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Provisionen für einen freigestellten Betriebsrat?

Als Autoverkäufer über 10.000 EUR monatlich verdienen, ohne ein einziges Auto zu verkaufen? Ja, als freigestellter Betriebsrat ist das möglich, allerdings stoßen manche Forderungen dann doch an rechtliche Grenzen – wie ein gewiefter Betriebsrat kürzlich ausgetestet hat. Wobei das letzte Wort noch nicht gesprochen sein muss, weil die Revision zugelassen wurde und die Sache durchaus noch beim BAG landen könnte.

LAG Hamburg, Urteil vom 26.04.2023, 3 Sa 29/22

Stand:  28.8.2023
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Das ist passiert

Der Kläger, ein freigestellter Betriebsrat, war bei der Beklagten als Neuwagenverkäufer angestellt. Wie im Verkauf üblich, machten einen erheblichen Teil seines Einkommens Provisionszahlungen und Boni aus. Augenscheinlich war er ein Top-Verkäufer, denn seine Verkaufsleistung lag zuletzt 33 % über der von anderen Verkäufern.

Im Wege seiner Freistellung als Betriebsrat einigte er sich mit der Beklagten auf die Vergütung in Form eines „Garantie-Einkommens“ für die Dauer der Freistellung. Dieses wurde bemessen nach dem Verdienst des Klägers in dem Jahr vor der Freistellung, einschließlich aller in diesem Jahr geflossenen Provisionen. Es betrug zunächst 7.489,54 Euro monatlich und wurde zuletzt auf 10.240,25 Euro angehoben. Den Erhöhungen lagen die Zielerreichungsboni im Mittelwert der Vergleichsgruppe zugrunde, also den weiterhin aktiven Verkäufern.

Der Kläger machte darüber hinaus jedoch weitere Ansprüche geltend, insbesondere verlangte er „nachlaufende Verkaufsprovisionen“ und einen höheren Zielerreichungsbonus. Seiner Ansicht nach habe er einen Anspruch auf die Auszahlung der Provisionen für Autoverkäufe vor seiner Freistellung, die erst nach seiner Freistellung zur Zahlung fällig wurden (deshalb „nachlaufend“). Dieser Zeitversatz spielte eine gewichtige Rolle, weil zwischen Verkaufsabschluss und Auslieferung der Fahrzeuge einige Zeit vergehen konnte. Eine Betriebsvereinbarung sah für den Fall, dass ein Verkäufer aus dem Verkauf in den Innendienst wechselt, eine solche nachlaufende Provision ausdrücklich vor. Dasselbe müsse darum auch bei Wechsel vom aktiven Verkauf in die Freistellung gelten.

Außerdem sei bei der Feststellung der Provisionshöhe nicht auf den Durchschnitt seiner nicht freigestellten Kollegen abzustellen, sondern auf seine zuletzt um 33 % bessere Leistung. Bei einer hypothetischen Betrachtung würde er weiterhin mehr Fahrzeuge verkaufen als die Kollegen seiner Vergleichsgruppe, sofern er nicht vollfreigestellt wäre, sondern weiterarbeiten würde. Er werde sonst bei einem Abstellen auf die Vergleichsgruppe allein wegen seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied wegen seiner Vollfreistellung schlechter gestellt.

Das entschied das Gericht

Das Gericht gab der Klage zu 75 % statt. Durchsetzen konnte sich der Kläger in den Fragen der Anrechnung der diversen Boni und Sonderleistungen sowie vor allem bei der Berücksichtigung seiner persönlichen Besser-Leistung bei den Autoverkäufen im Vergleich zu seinen Kollegen. Hierzu stellte das Gericht fest: „Für die Höhe des Zielerreichungsbonus eines freigestellten Betriebsratsmitglieds ist nicht von vornherein der von einer Vergleichsgruppe erzielte Zielerreichungsgrad maßgeblich, wenn das Betriebsratsmitglied vor seiner Freistellung die Ziele in höherem Maß als die Arbeitnehmer der Vergleichsgruppe im gleichen Zeitraum erfüllt hat.“ Im Klartext: Wer vor seiner Freistellung als Highperformer unterwegs war, kann nach der Freistellung als Betriebsrat nicht wie der Durchschnitt der übrigen Verkäufer behandelt werden. Das Gericht hat darum tatsächlich zugunsten des Klägers auf die Durchschnittsboni 33 % draufgeschlagen.

Eine Niederlage erlitt der Kläger jedoch in dem strittigsten Punkt, dem Anspruch auf Zahlung von nachlaufenden Provisionen ab dem Zeitpunkt seiner Freistellung. Hierzu stellte das Gericht fest, dass die Provisionsansprüche im Grunde entstanden waren, und zwar vollkommen unabhängig von der Bedeutung der nach Auffassung des Gerichts nicht einschlägigen Betriebsvereinbarung in dieser Frage.

Trotzdem könne der Kläger diesen Anspruch auf Provision nicht geltend machen. Dies wäre wegen widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig nach § 242 BGB. Das Gericht wertete es als Widerspruch, wenn der Kläger einerseits die Berechnungsweise des Garantieeinkommens akzeptiere aber gleichzeitig und zusätzlich die Zahlung der nachlaufenden Provisionen verlange. Weil durch die Festlegung des Garantieeinkommens bereits die im Referenzzeitraum geflossenen Provisionen fortgezahlt würden (also quasi die nachgelaufenen Provisionen des Zeitraums vor dem Referenz-Jahr), würde der Kläger ansonsten letztlich höhere Zahlungen erhalten, als wenn er weiterhin im bisherigen Umfang als Kraftfahrzeugverkäufer tätig gewesen wäre. Dies würde aber zu einer unzulässigen Begünstigung als Betriebsrat führen. Diesbezüglich gäbe es auch keine Vergleichbarkeit mit anderen Verkäufern, die in den Innendienst wechseln, weil die ja gerade kein unter Einschluss früherer Provisionen ermitteltes Garantie-Einkommen bezögen.

Bedeutung für die Praxis

Zunächst fällt auf, wohin Geld als ausschließlicher Leistungsanreiz führt. Mit seiner Klage beschreitet der freigestellte Autoverkäufer diesen Weg im Grunde konsequent fort, und er hat ja in weiten Teilen auch Recht bekommen. Dafür mag man ihm gratulieren. Dass sich das Gericht quasi gezwungen sah, die zusätzlichen Provisionsansprüche des Klägers mit der juristischen Notbremse des § 242 BGB zu stoppen, zeigt, wie wackelig das Urteil im Grunde ist. Am Ende würde der Kläger während der Freistellung mehr verdienen, als er vorher verdient hatte - das dürfte halt im Ergebnis nicht sein. Aber die juristische Herleitung dafür ist schwach und man darf auf die wahrscheinliche Revision gespannt sein. Vor allem zeigt dieses Urteil wieder einmal, vor welchen enormen Schwierigkeiten man in der Praxis bei der Freistellungs-Vergütung steht, wenn nicht gerade ein 08/15-Normalgehalt als Ausgang dient. Im Grunde haben die Parteien mit der Vereinbarung eines Garantie-Einkommens unter Einrechnung diverser Sonderleistungen schon vieles richtig gemacht, und sind am Ende dann doch in diesen Rechtsstreit geraten. Das gesetzliche Konstrukt des Ehrenamtes, bei dem für die Freistellungsvergütung auf die hypothetische Entwicklung der Vergütung ohne Freistellung abgestellt wird, stößt halt leider immer wieder an seine Grenzen. Nicht selten hat die tatsächlich ausgeübte Betriebsratstätigkeit mit der ursprünglichen Beschäftigung des freigestellten Arbeitnehmers nicht das geringste mehr zu tun. Wie will man denn eine Vergleichbarkeit einer Entwicklung bei der Vergütung zur ursprünglichen Tätigkeit herstellen, wenn diese Tätigkeit wie im vorliegenden Fall extrem schwankend und vom persönlichen Einsatz des Arbeitnehmers abhängt? Nicht ohne Grund wird daher schon seit längerem von verschiedenen Seiten gefordert, die Vergütung freigestellter Betriebsräte von Grund auf zu reformieren. (mb)

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