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Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten

Die 2001 im Zuge der Rentenreform eingeführte Erwerbsminderungsrente wird von den gesetzlichen Rentenversicherern gekürzt, wenn der Rentenbeginn vor dem 63. Geburtstag liegt. Ein Aufsehen erregendes Urteil des Bundessozialgerichts hat sich nun der Frage angenommen, ob diese Abschläge auch immer zulässig sind.

Bundessozialgericht, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R (mittlerweile abgeändert durch: Bundessozialgericht, Urteile vom 14.8.2008, Az. B 5 R 32/07 R; B 5 R 88/07 R; B 5 R 98/07 R; B 5 R 140/07)

Stand:  16.5.2006
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Das ist passiert:

Eine 1960 geborene Frau bezog seit März 2003 eine Erwerbsminderungsrente. Diese hatte ihr die Deutsche Rentenversicherung wie bei einer vorzeitigen Altersrente um 10,8 Prozent gekürzt, weil die Frau bei Rentenbeginn noch nicht 60 Jahre alt war. Die Abschläge gelten lebenslang, also auch beim späteren Übergang in die Altersrente. Das wollte die Rentnerin nicht hinnehmen und zog vor Gericht.

Das sagt das Gericht:

Das Bundessozialgericht hielt die Vorgehensweise der Rentenversicherer für „gesetz- und verfassungswidrig“ und gab der Frau recht. Ihr wurde rückwirkend die volle Erwerbsminderungsrente zugesprochen.

Bei Inanspruchnahme einer Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres ist eine Rentenkürzung wegen Rentenbezuges vor dem 63. Lebensjahr nach Ansicht der Richter unzulässig. Zwar unterlägen auch Rentner, die bei Rentenbeginn jünger als 60 Jahre sind, den Abschlägen. Diese treten aber erst ein, wenn die Erwerbsminderungsrente über das 60. Lebensjahr hinaus bezogen wird.

Zur Begründung stellt das Gericht zunächst auf den Wortlaut des Sozialgesetzbuches ab. § 77 Absatz 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) sage ausdrücklich, dass die Zeit des Bezuges einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten nicht als Zeit einer „vorzeitigen Inanspruchnahme“ gelte, die eine im Regelfall lebenslange Rentenkürzung rechtfertige. Zudem wollte der Gesetzgeber mit den Abschlägen bei der Erwerbsminderungsrente entsprechend einer vorzeitigen Altersrente nur verhindern, dass Versicherte aus Furcht vor Einbußen bei der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente vermehrt in den Bezug einer Erwerbsminderungsrente ausweichen könnten. Ein solches „Ausweichen“ komme aber frühestens ab Vollendung des 60. Lebensjahres in Betracht und nicht schon vorher.

Das bedeutet es für die Praxis:

Personen, denen eine gekürzte Erwerbsminderungsrente bewilligt wurde oder bewilligt wird und die bei Rentenbeginn noch keine 60 Jahre alt sind können unter Umständen von diesem Urteil profitieren. Sie sollten unter Hinweis auf dieses Urteil Widerspruch bei ihrem Rentenversicherer einlegen und die Unzulässigkeit der Abschläge rügen. Aber Achtung: die Widerspruchsfrist beträgt nur einen Monat ab Zugang des Bescheides.

WICHTIG: Änderung dieser Rechtsprechung

Bundessozialgericht, Urteile vom 14.8.2008, Az. B 5 R 32/07 R; B 5 R 88/07 R; B 5 R 98/07 R; B 5 R 140/07

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mittlerweile seine obige Rechtsprechung zu Abschlägen bei Erwerbsminderungsrenten geändert. Die Richter in Kassel bestätigten die seit 2001 gültige Praxis, Erwerbsminderungsrenten um bis zu 10,8 Prozent zu kürzen, wenn Betroffene diese vor ihrem 60. Geburtstag in Anspruch nehmen.

Die vier Kläger hielten die Rentenabschläge für unsozial und verfassungswidrig, weil niemand den Zeitpunkt seiner Invalidität beeinflussen könne.

Nach Ansicht des Gerichts ist diesem Problem der "fehlenden Freiwilligkeit" bei der Erwerbsminderungsrente jedoch ausreichend entsprochen, weil hier der Abschlag auf 10,8 statt auf 18 Prozent wie bei der Altersrente begrenzt sei. Zudem liege es in der Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers, wie dieser auf die Bevölkerungsentwicklung und die damit einhergehende erhebliche Belastung der Rentenkasse reagiere. Auch einen Verfassungsverstoß sahen die Richter nicht als gegeben. Schließlich hätten Altersrentner wesentlich höhere Rentenkürzungen hinzunehmen, wenn sie vor der Regelaltersgrenze in Rente gingen.

Verfassungsbeschwerde gegen Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten

Der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB, der Sozialverband Deutschland (SoVD) und der Sozialverband VdK Deutschland gehen mit einer gemeinsamen Verfassungsbeschwerde gegen die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten vor.

Nach Auffassung der klagenden Verbände stellen die Abschläge einen verfassungswidrigen Eingriff in das Eigentumsrecht sowie einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes dar. Mit der Verfassungsklage (Az: 1 BvR 3588/08) soll nun ein höchstrichterliches Urteil erreicht werden.

(vgl. Pressemitteilung des VdK vom 17.02.2009)

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