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SBV

Wiedergewählt ins Amt der Schwerbehindertenvertretung

Wie geht’s jetzt weiter als Vertrauensperson?

Auch erfahrene Vertrauenspersonen sollten zu Beginn der neuen Amtsperiode die aktuelle Situation im Betrieb analysieren, rät Oliver Schmid-Eicher. Er kennt und berät Schwerbehindertenvertretungen seit Jahren, sowohl als SBV-Referent für das ifb als auch in seiner anwaltlichen Praxis.  

Stand:  12.12.2022
Lesezeit:  04:00 min
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Wiederwahl SBV | © Adobe | BullRun

Oliver, Du empfiehlst, dass sich jede SBV zu Beginn der neuen Amtszeit über die Ist-Situation im Betrieb Klarheit verschaffen sollte. 

Ja, unbedingt, denn die aktuellen Entwicklungen wirken sich ggf. auf das Unternehmen oder den Betrieb aus. Schwierigkeiten auf dem Markt oder Lieferengpässe infolge des Krieges müssen Interessenvertretungen im Blick haben. Ebenso macht sich vielleicht auch der Fachkräftemangel bemerkbar. Hier besteht ein Bezug zum betrieblichen Gesundheitsmanagement und zur wichtigen Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung – nämlich dafür einzutreten, dass Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligt werden. 

Stichwort „wirtschaftliche Situation im Betrieb“: Wie kann sich die SBV hier einen fundierten Einblick verschaffen? 

Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebsrats und an allen Ausschusssitzungen teilzunehmen, also auch an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses. Dieser hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmen zu beraten und den Betriebsrat frühzeitig zu informieren. Wenn die Schwerbehindertenvertretung daran teilnimmt, ist sie gut informiert und kann sich frühzeitig auf mögliche Entwicklungen einstellen. Sie sollte ihr Recht also unbedingt wahrnehmen. 

Die Leistungsmessung beinhaltet das Risiko, dass Menschen mit Einschränkungen benachteiligt werden können.

Gerade in „kriselnden Unternehmen“ stehen schwerbehinderte und gleichgestellte Kollegen oft unter „besonderer Beobachtung“. Wie sind Deine Erfahrungen? 

Dieses Risiko besteht durchaus, und zwar vor allem in Unternehmen, die hierarchisch und leistungsorientiert aufgestellt sind. Denn die Leistungsmessung beinhaltet das Risiko, dass Menschen mit Einschränkungen benachteiligt werden können, zum Beispiel, wenn keine Bereitschaft besteht, Arbeitsplätze den Einschränkungen anzupassen. 

Können Vertrauenspersonen hier gegensteuern und wenn ja, wie? 

Die Schwerbehindertenvertretung sollte sich gut informieren und mit dem Betriebsrat vernetzen. Sie sollte aktiv und präsent sein. Dafür muss sie sich zeigen, also an den Sitzungen der anderen Betriebspartner teilnehmen, neben denen des Wirtschaftsausschusses auch an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses. Hier besteht die Möglichkeit, Verbindungen zur Fachkraft für Arbeitssicherheit oder zum Betriebsarzt aufzunehmen und gemeinsame Ideen zum Schutz schwerbehinderter Kollegen zu entwickeln. 

Krisenzeiten gehen oftmals auch mit betrieblichen Umstrukturierungen einher. Was sind die Warnsignale und worauf sollte die SBV achten?  

Umstrukturierungen können sich vielfältig auswirken: Betriebs(teil-)schließungen, Zukäufe, Verkäufe, Spaltungen, Fusionen sind möglich; aber auch die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden oder Fertigungsverfahren gehört dazu. Der Wirtschaftsausschuss muss darüber vom Arbeitgeber frühzeitig informiert werden. Warnsignale sind zum Beispiel unklare oder widersprüchliche unternehmerische Aussagen, finanzielle Schwierigkeiten, der Einsatz externer Berater oder Krisensitzungen. 

Die Schwerbehindertenvertretung hat den gesetzlichen Auftrag, eine Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben zu verhindern. Das gilt auch und gerade bei Umstrukturierungen. Deshalb muss die SBV an allen diesbezüglichen Prozessen und betrieblichen Regelungen bis hin zu Sozialplänen beteiligt werden. 

Hier ist der Kontakt mit dem Betriebsrat und der Personalabteilung wichtig.

Du hast den Fachkräftemangel angesprochen. Worauf sollte die SBV hier ihr Augenmerk legen?  

Die Schwerbehindertenvertretung sollte einen Überblick über die personelle Situation im Betrieb und Unternehmen haben. Sie sollte die Altersstruktur der Beschäftigten kennen und wissen, ob demnächst Kolleginnen und Kollegen in die Altersrente gehen. Hier ist der Kontakt mit dem Betriebsrat und der Personalabteilung wichtig, denn die Personalplanung gehört zu den Kernbereichen, in denen sich Personalabteilung und Betriebsrat austauschen.  

Die Schwerbehindertenvertretung könnte speziell den Anstoß geben, mehr für die Ausbildung schwerbehinderter Menschen zu tun. Das kann beispielsweise auch Gegenstand einer Inklusionsvereinbarung werden. 

„Zu aufwändig, zu komplex!“, lautet oft der Einwand der Personalabteilung, wenn es um die Einstellung (schwer-)behinderter Arbeitnehmer geht. Was ist Dein Tipp für die SBV? 

Die Schwerbehindertenvertretung kann darauf aufmerksam machen, dass schwerbehinderte Menschen keineswegs weniger leisten, sofern die Arbeitsplätze an deren Bedürfnisse angepasst sind. Das wiederum unterstützen Ämter und Behörden, allen voran das Integrationsamt, finanziell. Damit könnte sich die Einstellung schwerbehinderter Menschen für das Unternehmen rechnen: Auf der einen Seite spart das Unternehmen möglicherweise an der Ausgleichsabgabe, auf der anderen Seite wird ein Arbeitsplatz geschaffen. 

Jenseits der finanziellen Aspekte kann ein Unternehmen auch damit werben, inklusiv zu sein und Menschen mit Einschränkungen Chancen zu bieten. Die Unternehmenskultur und das Unternehmensleitbild sollten diese Aspekte klar artikulieren. 

Die Mitarbeiter in den neu geschaffenen „Einheitlichen Ansprechstellen“ (link Lexikon) sollen Arbeitgeber bei der Einstellung von behinderten Arbeitnehmern unterstützen. Gibt es da schon erste Erfahrungen? 

Das ist noch etwas früh, die einheitlichen Ansprechstellen sind vielfach noch im Aufbau. Jedenfalls ist es eine gute Idee, einen Lotsen durch das „Dickicht“ der verschiedenen Regeln und Vorschriften zu haben. Jeder Schwerbehindertenvertretung ist also zu raten, den Kontakt mit der zuständigen Einheitlichen Ansprechstelle zu suchen und Arbeitgeber zu unterstützen. 

Der digitale Wandel erzeugt zusätzlich Druck und Stress.

Als dritten Punkt hast Du das Betriebliche Gesundheitsmanagement genannt: Warum sollte die SBV dieses Thema im Blick haben? 

Aus aktuellem Anlass: Die Coronakrise war teilweise mit Stellenabbau verbunden. Das Arbeitsvolumen ist aber gleichgeblieben, wenn nicht sogar erhöht worden. Der digitale Wandel erzeugt zusätzlich Druck und Stress. Wie kann hier rechtzeitig gegengesteuert werden? Dazu gehört zum Beispiel auch die Frage, ob alle Kolleginnen und Kollegen mitgenommen und entsprechend geschult werden. Hier sollte die SBV in engem Austausch mit dem Betriebsrat stehen und auch in den schon genannten Arbeitsschutzausschuss gehen, um informiert zu sein und sich einbringen zu können.  

Wie kann die SBV mit eigenen Vorschlägen punkten und agieren statt immer nur  zu reagieren?  

Die Schwerbehindertenvertretung sollte ein Konzept erarbeiten, welche Themen ihr wichtig sind und danach einen „Fahrplan“ aufstellen. Diesen sollte sie gut kommunizieren, sich Unterstützer suchen und ihn zielgerichtet umsetzen. Nach meiner Beobachtung sind Sachkenntnis und Information, Ausdauer, Kommunikationsfähigkeit und gute Vernetzung dabei maßgeblich. Wenn es der Schwerbehindertenvertretung gelingt, als Expertin oder Experte für ihren Zuständigkeitsbereich anerkannt zu werden, kann sie viel für die Kollegen erreichen.  

Zum Schluss noch eine Frage: Was passiert mit Inklusionsvereinbarungen, die in der letzten Amtszeit verhandelt, aber noch nicht abgeschlossen worden sind. Sollte die SBV hier von vorne anfangen oder am aktuellen Sachstand anknüpfen? 

Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es hängt von den Umständen, dem Verhandlungsstand und den Mitwirkenden ab. Eine sorgfältige Analyse ist aber in jedem Fall unverzichtbar. Wenn diese einen tragfähigen Ausgangspunkt ergibt, kann an den vorhandenen Sachstand angeknüpft werden, ansonsten kann auch ein „Neustart“ sinnvoll sein. (gs/ad)

ifb-Referent Oliver Schmidt-Eicher

Oliver Schmidt-Eicher ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht und langjähriger Referent des ifb.

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