigfache des niedrigsten Gehalts im Unternehmen bekommen.
⇒Das BSW fordert eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf 0 Prozent für Grundnahrungsmittel wie Fleisch, Getreide, Milchprodukte, sowie Obst und Gemüse. In der Gastronomie sollte die Mehrwertsteuer wieder von 19 auf sieben Prozent fallen. Familienpolitik müsse den Fokus auf die Bedürfnisse von Gering- und Normalverdienern richten: „Kinderarmut ist immer auch Elternarmut und lässt sich nur durch höhere Löhne und eine bessere soziale Absicherung im Falle von Krankheit und Arbeitslosigkeit bekämpfen.“ Außerdem sollen Renten bis 2.000 Euro von der Steuer befreit werden. Der Mindestlohn soll auf 15 Euro erhöht werden.
Fazit
Viel Stoff zum Diskutieren haben die Parteien da zusammengetragen. Was fehlt Ihnen in Sachen Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechten in den Wahlprogrammen? Schreiben Sie uns! (cbo)