Die Deutsche Bahn liefert leider neue Schlagzeilen. Nach einem Milliardenverlust will das Unternehmen “mehr Bahn mit weniger Menschen” schaffen. Im Klartext: 30.000 Jobs stehen auf der Kippe. Selbst einstige Vorzeigebranchen wie die Automobilindustrie stecken momentan tief in der Krise: So hat etwa Ford ein weiteres Restrukturierungsprogramm angekündigt, bei Volkswagen soll das „Performance Programm“ zehn Milliarden Euro einsparen, ganz zu schweigen von den vielen Zulieferbetrieben. Die Liste könnte mit weiteren Beispielen aus nahezu sämtlichen Branchen erweitert werden. Deutsche Bank, Telekom, bei kaum einem Großkonzern geisterte in den letzten Monaten kein potenzieller Stellenabbau durch die Medien. Auch die Anzahl der Insolvenzen steigt, wie bei Galeria Karstadt Kaufhof, der Immobiliengruppe Signa, dem Modeunternehmen Esprit oder dem Reisekonzern FTI, um nur einige prominente Unternehmen zu nennen. Sogar Kliniken kämpfen ums Überleben – in den vergangenen zwei Jahren schlossen Medienberichten zufolge in Deutschland rund 40 Krankenhäuser. Wie kann das sein?
Ob hier Signale verschlafen wurden, sei mal dahingestellt.
Unterschiedliche Branche, unterschiedliche Gründe
Die Ursachen für die Krise(n) sind vielfältig. Den Autobauern macht beispielsweise die Mobilitätswende und die damit verbundene Transformation zum E-Auto zu schaffen. Ob hier Signale verschlafen wurden oder politische Ziele zu hochgesteckt sind, sei mal dahingestellt. Der Einzelhandel hingegen bekommt vermehrt das veränderte Konsumverhalten zu spüren – Online-Shops lassen grüßen, Corona wirkte hierfür wie ein Katalysator. Ganz davon abgesehen, halten viele Menschen angesichts der unsicheren Zeiten ihr Geld auch einfach zusammen. Ähnlich ist es in der Gastronomie, wobei hier mit dem immensen Personalmangel noch ein weiterer Faktor zu Buche schlägt. Immer wieder müssen Restaurants schließen, weil sie schlicht keine Mitarbeiter finden. Genauso wie die Gastro kämpft die Immobilien- und Baubranche mit gestiegenen Material- und Energiekosten, zeitgleich sind die hohen Zinsen wenig förderlich für Investitionen. Rohstoff- und Energiepreise sind es ebenfalls, die es den Industrieunternehmen schwer machen. Und so ließen sich die Gründe für jede Branche einzeln analysieren.
Entscheidender Wettbewerbsvorteil: Betriebsräte
Egal ob Nachwirkungen der Pandemie, Inflation, steigende Energie- und Materialkosten, eine schwächelnde Nachfrage, Fachkräftemangel oder die deutsche Bürokratie: Jammern bringt nichts! Während andere Länder (mit ähnlichen Problemen) wieder Fahrt aufnehmen, stagniert die deutsche Wirtschaft allenfalls. Dabei hat Deutschland einen entscheidenden Vorteil gegenüber vielen anderen Nationen, der manchmal gar nicht genug im Bewusstsein ist: Mit Betriebsräten gibt es nämlich ein Instrument, das als Frühwarnsystem fungiert und auf das sich die Beschäftigten verlassen können.
Und gerade in einer Krise, wenn es darum geht, Jobs zu retten, sind Betriebsräte wichtiger denn je. Ohne Betriebsrat wären Mitarbeiter schlimmstenfalls der Willkür des Arbeitgebers ausgeliefert – Stellenabbau nach Sympathie? Fehlanzeige!
Ich bin überzeugt davon, dass nicht nur die Belegschaft, sondern auch die Betriebe von einem Betriebsrat profitieren.
Susanne Helmer, ifb-Bildungsreferentin
Drohen Insolvenz, Firmenverkauf oder Betriebsschließung, kann einzig der Betriebsrat einen Interessensausgleich oder Sozialplan aushandeln. „Ich bin überzeugt davon, dass nicht nur die Belegschaft, sondern auch die Betriebe von einem Betriebsrat profitieren“, sagt ifb-Bildungsreferentin Susanne Helmer und führt dabei eine Studie an, wonach Betriebe mit Interessenvertretung produktiver, innovativer sowie familienfreundlicher sind und eine niedrigere Fluktuation haben. Nicht die allerschlechtesten Voraussetzungen beim Kampf um Fachkräfte! Deshalb richtet die Wahlexpertin einen Tipp an alle Unternehmen, die noch keinen eigenen Betriebsrat haben: „Es macht immer Sinn, einen Betriebsrat zu gründen.“
Das gesamte Unternehmen im Blick
Wichtig für Betriebsräte ist es, jederzeit das gesamte Unternehmen im Auge zu behalten, um zu erkennen, wie die wirtschaftliche Situation aussieht und rechtzeitig eingreifen zu können. Schulungen sind wichtiger denn je – und Pflicht für jeden Betriebsrat!
Und sollte es trotz aller Früherkennungssysteme doch zur Krise kommen, darf sich der Betriebsrat nicht wegducken, sondern muss aktiv werden – und das ist er meist auch. Zum Beispiel beim Druckzentrum des Kölner Verlagshauses DuMont. „Wir haben den letzten Cent rausgeholt“, sagte seinerzeit Betriebsrat und Verhandlungsführer Harald Hartung zum ausgehandelten Sozialplan (hier weiterlesen). Wie? Sie haben bewusst den Weg über die Öffentlichkeit gewählt, haben Prominente aus Politik, TV sowie Kunst und Kultur ins Boot geholt. Die haben wiederum damit gedroht, entsprechende Veranstaltungen zu boykottieren oder Werbeverträge aufzulösen.
Oder etwa der Betriebsrat von Landliebe – die beiden verbliebenen Standorte sollen bis Sommer 2026 ihren Betrieb einstellen. Wegen einer vorher erfolgten Übernahme hätte eigentlich kein Sozialplan ausgehandelt werden müssen, das Unternehmen ist von dieser Meinung aus verschiedenen Gründen jedoch auf Distanz gegangen. Unter anderem deshalb, weil Betriebsrat und Gewerkschaft das Vorgehen in die Öffentlichkeit getragen hätten (hier weiterlesen).
Fazit: So bitter Krisen für Arbeitnehmer auch sind: Es ist immer besser, einen (gut geschulten) Betriebsrat an seiner Seite zu haben!