Der Druck kam schleichend: In den letzten Jahren ist die Arbeit von Betriebsräten zunehmend anspruchsvoller geworden. Leistungs- und Konkurrenzdruck am Arbeitsplatz nehmen stetig zu, das war schon vor Corona so. Große Industriezweige standen vor einem gewaltigen Umbruch, wie z.B. die Automobilbranche.
Jetzt hat die Corona-Krise die Betriebsräte nahezu aller Wirtschaftszweige in neue Konfliktherde katapultiert. Mit einem Schlag. Die Corona-Pandemie fordert allen Interessenvertretern sehr viel ab.
Wirtschaftliche Sorgen und Kurzarbeit
Wirtschaftliche Krisen traten in manchen Branchen schon vor Corona zyklisch auf. Manche Gremien konnten deshalb auf ein hilfreiches Erfahrungswissen zurückgreifen. Für sie war Kurzarbeit ein bewährtes Instrument. Personaler, Betriebsräte und Beschäftigte wussten bereits, wie die Regeln einzuhalten sind und wie die Prozesse laufen. Für andere ist es ein neues Verfahren, das sie vor erhebliche Probleme stellt:
- Wie läuft die Zeiterfassung?
- Was ist mit Gleitzeiten?
- Was muss die Lohnbuchhaltung tun?
- Welche Fragen haben die Mitarbeiter und wer kennt die Antworten?
Und das Thema Kurzarbeit ist erst der Anfang. Experten befürchten, dass eine große Insolvenzwelle auf uns zurollt. Noch gelten Sonderregeln, wie z.B. die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Aber was kommt danach? Und selbst wenn Ihre Branche nicht direkt betroffen ist, werden Sie vielleicht die Ausläufer spüren, z.B. weil Kunden wegbrechen?
Deshalb gilt: Informieren Sie sich als Betriebsrat rechtzeitig über die wirtschaftliche Situation und über Ihre Rechte und Pflichten. Wenn das Unternehmen erst mit dem Rücken an der Wand steht, fehlt Ihnen die Zeit dafür.
Mit den Einkommensverlusten steigt die existentielle Bedrohung.
Ängste der Kollegen
Hinzu kommen die Sorgen der Kollegen, z.B. beim Thema Geld während der Kurzarbeit: Zu Beginn war bei vielen Arbeitgebern noch die Bereitschaft hoch, Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld zu gewähren. Dies wurde in vielen Unternehmen bereits zurückgefahren oder steht auf der Kippe. Mit den Einkommensverlusten steigt die existentielle Bedrohung.
Natürlich werden Sie als Betriebsrat versuchen, eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes beim Arbeitgeber zu erreichen. Ebenso wichtig ist aber auch, bei diesem Thema im Austausch mit den Kollegen zu bleiben. Kann es in Einzelfällen Sonderlösungen geben, z.B. wenn es um die wirtschaftliche Existenz eines Alleinverdieners geht? Bieten Sie Gespräche an, damit sie von solchen Problemen erfahren. Und wenn eine Aufstockung zurückgefahren wird, dann bleiben sie im Austausch mit dem Arbeitgeber hierzu und informieren sie die Kollegen.
Die Spannungen und Ängste werden vermehrt zu Konflikten führen: Seien Sie hellhöriger und sensibler für erste Anzeichen und reagieren Sie noch schneller.
Kontakt halten in Zeiten der Pandemie
Eine große Herausforderung ist für jeden Betriebsrat derzeit auch der gute Kontakt zu den Mitarbeitern. In Zeiten von Abstand, Home-Office und Kurzarbeit ist das persönliche Gespräch und der direkte Austausch seltener geworden – und zugleich wichtiger denn je. Aber wie kann das gelingen?
Wir empfehlen Ihnen diese Punkte:
- Verstärken Sie massiv Ihre betriebliche Öffentlichkeitsarbeit!
- Informieren Sie Ihre Belegschaft über die betriebliche Situation; regelmäßig und in deutlich kürzeren Abständen als sonst.
- Nehmen Sie den Arbeitgeber in die Pflicht: Sie sitzen im selben Boot und tragen beide Verantwortung.
- Von behördlichen Hygiene-Regelungen bis hin zu steuerlichen Auswirkungen: Stellen Sie Informationen und Linksammlungen zusammen für alle Themen rund um die Krise.
Austausch – auch digital
Nutzen Sie möglichst alle geeigneten digitalen Möglichkeiten zur Information und für den Austausch mit der Belegschaft, z.B. Online-Abteilungs- oder -Betriebsversammlungen, Videokonferenzen und Online-Seminare. Bieten Sie in geeigneten Räumlichkeiten Sprechstunden und damit die Möglichkeit zum persönlichen Austausch an.
Aktiv werden ohne Aktionismus
Zurückhaltung ist in diesen Zeiten für Betriebsräte ebenso ungeeignet wie Aktionismus. Denn eines ist sicher: Normalisierung und Erholung der Wirtschaft kann überhaupt erst passieren, wenn die Pandemie bewältigt ist. Bis dahin gilt es, als Betriebsrat mit kühlem Kopf an allen Themen am Ball zu bleiben und für die Kollegen da zu sein.
Denn jedes Unternehmen und jeder Betriebsrat wird nicht an seinen Schwierigkeiten bemessen, sondern wie es sie bewältigt.