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Erste Wahl beim Kampf um Arbeitsplätze

Kurzarbeit als Kriseninstrument

Seit Jahresbeginn stellt die Ausbreitung des Coronavirus die Gesundheitssysteme vor erhebliche Herausforderungen. Spätestens seit Anfang März führt die Pandemie zudem zu massiven Beeinträchtigungen wirtschaftlicher Aktivitäten – und ruft einen konjunkturellen Einbruch hervor, der die Ausmaße der globalen Finanzkrise 2008/2009 deutlich übertrifft. Der Gesetzgeber hat den Zugang zur Kurzarbeit aktuell erleichtert – eine „Langzeittherapie“ ist das für die Unternehmen aber nicht.

Dr. Christof Balkenhol

Dr. Christof Balkenhol

Unternehmensberater

Stand:  23.6.2020
Lesezeit:  01:45 min
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Die aktuelle Krise trifft nicht nur Großkonzerne, sondern auch Mittelständler und Kleinunternehmen. Beispiel Gastronomie: Die angeordnete Schließung von Restaurants und die Einschränkung für Hotelbetriebe führten zu einer de facto Stilllegung von vielen tausend Betrieben. Der Beschäftigungsbedarf ging vorübergehend massiv zurück, gleichzeitig mussten die Unternehmen vorbereit sein, um nach Beendigung des Lockdowns den Geschäftsbetrieb rasch wieder aufzunehmen und hochzufahren.

In dieser Situation schafft Kurzarbeit ein Instrument, um für einen befristeten Zeitraum bei Rückgang der Beschäftigung eine entsprechende Entgeltreduzierung vorzunehmen und den Entgeltausfall teilweise auszugleichen. Auf diese Weise sollen Kündigungen vermieden werden. Im März und April 2020 meldet die Bundesagentur für Arbeit einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um ca. 300 Tsd., während gleichzeitig für bis zu 10 Mio. Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet wurde.

Zugang zu Kurzarbeit erheblich ausgeweitet

Die Regelungen zum Bezug von Kurzarbeitergeld sind im SGB II niedergelegt und beschreiben, unter welchen Bedingungen Unternehmen Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen können. Bezugspunkt ist dabei stets ein erheblicher, vorübergehender und unvermeidbarer Arbeitsausfall. Im Zuge der Coronakrise hat der Gesetzgeber bereits im März per Verordnung die Möglichkeit beim Zugang zum Kurzarbeitergeld rückwirkend zum 01.03.2020 deutlich erweitert:

  • Ein Betrieb kann bereits Kurzarbeit anmelden, wenn mindestens 10 % der Beschäftigten im Betrieb oder einer Betriebsabteilung von einem Arbeitsausfall von mindestens zehn Prozent betroffen sind. Diese Schwelle liegt sonst bei 30 % der Belegschaft.
  • Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes wird vollständig verzichtet. Das bislang geltende Recht verlangt, dass in Betrieben, in denen Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen genutzt werden, diese auch zur Vermeidung von Kurzarbeit eingesetzt werden.
  • Auch Leiharbeitnehmer können Kurzarbeitergeld beziehen.
  • Die Sozialversicherungsbeiträge, die Arbeitgeber für ihre kurzarbeitenden Beschäftigten allein tragen müssen, werden den Unternehmen durch die Bundesagentur für Arbeit erstattet.

In einem zweiten Schritt hat die Bundesregierung dann auch die Höhe des Kurzarbeitergeldes noch einmal angepasst. Grundsätzlich übernimmt die Arbeitsagentur für die von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer 60 % des Nettoentgeltausfalls (bzw. 67 % bei Arbeitnehmern mit Kind). Nun werden die Leistungen für diejenigen, die ihre Arbeitszeit um mindestens 50 % reduziert haben, ab dem vierten Monat auf 70 % (77 % mit Kind) und ab dem siebten Monat auf 80 % (87 % mit Kind) erhöht. Diese Erhöhung soll längstens bis zum Jahresende 2020 gelten.

Die Einführung von Kurzarbeit unterliegt der zwingenden Mitbestimmung.

Einführung von Kurzarbeit muss im Betrieb geregelt werden

In Betrieben mit Betriebsrat unterliegt die Einführung von Kurzarbeit einer zwingenden Mitbestimmung. Nach § 87 Abs.1 Nr. 3 BetrVG bestimmt der Betriebsrat umfassend mit, ob und in welchem Rahmen Kurzarbeit eingeführt wird. Dies gilt ebenso bei der Wiederherstellung der betriebsüblichen Arbeitszeit, etwa bei vorzeitiger Beendigung von Kurzarbeit.

Die Interessenvertreter müssen aktiv in die Entscheidung über die Einführung von Kurzarbeit einbezogen und an der Gestaltung der Modalitäten beteiligt werden. Wird hierüber keine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erzielt, entscheidet die Einigungsstelle. Die Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 87 Abs. 2 BetrVG).

In betriebsratslosen Betrieben bedarf Kurzarbeit grundsätzlich der Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer. Wenn die Zustimmung bereits im Arbeitsvertrag vereinbart ist, kann der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen. Gibt es diese Vereinbarung zur Kurzarbeit im Arbeitsvertrag nicht, muss der Arbeitgeber der Anzeige zur Kurzarbeit eine Einverständniserklärung aller von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten beifügen.  Bei der Ausgestaltung sämtlicher Regelungen zur Kurzarbeit sind in tarifgebundenen Unternehmen ggf. einschlägige Regelungen in den Tarifverträgen zu beachten, die beispielsweise den Umfang möglicher Aufstockungsleistungen des Kurzarbeitergeldes durch das Unternehmen festlegen.

Wichtige Handlungsfelder betrieblicher Regelungen

Bei den Beratungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber zum Abschluss von Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit sind u.a. vier Schwerpunkte regelmäßig Gegenstand der Verhandlungen:

  • Umfang und Betroffenheit:
    Zunächst ist Klarheit darüber zu schaffen, ob die Kurzarbeit für den gesamten Betrieb oder nur für einzelnen Betriebsabteilungen eingeführt werden soll. Sie kann nur dort eingeführt werden, wo ein Arbeits- und Entgeltausfall von mindestens 10 % für mindestens 10 % der Arbeitnehmer zu erwarten ist. Um die Beschäftigungseffekte abschätzen zu können, bedarf es also einer Kapazitätsplanung auf der Ebene einzelner Betriebsabteilungen oder auf der Ebene des Betriebes.
     
  • Aufstockung der Leistungen:
    Die Agentur für Arbeit übernimmt wesentliche Teile des Entgeltausfalls und trägt auch die fälligen Sozialversicherungsabgaben für das Unternehmen. Nach einer Befragung des IW Instituts der deutschen Wirtschaft im April stocken ca. 38 % der Unternehmen, die Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen, diese Leistungen Arbeitsagentur auf. Einige Unternehmen kompensieren dabei den Nettoeinkommensverlust der Arbeitnehmer vollständig, so dass die Beschäftigten keinen Nachteil im Nettoentgelt haben. Bei der Ausgestaltung möglicher Aufstockungsregelungen sind zwei Aspekte abzuwägen: Einerseits reduziert eine Aufstockung die wirtschaftliche Belastung der Arbeitnehmer in der Kurzarbeitsphase und fördert damit sicher auch die Bindung der Beschäftigten an das eigene Unternehmen. Anderseits hat die Coronakrise in vielen Unternehmen neben einem Beschäftigungsrückgang auch massive Ergebnis- und Liquiditätsengpässe hervorgerufen. In solchen Situationen wirkt jede Erhöhung der Leistungen durch das Unternehmen als zusätzliche Kosten- und Liquiditätsbelastung.
     
  • Kündigungsschutz:
    Die Einführung von Kurzarbeit soll bei temporär rückläufiger Beschäftigungslage betriebsbedingte Kündigungen vermeiden. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Kündigung als letztes Mittel) kann die Einführung von Kurzarbeit bei vorübergehendem Arbeitsausfall als milderes Mittel eine betriebsbedingte Kündigung unzulässig machen. Kurzarbeit schließt jedoch betriebsbedingte Kündigungen nicht aus, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit der betreffenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Dauer entfällt. Betriebsräte drängen bei der Verhandlung zur Einführung von Kurzarbeit häufig darauf, dass der Arbeitgeber im Rahmen der abzuschließenden Betriebsvereinbarung einen Kündigungsverzicht ausdrücklich erklärt und diese Zusage ggf. auch über das Ende der Kurarbeit hinaus Bestand hat.
     
  • Qualifizierung:
    Die Kurzarbeit kann genutzt werden, um Mitarbeiter für zukünftige Aufgaben und Anforderungen zu qualifizieren. Unter bestimmten Bedingungen werdend die Kosten der Qualifizierung durch Mittel der Bundesagentur bezuschusst. Voraussetzung zur Förderung ist z.B., dass Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden, die über ausschließlich arbeitsplatzbezogene Anpassungsfortbildungen hinausgehen. Auch hier drängen Betriebsräte häufig darauf, Weiterbildungsangebote zum Gegenstand betrieblicher Regelungen zur Kurzarbeit zu machen.

Offenbar können sich viele Betriebsräte auf ein solides Fundament der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber stützen.

Kurzarbeit als schnell wirksames „Schmerzmittel“

Die Zahlen sprechen für sich. Innerhalb weniger Wochen haben ca. 750 Tsd. Unternehmen Kurzarbeit angemeldet. Die Kurzarbeit trifft Beschäftigte in fast allen Branchen in Deutschland. Spitzenreiter sind die Gastronomie mit 99 % der Betriebe und die Hotels mit 97 %. Besonders betroffen ist auch die Schlüsselbranche Automobilbau mit 94 % der Firmen. Andere Branchen, wie etwa die Pharmaindustrie, sind praktisch nicht betroffen. Der Durchschnitt liegt bei 50 %, wie aus Umfragen des ifo Instituts im April hervorgeht.

Diese Zahlen signalisieren, dass die zur Einführung von Kurzarbeit notwendige Zustimmung der Beschäftigten sehr rasch eingeholt werden konnte, entweder als individuelle Zustimmung oder durch kollektive Vereinbarung mit den zuständigen Betriebsräten. Offenbar sehen also sowohl Unternehmen als auch Betriebsräte Kurzarbeit als ein sinnvolles und wirksames Mittel zur akuten „Schmerzbekämpfung“. Ähnlich wie in der Finanzkrise 2008/2009 bewährt sich in diesem Kontext auch die betriebliche Mitbestimmung als ein wichtiger Stabilisierungsanker in der Krisenbekämpfung. Offenbar können sich viele Betriebsräte insbesondere in schwierigen Zeiten auf ein solides Fundament vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber stützen.

Das bestätigt auch Marcell Witt vom Konzernbetriebsrat der TUI AG in Hannover: „Aufgrund der jahrelangen vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern konnten wir sehr kurzfristig, in nahezu allen Gesellschaften des TUI-Konzerns, entsprechende Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit abschließen. Der Konzernbetriebsrat hat hierbei, in seiner gesellschaftsübergreifenden Rolle, eine wichtige beratende und koordinierende Funktion sowohl für die Betriebsräte als auch für den Vorstand wahrgenommen.“

Zeichen für einen Neustart?

Deutlich gesunken hingegen ist die Zahl der Firmen, die weiterhin auf Kurzarbeit setzen wollen – laut PwC sind es noch 33 % nach 51 % bei der letzten Umfrage Ende April. Das ist ein Zeichen für den Neustart der Unternehmen – zugleich wächst die Gefahr, dass auf temporäre Kurarbeit in vielen Unternehmen langfristiger Personalabbau folgt.

Kurzarbeit hilft dabei, in der Krisenbewältigung Zeit zu gewinnen. Sie hilft allerdings nicht, wenn sich eine akute Krise wie die Corona-Pandemie zu einer dauerhaften Strukturkrise für einzelne Unternehmen oder ganze Branchen ausweitet. So stellt sich etwa der Billigflieger Easyjet nach einer Ankündigung Ende Mai für die Zeit nach der Corona-Pandemie auf einen kleineren Luftfahrtmarkt ein und streicht dafür bis zu 4.500 Stellen. Damit fielen bis zu 30 % aller Arbeitsplätze weg, teilte das Unternehmen Ende Mai mit.

Auch beim Automobilzulieferer ZF in Friedrichshafen hat das Management Ende Mai für die kommenden fünf Jahre den Abbau von 12.000 bis 15.000 Arbeitsplätzen angekündigt. Es zeichne sich die weltweit größte Weltwirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren ab. Der könne sich auch die ZF nicht entziehen, so die Begründung des Vorstands. Es gebe derzeit keinen Spielraum mehr, um den Stellenabbau zu verhindern.

In solchen Fällen werden Unternehmen Instrumente vorbereiten, mit denen sie nach Ende der Kurzarbeit einen Stellenabbau umsetzen können. Wenn es soweit kommt, sind die Betriebsräte erneut gefordert. So hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Managementplanungen der Gesamtbetriebsrat von ZF in einer Stellungnahme im SWR bereits angekündigt, dass er um jeden Arbeitsplatz kämpfen wird.

Keine Langzeittherapie

Bei aller Wirksamkeit gegen kurzfristige Folgen der Corona-Pandemie –Kurzarbeitergeld ist nicht vorgesehen und nicht geeignet als Langzeittherapie. Die nächsten Monate werden zeigen, ob sich die Konjunktur sehr rasch wieder erholt und der Beschäftigungsrückgang nur eine temporäre Episode bleibt oder ob es im Nachgang zur akuten Krise einen erheblichen Arbeitsplatzabbau geben wird.

Darauf deutet zumindest eine aktuelle Umfrage der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC unter Finanzvorständen börsennotierter deutscher Unternehmen hin, die das Handelsblatt Ende Mai veröffentlicht hat. Von einer schnellen Erholung nach dem Einbruch gehen darin nur noch wenige Chief Financial Officer aus. In der PwC-Umfrage geben 34 % der Finanzchefs an, zu diesem Mittel greifen zu wollen. Das ist zwar immer noch die Minderheit, aber der Wert steigt in den PwC-Umfragen der vergangenen Monate an.

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