Bei vergangenen Betriebsratswahlen wurde ich oft gefragt, warum diese Papierverschwendung sein muss: Im Wahllokal erhielt jeder Wähler einen neutralen Umschlag, in den er den Stimmzettel legen musste, damit die Stimme gültig war. Da die Umschläge auch geschlossen werden mussten, waren sie danach unbrauchbar. Meine Antwort lautete stets: Der Grundsatz der geheimen Wahl gebietet dies.
Der Grundsatz der geheimen Wahl
Niemand soll bei der Auszählung die Stimmen aus den Wahlbriefen aussondern und daraus Rückschlüsse ziehen können. Nicht zuletzt hätte seinerzeit auch ein vergleichbarer „Fauxpas“ eines prominenten Politikers bei der Abgabe seiner Stimme bei der Bundestagswahl damit verhindert werden können …
Keine Wahlumschläge mehr
Im Rahmen der Änderung der Wahlordnung hat der Gesetzgeber den Gedanken der Ressourcenschonung aufgegriffen und mit in die neue Wahlordnung einfließen lassen. Nach § 11 der seit dem 15.10.2021 geltenden „Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO)“ sind bei der Listenwahl keine Wahlumschläge mehr enthalten. Gleiches gilt für die Personenwahl gemäß § 20 WO. Vielmehr regelt der jeweils dritte Absatz der Vorschriften, dass die Stimmzettel „in der Weise, dass die Stimme nicht erkennbar ist“ gefaltet und in die Urne geworfen werden sollen.
Was ist aber mit den Briefwahlstimmen?
Sonderfall: Briefwahl
Was ist aber mit den Briefwahlstimmen? Hier wurde § 26 WO neu gefasst. Die Stimmzettel der Briefwahlstimmen werden nach wie vor in Wahlumschlägen verpackt. Die kompletten Wahlumschläge werden jedoch nicht mehr nach Ende der Stimmauszählung verschlossen in die Urne gelegt!
„Zu Beginn der öffentlichen Sitzung zur Stimmauszählung nach § 13 öffnet der Wahlvorstand die bis zum Ende der Stimmabgabe (§ 3 Absatz 2 Nummer 11) eingegangenen Freiumschläge und entnimmt ihnen die Wahlumschläge sowie die vorgedruckten Erklärungen. Ist die schriftliche Stimmabgabe ordnungsgemäß erfolgt (§ 25), so vermerkt der Wahlvorstand die Stimmabgabe in der Wählerliste, öffnet die Wahlumschläge und legt die Stimmzettel in die Wahlurne. Befinden sich in einem Wahlumschlag mehrere gekennzeichnete Stimmzettel, werden sie in dem Wahlumschlag in die Wahlurne gelegt.“
Schnell mal reinschauen?
Der Wahlvorstand trägt die schriftliche Stimmabgabe in die Wählerliste ein und öffnet den Wahlumschlag, in dem sich der Stimmzettel befindet. Wäre das nicht eine gute Gelegenheit, um kurz nachzuschauen, ob der Kollege auch „richtig“ gewählt hat – oder ob er nach der Rückkehr aus dem Home-Office besser ein altes Käsebrot unter seinem Schreibtisch klebend finden sollte?
Was also tun? Schließlich soll der Wahlumschlag direkt nach dem Eintrag in die Wählerliste geöffnet werden. Würde dies so gehandhabt, dann wäre die Rückverfolgen der Stimmen möglich – und das Wahlgeheimnis würde bei den Briefwählern der Geschichte angehören.
Die Lösung steht im Gesetzestext: Mehrere Umschläge öffnen!
Hier sollte auf ein Detail des Gesetzestextes geachtet werden: Die Vermerke in der Wählerliste sollen erfolgen, die Wahlumschläge sollen geöffnet werden. Also mehrere Umschläge und zwei getrennte Schritte, auch wenn es nicht ausdrücklich und explizit dort steht! Und so kann schließlich auch das Wahlgeheimnis gewahrt werden und niemand muss – sofern er den „falschen“ Kandidaten angekreuzt hat – ein Käsebrot unter seinem Schreibtisch fürchten.
Auch wenn das Gesetz hier vielleicht erst, wenn überhaupt, auf den zweiten oder dritten Blick eindeutig ist (auch ich musste hier sehr oft lesen, bevor ich den vermutlichen Willen des Gesetzgebers so interpretieren konnte), sollte der Wahlvorstand bei der Auszählung erst die Prüfung der Erklärungen zur Briefwahl gemeinsam mit dem Vermerken in der Wählerliste abschließen, dabei die verschlossenen Wahlumschläge zur Seite oder in einen Karton legen und dann erst – wenn der vorherige Schritt abgeschlossen ist – mit dem Öffnen der Wahlumschläge beginnen. So ist dann auch die „geheime Wahl“ wieder gesichert.
Viel Erfolg bei der Wahl wünscht Ihnen Ihr Christian Loh