Betriebsrat bin ich geworden, weil ich mich über meine Vorgänger furchtbar „geärgert" habe. Es ging damals um das Thema Eingruppierung bei meiner Einstellung. Der damalige Betriebsrat hat meiner Eingruppierung widersprochen und wollte mich abgruppieren lassen.
Ich habe mich dann bei nächster Gelegenheit aufstellen lassen, weil ich wollte, dass sich etwas ändert. Anderen Kollegen sollte nicht das Gleiche passieren wie mir. Den BR-Vorsitz übernahm ich dann nach 1,5 Jahren.
Die Betriebsratsarbeit wird nie langweilig
Inzwischen bin ich kampferprobt
Inzwischen bin ich kampferprobt und weiß was es heißt, Betriebsrat in guten wie in schlechten Zeiten zu sein. Ich habe alles bereits mitgemacht, denn die Zeiten verlaufen „zyklisch".
Wahrscheinlich wäre ich längst nicht mehr bei der Firma, wenn ich nicht gleichzeitig Betriebsrat wäre, denn ich langweile mich leicht. Wenn ein Job zur Routine wird, schaue ich mich schnell nach Erweiterungsmöglichkeiten oder auch einem Wechsel um. Das ist mir bei allen Aufgaben passiert, die mir übertragen wurden – mit einer Ausnahme: Die BR-Arbeit wird nie langweilig. Sie ist eine tägliche Herausforderung, die einen zugegebenermaßen manchmal auch an seine Grenzen bringt. Aber es ist für mich auch sehr viel positiver Stress dabei.
Unendliche Möglichkeiten
Wenn man sich auf dieses Ehrenamt wirklich einlässt, und vor allem auch Wert auf gute Schulungen legt, die vermittelten Inhalte versteht, verinnerlicht und anwendet, dann hat man unendliche Möglichkeiten sehr viel daraus zu machen, sowohl für sich selbst als auch für andere. Man wächst am Amt und mit seinen Aufgaben, auch persönlich.
Zunächst einmal hat man oft mit Menschen zu tun, die in einer schwierigen Situation sind – sie sind alle unterschiedlich und auch die Probleme sind nie die gleichen. Hier helfen zu können schafft Befriedigung. Darüber hinaus wird man ständig mit neuen Themen konfrontiert, was immer in der Firma passiert, es landet erst einmal beim Betriebsrat – oder sollte zumindest im Idealfall dort landen ... In der Praxis rennen wir den Informationen leider eher hinterher. Das ist dann die Schattenseite des Business, auch weil der Arbeitgeber häufig nicht versteht, warum man alles immer so genau wissen will, man solle doch Vertrauen haben. Dieser Reaktion ist anzumerken, dass das Idealbild „Dialog auf Augenhöhe" noch nicht verwirklicht ist.
Nicht blind vertrauen
Doch auch wenn im BetrVG steht, man solle „vertrauensvoll" zusammenarbeiten besteht die Aufgabe des Betriebsrats nicht darin, Vertrauen zu haben. Der Gesetzgeber hat uns verschiedene Pflichten auferlegt, denen wir nachkommen müssen, z.B. darauf zu achten, dass Gesetze und Betriebsvereinbarungen eingehalten werden. Wir sind das Regulativ, welches den Arbeitgeber im Zweifelsfall dazu bringt mit Themen professionell(er) umzugehen, sich mit Themen intensiver auseinanderzusetzen und dabei die Interessen der Kollegen zu berücksichtigen.
Moderne Herausforderungen
Heutzutage werden strategische Entscheidungen leider kaum noch im Betrieb getroffen, bei internationalen Unternehmen noch nicht einmal mehr im Unternehmen vor Ort. Ziele werden nicht mehr an lokalen Gegebenheiten ausgerichtet, was immer für eine „Parole" ausgegeben wird, es muss genauso umgesetzt werden – Rückfragen zwecklos. Das ist momentan, neben der zunehmenden Digitalisierung, eine unserer größten Herausforderungen.
BR-Arbeit ist definitiv auch eine Chance für sich selbst. Und es ist keine Einbahnstraße. Man erlangt neue Qualifikationen, z.B. in den Bereichen Projektarbeit, Finanzen, Kommunikation – und eine größere Weitsicht. Wichtig ist ein guter Rückhalt im Gremium. Unsere Gremien arbeiten aber gut zusammen.
Betriebsräte sind darauf angewiesen, dass sie Informationen erhalten (möglichst rechtzeitig und umfassend) und mit „Entscheidungsträgern" über Themen reden, bei denen Initiativrechte oder Mitbestimmungsrechte bestehen. Sie müssen an den Stellen nachjustieren, die bei der Ausrufung der Geschäftsziele wenig Berücksichtigung finden: Den Arbeitsbedingungen der Kollegen. Hier ist sehr viel Geduld gefragt, Ausgang ungewiss, aber wie man sieht, ich habe nach mehr als 17 Jahren im Betriebsrat die Hoffnung nicht aufgegeben, auch unter erschwerten Bedingungen etwas zu erreichen.
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